BRONX

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„Welcome to your shitty future!“

Zugegeben, bei einer Band wie THE BRONX fällt es mir schwer objektiv zu bleiben, aber das ist ja meistens so, wenn es um die eigene Lieblingsmusik geht. Nichtsdestotrotz, in den letzten zweieinhalb Jahren ist mir nichts Besseres zu Ohren gekommen als eben jener Vierer aus Los Angeles. Die Band ist die perfekte Essenz aus allem, was mich seit jeher an Gitarrenmusik begeistert. Und davon mal ganz abgesehen, die Typen sind verflucht cool. Wenn man sich anschaut, was für eine Haltung andere Kapellen an den Tag legen, muss man geradezu dankbar sein für die rotzige Mittelfingermentalität, mit der hier Musik präsentiert wird. Es war mir also eine Ehre, mit Gitarrist Joby Ford, der zusammen mit Sänger Matt Caughthran auch noch bei den nicht minder genialen DRIPS tätig ist, über den Stand der Dinge zu sprechen. Hier kann man sich vielleicht schon mal ein kleines Bild von der Band machen, die, spätestens auf ihrer Europatour im Oktober, sämtliche Ungläubigkeit an ihrer Relevanz vernichten wird. Dummerweise wurde mir für das Frage-Antwort-Spiel nur eine Viertelstunde zur Verfügung gestellt. Zusammen mit einer Telefonverbindung, welche daran zweifeln ließ, dass das Gespräch im 21. Jahrhundert stattfand, sind es nicht gerade die besten Voraussetzungen für ein Interview ...

Als ich das erste Mal von THE BRONX gehört habe, war die Rede von einer aufgedrehten Mischung aus Hardcore und Rock’n’Roll – eine Beschreibung, die den Sound des Debüts ganz gut trifft. Alles was man sonst noch über die Band lesen konnte, wurde der Musik ganz und gar nicht mehr gerecht. Was sollen zum Beispiel die ständigen BLACK FLAG-Vergleiche? Bis auf eine ähnliche Attitüde beziehungsweise Angepisstheit sind keine Ähnlichkeiten feststellen. Auch das Unwort „Metalcore“ wurde des Öfteren zur Umschreibung genutzt, verfehlt die Sache aber meilenweit. Und was die Plattenfirma in den Anzeigen zum neuen Album schreibt, ist einfach nur noch peinlich, hier ist von kompromisslosem Metal-Grunge-Core die Rede. Auch die Band selbst sieht es etwas anders, „Die Vergleiche, die bei unserer Musik gebracht worden sind, gehören zu den lächerlichsten Dingen, die ich jemals gehört habe. Auf der anderen Seite ist es für uns interessant zu sehen, was die Leute von uns halten. Es ist unglaublich, dass eine einzelne Band mit soviel unterschiedlichen Dingen verglichen wird. Ich selbst sehe es so, dass all unsere Musik, unsere Riffs und die Art, wie wir spielen, auf dem Blues basiert. Dort liegen die Wurzeln des Rock’n’Roll, dort kommt alles her.“
Ähnlich einfach sind für Ford die Unterschiede zwischen den beiden Alben. „Soweit ich das beurteilen kann, ist das erste Album eine Explosion. Das zweite Album hat mehr mit Groove zu tun.“ Genauso einen abgeklärten Eindruck macht der gute Herr, wenn es darum geht die labeltechnische Situation der Band zu beschreiben. Was gar nicht mal so einfach ist, immerhin gibt es auf dem Cover der zweiten Platte Danksagungen an acht verschiedene Plattenfirmen. „Wir haben mit all den erwähnten Labels zusammengearbeitet. Es ist uns wichtig dass unsere Platten auf der ganzen Welt erhältlich sind, also haben wir uns darum gekümmert. Es hat nichts damit zu tun die Leute zu verwirren.“
Schön, wenn sich jemand die Mühe macht und versucht die eigene Situation zu kontrollieren, zumal es für den Gitarristen dafür gute Gründe gibt. „Heutzutage ist sehr schwierig, seinen Platz in der Musik zu finden, ohne dass man dabei von den Leuten in eine bestimmte Kategorie geschubst und abgestempelt wird. Ich weiß nicht, wie es woanders ist, doch in Amerika haben zu viele Bands das Ziel, den Sound einer erfolgreichen Band zu kopieren, um eine ähnliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Uns ist es wichtig, dass wir etwas zustande kriegen, das besser ist als der langweilige Standard, der sich momentan Musik schimpft.“
Man merkt, Abgrenzung scheint der Band sehr wichtig zu sein. So wurden die Aufnahmen der beiden Alben dann auch häufig in die Richtung beschrieben, dass es der Band darum ging unvollkommene Musik auf Band zu hinterlassen. Sprich: es wurde analog und live aufgenommen, ohne etwaige Fehler im Nachhinein zu korrigieren. Das Problem ist nur, auf den Alben lassen sich keine Fehler entdecken. Spricht man Ford darauf an und fragt ihn, ob es sich bei THE BRONX tatsächlich um perfekte Musiker handelt, muss dieser erst mal lachen und stellt direkt klar, „die Platte wimmelt nur so von Fehlern. Allerdings sind Fehler für uns als Musiker etwas anderes als für jemanden, der sich die Platte zu Hause anhört.“
Anders ist da schon seine Meinung, wenn es um Artworks geht. Für ihn gibt es da einen klaren Zusammenhang zwischen dem Rückgang von Verkäufen in der Musikindustrie, und der Einstellung in Bezug auf die Verpackung von Musik. „Für mich ist die Covergestaltung genauso wichtig wie die Musik selbst. Dabei geht nicht mal so sehr um eine inhaltliche Verbindung von Musik und Artwork. Trotzdem muss den Leuten auch optisch etwas geboten werden, es gibt zu viele Platten mit einer miesen Gestaltung. Früher hat man sich da noch wesentlich mehr Mühe gegeben.“
Schaut man sich die beiden Alben oder ein paar der Flyer und Konzertposter an (für die der Gitarrist auch zuständig ist), erkennt man direkt, dass hier jemand am Werk war, der seine Hausaufgaben gemacht hat. Und auch inhaltlich hat die Band den Dreh raus, beim lesen der Texte des neuen Albums entsteht der Eindruck, die Band weiß sehr wohl um ihre momentane Situation bescheid, und hat kein Problem diese dementsprechend zu kommentieren. Ganz so einfach sieht Ford die Sache allerdings nicht. „Nun, ich denke, es ist schon ab und zu so, dass man in seinen Texten versucht, sich selbst zu erklären. Aber ich finde es scheiße, den Leuten Zeile für Zeile zu erzählen, was für eine Aussage hinter den einzelnen Wörtern steht. Es hat auch immer eine Menge mit dem Auge des Betrachters zu tun. Wenn ein Text für jemanden eine bestimmte Bedeutung hat, muss das nicht zwangsläufig mit der ursprünglichen Intention des Verfassers übereinstimmen. Das ist ja das Coole daran.“
An dieser Stelle zitiere ich einfach noch mal eine Textzeile aus „Shitty future“ vom neuen Album, und überlasse es somit jedem selbst, was er von dieser großartigen Band halten soll: „Give me intervention baby, so sweet and slow. Half hearted misdirection, baby where will we go. Slit wrists are the latest fashion and your sheets see the dirtiest action, where independent mothers throw kids in loveless gutters.“