CALLEJÓN

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A Nachhilfestunde in Metalcore

Seit langem beschäftigt mich die Frage, was eigentlich das Metalcore-Publikum ausmacht. Wer könnte mich da besser aufklären, als CALLEJÓN, die selbsternannte ScrEaMOmetal-Band aus Köln? Der Fünfer hat mit seinem starken Debütalbum "Willkommen im Beerdigungscafé" einen guten Ruf erlangt und das Land von oben nach unten abgetourt. Ich traf Sänger Bastian und Gitarrist Bernard gutgelaunt vor ihrem Gig im Klever "Radhaus" an und ließ mir sowohl den Unterschied zwischen West- und Ostpublikum als auch die Performance einer Britney Spears erklären.

Wie lange gibt es CALLEJÓN eigentlich schon und was habt ihr veröffentlicht?


Bastian: 2003 haben wir das erste Demo veröffentlicht und die ersten Konzerte gespielt. Seitdem zählen wir mit. Es gibt uns zwar länger, aber da waren wir mehr eine Schülerband und haben ausprobiert, was alles so mit Instrumenten geht. 2005 haben wir die "Cronos"-EP herausgebracht, die eigentlich als zweites Demo gedacht war. Das habe ich dann einfach Dirk von My Favorite Toy geschickt. Er meinte: "Das ist fett! Machen wir eine EP draus!" Im März 2006 haben wir dann unser Debütalbum "Willkommen im Beerdigungscafé" aufgenommen und wollten eigentlich im Herbst damit touren. Das Schicksal hat uns leider dazwischen gefunkt, weil unser Basser und unser Gitarrist gehen mussten. Dann haben wir uns erst mal neue Leute suchen dürfen. Mittlerweile funktioniert CALLEJÓN aber in absoluter Bestbesetzung.


Eigentlich seid ihr ja aus Düsseldorf, aber mittlerweile nach Köln umgezogen. Warum?

Bernard: Nicht alle. Unser Drummer Sven und ich sind wegen des Studiums nach Köln gegangen. Durch die Neuformierung der Band haben wir uns entschieden, in Köln zu proben. In unseren Anfangstagen haben wir übrigens im Keller von Svens Eltern in Ratingen geprobt. Der Vater hat unsere Musik gehasst.

Bastian: "Affengebrüll", hat er immer gesagt, haha.


ScrEaMOmetal, eure selbst gewählte Kategorisierung, finde ich da viel bezeichnender. Wie seid ihr zu eurem Stil gekommen?

Bastian: Wir haben als Emo/Screamo-Band angefangen.

Bernard: Das war damals unser kleinster gemeinsamer Nenner. Obwohl wir früher aber schon viel Death- und Black Metal gehört haben.


Wie kommt man von Death Metal auf Emo?

Bernard: Hehe. Wir waren ja noch jung.

Bastian: Jeder von uns hat einen breitgefächerten Musikgeschmack. Unser Drummer Sven wollte, man mag es kaum glauben, anfangs kein Doublebass spielen. Das war ihm zu hart.

Bernard: Im Prinzip wollten wir damals einfach nur Musik machen und sind eher unbeabsichtigt in diese Schublade hereingerutscht.


Mich wundert es, wie schnell die Metalcore-Szene überhand genommen hat. Ich kenne viele Leute, die vor kurzem noch keinen Hardcore/Metal gehört haben, mittlerweile aber total darin aufgehen. Bekommt ihr bei einem Gig überhaupt mit, wie das Publikum auf eure Musik reagiert?

Bernard: Was in der ersten Reihe los ist, bekommt man mit, aber ab der dritten Reihe schon nicht mehr. Ich mit meinem komischen Haarschnitt schon gar nicht, haha.

Bastian: Wir versuchen immer, eine positive Grundstimmung zu vermitteln. So was wie mutwilliges "Auf-die-Schnauze-hauen" haben wir auf unseren Konzerten noch nie erlebt.


Es gibt ein paar, die das "Violent Dancing" beherrschen, aber auch viele "Bauerntölpel" mit hohem Aggressionspotenzial, die gegen die Regeln spielen. Wie weit musst du als Frontmann eingreifen?

Bastian: Prinzipiell nie. Wenn ich was sehen würde, was nicht richtig ist, würde ich dazwischen gehen. Das hat aber nichts mit meiner Rolle als Frontmann zu tun.


Kann man das Publikum zähmen oder aufwiegeln? Inwiefern wühlt ihr es auf?

Bernard: Indem ich mir die Hose ausziehe ...


Ist das dann aufwiegeln oder beruhigen?

Bernard: Das ist eher neidisch machen.

Bastian: Ja, wenn du mir die Hose ausziehst ... Klar, wir animieren die Leute, aber vielleicht ist da einfach nur ein Funke, der überspringt.

Bernard: Wir sind eine Band, die Party macht und das auf die Leute überträgt. Basti ist der Monsterclown und labert ziemlich viel Scheiße. Der geborene Frontmann! Das kommt auf der Bühne sehr cool.

Bastian: Und privat nicht.

Bernard: Privat soll der mal besser die Schnauze halten!


Habt ihr für eure Auftritte Vorbilder im Kopf?

Bastian: Typen wie Henry Rollins haben das Publikum total im Griff. Da wollen die Leute einfach nur hören, was er sagt. Irgendwie ist es auch okay, dass eine Britney Spears ihre Tanzchoreografie hat. In ihrem Rahmen passt es einfach, egal, wie man zu ihr steht. Prinzipiell muss es einfach den Inhalt der Musik herüberbringen, auch wenn bei Britney wahrscheinlich wenig Herzblut dahinter steckt. Dasselbe gilt für Metalcore. Es gibt Bands, bei denen kommen die Moves zur Musik echt fett, aber man merkt, dass die nur einstudiert sind. Das langweilt mich schnell.


Haben sich die Besucher in den letzten fünf Jahren geändert?

Bastian: Das Publikum ist breiter gefächert.

Bernard: Oldschool-Leute, Emos und auch Metal-Leute kommen zu unseren Shows. Die Metal-Leute erkennt man daran, dass sie lange Haare haben ...

Bastian: ... und DIMMU BORGIR-Shirts tragen!


Und die machen kein Violent Dancing sondern Headbanging?

Bernard: Ja, ganz klassisch. Das kommt auch wieder. Das wird seine Faszination auch nie verlieren.

Bastian: Früher hatten wir viele politische Texte über Tierrechte und gegen Rechts mit eingebunden. Dadurch hat man auch mehr linkes Publikum gezogen.


Was besingst du denn noch neben He-Man in eurer Hymne "Snake mountain"?

Bastian: Das ist unsere absolute Schwachsinnshymne, bei der He-Man Skeletor einfach tierisch auf die Schnauze haut.

Bernard: Und Skeletor haut ordentlich zurück.

Bastian: Ich singe über das Leben an sich, zum Beispiel über den Verlust von Familienmitgliedern. Ich schreibe aber auch pure Liebeslieder und immer noch über politische Themen, verpacke sie aber allgemeingültiger. Ich setzte mir keine Grenzen. In "Bitter macht lustig" singe ich Textstellen wie "Juppheidi, juppheida, tra la la", die ironisch ausdrücken, dass vieles nur zum Kotzen ist.


Fällt es dir schwer, all das nach außen zu kehren?

Bastian: Absolut nicht. Es ist jetzt klischeehaft, aber gerade das Schreiben und Singen ist Therapie für mich und nichts Erzwungenes. Das Höchste der Gefühle ist für mich, wenn die Leute die Texte mitsingen.


Musst du da in einer bestimmten emotionalen Lage sein?

Bastian: Nein, ich schreibe eigentlich immer, wenn mir danach ist. Dann erst gucke ich, wie es zur Musik passt.


Freust du dich, wenn du schlecht drauf bist? Dann kannst du ja traurige Texte schreiben.

Bastian: Das Singen und Texten ist befreiend. Außerdem verarbeite ich ja auch positive Erlebnisse.


Do It Yourself, Vegetarismus, Straight Edge. Wie ist eure Einstellung dazu?

Bernard: Tja, "D.I.Y. Or Die!" Wir wollen so viel wie möglich selbst in der Hand haben. Zum Beispiel macht Basti die Designs. Natürlich muss man ab einer bestimmten Größe Sachen wie das Booking anderen überlassen. Unsere Version von CALLEJÓN werden wir aber nach wie vor durchsetzen. Vegetarismus war früher ein größeres Thema in der Band. Mittlerweile sind nur noch wir zwei Vegetarier.

Bastian: Ich war einmal eine ganze Woche Straight Edge, haha.


Wie geht es weiter?

Bastian: Wir spielen noch 13 Gigs und absolvieren eine kleine Wintertour. Wir wollen 2008 ein neues Album veröffentlichen, weswegen wir keine Verpflichtungen eingehen. Wir wollen unsere Scheibe so gut wie möglich machen. Also werden wir ohne Druck ans Songwriting gehen.