AMUSEMENT PARKS ON FIRE

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Alles selber machen

Mit "Out Of The Angeles" hat die aus Nottingham, UK stammende Band für mich eine der besten Platten des Jahres veröffentlicht, ein Album, das mit seinem wunderbar breitbandigen, samtigen Sound begeistert, irgendwo zwischen MOGWAI und STEREOLAB, zwischen Noisepop und Progrock. Ich sprach mit dem 22 Jahre alten Sänger, Gitarrist und Bandgründer Michael Feerick vor dem Konzert im Kölner Gebäude 9, das leider durch Soundprobleme beeinträchtigt wurde.



Wie groß seid ihr in England, verglichen mit Deutschland?


Ach, das ist überall in Europa ungefähr gleich und kommt auf die Stadt an. Wir ziehen so zwei-, drei-, vierhundert Leute.



Ich frage deshalb, weil das ja bei manchen Bands sehr verschieden ist: Die sind in Großbritannien Stars, wie etwa die EDITORS, und hierzulande spielen sie in kleinen Clubs.

Stimmt, das ist manchmal echt seltsam. In England ist der NME das bestimmende Musikmagazin, und wir passen wohl nicht so in deren Raster. Die Leute orientieren sich aber extrem an deren Urteil, und da ist es hierzulande echt angenehmer, da haben die Leute einen eigenen Geschmack, sind offener.



Solche Statements bekomme ich häufiger zu hören, gerade auch von US-Bands, doch es fällt mir schwer, das nachzuvollziehen.

Es hat vielleicht damit zu tun, dass wirklich alle Bands in England spielen und die Leute übersättigt sind. Dazu kommt, dass in England die Popkultur sehr dominant ist, wir ähneln darin doch sehr stark den USA, es geht ständig darum, was gerade Mode ist und was nicht. Es macht uns oft keinen großen Spaß da zu spielen, und viele Leute scheint nur zu beschäftigen, ob sie gerade auch wirklich das Angesagteste und Neueste cool finden, wie sie von anderen wahrgenommen werden. Lass mich noch ein paar Bier mehr trinken und ich erzähle dir dazu noch viel mehr, hahaha.



Okay, aber du kannst auch jetzt schon sicher sein, dass das Interview nur auf Deutsch erscheint.

Hauptsache meine Mutter kann es nicht lesen, haha.



Verfolgen deine Eltern deine Karriere?

Oh ja, sehr genau. Mein Vater ist selbst ein großer Musikfan, der kann sich da richtig begeistern. Die haben mich immer schon sehr unterstützt, mir Equipment gekauft, mich zu Nachwuchswettbewerben gefahren und so weiter. Und ich glaube, die finden es richtig gut, dass ich jetzt von meiner Musik leben kann - ist ja auch besser, als einen Musikersohn zu haben, der von Arbeitslosengeld lebt.



Man stößt heute immer wieder auf junge Bands, die Musik als Karrieremöglichkeit betrachten und deshalb sehr planvoll und ehrgeizig vorgehen. Wie stehst du zu so was?

Ich mag nichts, was gekünstelt ist. Ich habe Musik nie als mögliche Karriere angesehen, ich mache das nicht, weil ich berühmt werden will. Mir geht es um die Kreativität, die treibt mich an. Und so kam es auch zum ersten Album: Ich ging ins Studio, nahm ein paar Sachen auf, nur so zum Spaß, ich hatte gar nicht im Hinterkopf, dass man das als Album verkaufen könnte. In England geht es vielen Bands nur darum, sich einen Namen zu machen, die sind sehr geltungssüchtig und so etwas stört mich. Ich will, dass die Leute meine Musik hören können und ich Spaß daran habe, aber ich will mich nicht um jeden Preis in den Vordergrund drängen. Bisher habe ich durch meine Musik viele neue Freunde gefunden, das motiviert mich, und durch einen gewissen Erfolg habe ich auch genug Geld fürs Studio, um dort machen zu können, was wir wollen. Und so geben wir unser Geld dann eben dafür aus, ein paar Streicher ins Studio zu holen.



Dein Label weist gerne mal auf dein noch beinahe jugendliches Alter von 22 Jahren hin ...

Ja, aber das war sicher nicht meine Idee. Gerade beim ersten Album war das der Fall, und mein Label spielt gerne mal mit der Tatsache, was mich schon etwas nervt. Da wird dann mit der Tatsache geprahlt, dass ich schon mit 16 meine Karriere angefangen habe und so.



Hältst du dich selbst für ein musikalisches Genie?

Hahaha, wenn ich das täte, wäre ich ein echter Wichser. Ich halte schon den Begriff, das ganze Konzept eines Genies für falsch, das stellt einen in eine Reihe mit Leuten wie Einstein. Meine Musik hat ja nur den Wert, den ihr jeder Einzelne für sich zuweist, aber keinen universellen. Und selbst wenn du Musik schreiben könntest, die jedem auf der Welt gefällt, wäre das wohl doch nur Müll wie die BEE GEES.



Dann bist du also eher ein Besessener wie Billy Childish oder Nikki Sudden, die auch sehr früh begonnen haben, Musik zu machen, und sich einen Scheiß um das Rockstartum gekümmert haben.

Ja, Obsession trifft es in meinem Fall schon ganz gut. Gerade als ich noch jünger war, so mit 15, 16, als ich zu Hause war und irgendwelche Sachen aufnahm, war ich richtig besessen von der Musik. Die Besessenheit ist heute aber eine andere, wenn du mit zehn, fünfzehn Leuten an einem Album arbeitest, wenn du dich selbst um Artwork, Website und jeden anderen Aspekt kümmerst. Die Begeisterung für die Musik ist heute aber noch die gleiche wie damals, auch wenn ich heute vieles anders sehe, mich mit den Mechanismen der Musikindustrie abgeben muss, die ich wirklich hasse. 99 Prozent aller Bands machen für mich aus den falschen Beweggründen heraus Musik, und sie sind umgeben von Wichsern. Und ja, auch wir sind Teil dieser Industrie, aber dagegen kann ich nichts tun.



Im Zusammenhang mit dir und deiner Band wird immer wieder ein gewisser Progrock-Einfluss erwähnt. So was finde ich aus dem Grunde interessant, auch in Bezug auf MARS VOLTA, weil Punk ja einst der natürliche Feind des Progrocks war, heute jedoch Musiker, die damals noch nicht geboren waren, völlig ohne Vorbehalte die beiden Stile vermischen.

Ja, das ist ein lustiges Phänomen, da stimme ich dir zu. Wir leben heute in einer anderen Zeit, alles ist so modeorientiert. Ich denke dabei gar nicht mal, dass MARS VOLTA bewusst auf retro machen, wie viele andere Bands, die etwa ganz klar GANG OF FOUR kopieren. Ich denke, dass MARS VOLTA von der Attitüde her den alten Prog-Bands ähneln, aber das geht okay, weil sie früher in einer Punkband waren und dadurch glaubwürdig sind. Die machen das ernsthaft, aus den richtigen Gründen - im Gegensatz zu vielen anderen. Grundsätzlich finde ich es auch gut, dass Punk damals gegen diese Bands war, denn viele davon waren echt schlimme Scheiße. Und doch würde Johnny Rotten heute sicher zugeben, dass KING CRIMSON durchaus cool waren. Die steckten damals Messer in ihre Instrumente, und das ist doch sehr punkig, oder? Ich mag die Attitüde vieler dieser Bands, die einfach Neues ausprobiert haben, während viele Bands heute in dem ganzen Wust ihrer Einflüsse völlig untergehen. Mir gefällt, dass man heutzutage viele verschiedene Stile kombinieren kann, nicht wie früher gleich auf ein Genre festgelegt ist. Früher warst du Mod, Rocker oder Punk und das war's dann. Über das Thema könnte ich übrigens stundenlang reden, hahaha.



Ihr habt das letzte Album in Island aufgenommen, im Studio von SIGUR RÓS. Würdest du sagen, dass die Umgebung sich auf den Sound, die Stimmung der Lieder ausgewirkt hat?

Eigentlich hatten wir ein etwas poppigeres, sommerlicheres Album geplant, ich hatte mir auch echt vorgenommen, entsprechende Songs zu schreiben, doch irgendwie wurden da diese mächtigen, lauten Lieder daraus, dieses progrockige Album. Wir waren im Winter auf Island, das Wetter war entsprechend, es war fast immer dunkel. Wir saßen eigentlich die ganze Zeit im Studio, konzentrierten uns voll auf das Album, und so gesehen hätte es überall entstehen können.



Als ich euch das erste Mal hörte, war ich mir nicht so recht klar, in welchem Kontext ich euch zu sehen hatte, mir fielen da auch ELLIOTT als Vergleich ein.

Also ich wusste damals auch nicht, wo wir stehen, jeder verglich uns mit jemand anderem, wir wurden als eine dieser Shoegazer-Bands bezeichnet, aber das sagte mir gar nichts, haha. Okay, ich hatte da auch schon mal was von MY BLOODY VALENTINE gehört, aber als nächstes behauptete dann jemand, wir würden bei DINOSAUR JR. klauen, die ich nun gar nicht kannte, und so weiter. Stattdessen haben wir damals viel Andrew W.K. gehört, aber das merkt man uns nicht an, oder? Ich denke, mit dem zweiten Album haben wir jetzt unsere eigene Nische gefunden, und es klingt schlüssiger als das erste, wo wir noch auf der Suche nach unserem Sound waren.



Am Montag erst war ich bei MOGWAI ...

Oh ja, die mag ich sehr, und SIGUR RÓS. Und übrigens auch BOB TILTON, eine heute längst vergessene Band, die immer wieder als Emo bezeichnet wird, obwohl sie nie so einen weinerlichen Sound gemacht hat. MOGWAI und BOB TILTON tourten damals zusammen, und so kam ich auf MOGWAI und habe seitdem viele ihrer Konzerte gesehen. Wenn wir also einen gewissen Background haben, dann diesen.



Du sprichst meistens von "wir" - sind AMUSEMENT PARKS ON FIRE also eine echte Band? Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass du da schon eine sehr zentrale Rolle spielst.

Also heute sind wir es. Anfangs eher weniger, aber die Idee eines Soloprojektes erschien mir langweilig. Damals spielten aber alle meine Freunde bereits in Bands, also musste ich alleine anfangen. Heute sind wir eine richtige Band, die neuen Songs entstanden alle gemeinsam.

Was hat es mit eurem Bandnamen auf sich? Der hat mich von Anfang an fasziniert.

Leider habe ich keine spannende Story dazu. Ich war schon zu meiner Schulzeit in einer Band namens ACUPUNCTURE, die auf recht großes Interesse bei verschiedenen Labels stieß. Mich langweilte die aber bald, und so begann ich ein Sideproject, das eher nach Drum & Bass klang, und das benannte ich nach einem ACUPUNCTURE-Song namens "Amusement parks on fire". Ich war noch jung und wütend, als ich den schrieb, haha, und ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, was ich damit zum Ausdruck bringen wollte. Bald darauf löste sich die Band auf, und da stand ich, mit diesem Namen, der gar nicht so originell ist, schließlich klingt das beinahe wie ALEXIS ON FIRE. Und SEACHANGE, gute Freunde, haben ein Album raus namens "On Fire, With Love". Die wiederum waren etwas verstört, als kurz darauf Beck sein Album veröffentlichte und es "Seachange" nannte.



Siehst du dich in der Lage, ein paar für dich prägende Alben zu benennen?

Puh, das ist sehr schwierig ... Die SMASHING PUMPKINS sind für mich eine wichtige Band, aber ich kann bei denen kein Album benennen, das mich komplett begeistert. Ich müsste da mein persönliches Best-Of-Album zusammenstellen. Ich mag auch "The Soft Bulletin" von den FLAMING LIPS, ganz allgemein Neil Young - und "Loveless" von MY BLOODY VALENTINE, das ist eine der besten Platten, die je gemacht wurden. Und ich mag "Eureka" von Jim O'Rourke. Und in der Art könnte ich jetzt fortfahren, es gibt unzählige gute Platten.

Dann danke ich dir für das Interview.