Tim Pittman

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Presents from Down Under

Wer sich für australische Musik zu interessieren beginnt, kommt an den beiden exzellenten Compilations "Tales From The Australian Underground" nicht vorbei - und ist dann hoffentlich angefixt. Aber auch die sträflich unterschätzten MARK OF CAIN, eine der Lieblingsbands von Henry Rollins, gehören zu den Schützlingen von Tim Pittman aus Sydney, der sich mit Feel Presents dem Aufarbeiten der Rockmusik-Geschichte des fünften Kontinents verschrieben hat.

Stell dich doch bitte mal vor.

Mein Name ist Tim Pittman und ich bin ein australischer Konzertveranstalter. Ich bringe Alternative/Independent-Künstler von Übersee nach Australien. Angefangen bei Lou Reed, Henry Rollins und Cat Power, über Mogwai und THE DILLINGER ESCAPE PLAN bis hin zu TV Smith. Ich promote auch ein paar ausgewählte australische Acts, wie RADIO BIRDMAN, THE DIRTY THREE, THE MARK OF CAIN & THE THOUGHT CRIMINALS und Ed Kuepper. Und ich bin auch so was ähnliches wie ein australischer Musikarchivar, der sein Handwerk in den 80ern gelernt hat und mit australischem Ur-Punk aufgewachsen ist, bis alles NIRVANA von überdeckt wurde.



Wann hast du das Label gegründet und warum?

Ich habe das Label 2003 gegründet, aber ich habe schon sehr viele Jahre zuvor darüber nachgedacht. Ich habe ehrlich gesagt erwartet, dass jemand anders diese Zeit aufarbeitet, in der ich tief eingetaucht war - so wie das auch mit den Sixties passiert war -, aber es tat niemand. Irgendwann realisierte ich dann, dass ich es wohl selbst machen musste.



Wie und wann bist du zum Punkrock gekommen? Welche Bands waren wichtig für dich?

Ich war mir dessen schon ziemlich früh bewusst und kann mich an eine Geschichte in einer Sonntagabendnachrichtensendung im Fernsehen erinnern, welche über das Signing der SEX PISTOLS bei A&M vor dem Buckingham Palace berichtete. Das muss 1977 gewesen sein. Ich habe einen älteren Bruder, der das auch miterlebt hat. Dieser fand dann in der Stadt einen Plattenladen, der "White Light" hieß und der erste Import- und Punkshop im Land war. Er schaffte Platten von THE STOOGES, THE DAMNED und vielen anderen ins Land und damit ging es los. Ich stieß in den frühen 1970ern auf RADIO BIRDMAN, als eine alternative Radiostation sagte, wenn man in einem Monat ein australisches Album kauft, bekommt man ein Live-Album der "Live At The Wireless"-Radioshow. Ich hörte RADIO BIRDMAN auf dem gleichen Radiosender. RADIO BIRDMAN sind immer meine australische Lieblingsband geblieben, von der frühen CBGB's-Szene bis zur ersten Welle von UK-Punks und all dem australischen Kram aus dieser Zeit. Das macht immer noch den größten Teil meiner Lieblingsmusik aus.



Wie hast du damit angefangen? Hattest du vorher schon Erfahrungen mit dem Veröffentlichen von Platten?

Ich hatte Erfahrungen als Bandmanager von THE EASTERN DARK, HARD-ONS und THE MARK OF CAIN, aber keine Labelerfahrungen. Ich tat nur, was ich für sinnvoll hielt, investierte mein Geld und das war es auch schon.



Welche Labels oder Personen haben dich inspiriert, das Label zu gründen?

Ein australisches Label namens Raven, das großartigen australischen Sixtiespunk wie von den UGLY THINGS herausbrachte. Sie waren diejenigen, wo ich am ehesten vermutet habe, dass sie mal die Musik der späten 70er und 80er aufarbeiten würden, aber sie haben es nie getan.

Gibt es eine Geschichte hinter dem Namen?

"Feel" stammt von einem Song von Kim Salmon. Für mich vermittelt dieses Wort den gleichen Vibe wie "Soul", und Seele ist in der Musik sehr wichtig. Wenn etwas keine Seele hat, besitzt es gar nichts. Genau wie bei einem Gefühl.



Ist das Label ein Hobby für dich, oder bist du in der Lage, davon zu leben? Wenn nicht, was tust du, um dein Leben zu finanzieren?

Ich habe eine Menge Ideen, aber aufgrund der vielen Zeit, die ich in diese Compilations gesteckt habe, war es nicht möglich, daran wirklich etwas zu verdienen und davon zu leben. Stattdessen arbeite ich als Veranstalter, und wenn ich Zeit und Lust habe, versuche ich, meine Ideen zu verwirklichen.



Hast du eine besondere "Labelpolitik"?

Also, ich bin ziemlich in der Zeit zwischen 1976 und 1992 verwurzelt, wenn da etwas gut ist, eine bestimmte Langlebigkeit besitzt und eine Geschichte zu erzählen hat, veröffentliche ich es.



Denkst du, australische Rockmusik hat etwas speziell australisches an sich?

Früher war das so, inzwischen aber nicht mehr. Ich denke unsere Isolation und die Distanz zum Rest der Welt halfen uns, andere Stimmungen und somit eine Menge andere Musik zu schaffen. Inzwischen ist Musik aber ein einziger großer weltweiter "Klumpen" geworden.



Du hast diese großartige Sampler-Reihe "Tales From The Australian Underground" herausgebracht. Wie kam es dazu?

Ich wurde durch die "Ugly Things"-Sixties-Sampler beeinflusst und dachte mir, dass man diese Ära in ähnlicher Form abdecken müsste. Aufgrund meiner Erfahrungen mit der Musikindustrie denke ich, dass eine Menge Leute heutzutage voraussetzen, dass ihnen alles auf einem Tablett serviert wird. Und ich wollte zeigen, dass es, bevor Punk vor die Hunde ging und alternative Musik die Riesenindustrie wurde, die sie jetzt ist, jede Menge Leute gab, die viel Leidenschaft und Arbeit in ihre Musik gesteckt haben und das musste endlich mal gewürdigt werden. Es gibt da großartige Musik und jüngere Generationen sollten auch die Chance bekommen, diese zu hören.



Beide Sampler sehen nach einer Menge Arbeit aus. Was hat dich angetrieben und wie lange hast du an diesem Projekt gearbeitet?

Der erste Sampler hat fünf Jahre in Anspruch genommen. Obwohl ich grundsätzlich alles wusste, was ich wissen dazu musste, wollte ich das Projekt erst abschließen, als ich hundertprozentig zufrieden mit dem Endergebnis war. Teil 2 nahm dann drei Jahre in Anspruch. Das passierte überwiegend in meiner Freizeit, parallel zu meinem normalen Job, Beziehungen und so weiter ...



Arbeitest du an weiteren Teilen?

Ja, ich arbeite an Teil 3, aber ich denke, das war's dann auch.



Hat es eine besondere Bedeutung für dich, ein "Indielabel" zu betreiben? Wie denkst du über Majors? Gibt es positive und negative Erfahrungen?

Ich habe mit Majorlabels zusammen gearbeitet, in meiner Funktion als Bandmanager und Promoter für internationale Künstler. Ich wüsste nicht, dass mir das jemals Spaß gemacht hat. Ich verstehe nicht, was die Leute motiviert, die in diesen Jobs arbeiten. Es ist ein wirklich schreckliches Umfeld. Was mich als Indielabel betrifft, gibt es keine wirkliche Alternative für die Musik, die ich herausbringe, und meine persönlichen Überzeugungen. So und nicht anders ...



Vinyl? CD? Hast du Vorlieben?

Ich bevorzuge eigentlich Vinyl, aber ich mag die Aufmachung meiner CD-Neuauflagen, ebenso wie von ein paar Rhino- und Ace/Kent-Releases.



Was werden deine nächsten Veröffentlichungen sein?

Ich arbeite an ein paar 2CD-Veröffentlichungen von SEKRET SEKRET, und THE MOFFS. Und ich habe auch noch eine neue Compilation-Idee, über die ich dir jetzt leider noch nichts erzählen kann.



Joachim Hiller