PUBLIC TOYS ON THE ROAD

Es ward Mai 1996, der zweite Longplayer der Public Toys mit dem gar einfallsreichen Namen "Punk!" kam zu der kleinen Punk- und großen Nichtpunkwelt. Schon im Winter wurde beschlossen, daß der betrunkene Kindergarten, inzwischen älter und in der Vorschulklasse (aber immer noch betrunken), auf Tour gehen sollte. Organisator war Holger alias Helga Wichtig von Texas Rose (Slangword für gespiktes Haar) aus Flingern, einer Düsseldorfer Vorstadt. Am 24.5.96 sollte es dann endlich losgehen.

24.5.96 Hamburg/HdJ Kiewitzmoor

Im Laufe des Morgens war allgemeines Einsammeln und Beladen des zu kleinen Busses mit der kompletten Backline, reichlich Merchandising des wahnsinnigen Teenage Rebel-Papas (euer Schreiberling) angesagt. Im Laderaum war dann gerade noch eine Matratze Freiraum für fünf Leute (neben den dreien vorne), aber man hat sich ja lieb. Fahrer Schmitti-Baer hatte sogar eine Karte dabei, und so war die Gang schon schlaffe acht Stunden später in Hamburg, logischerweise viel zu spät.

Der Laden war bereits gut gefüllt mit einer extremen Mischung aus reichlich Angelunfällen (derbe gepiercte Damen und Herren), Asipunx, Kampfkiffer, ziemlich dummen Skins usw., eine explosive Mischung. Den meisten Streit gab's ausgerechnet in dem für Merchandising vorgesehenen Raum, so daß ich gut genervt war. Erinnerte mich irgendwie an Kiefernstraße vor zehn Jahren, nur daß ich von den Hamburgern kaum einen kannte und mir reichlich unwohl war.

Der Gig an sich war aber umso besser. Nach ? betrat eine HipHop-Band die Bühne, darauf endlich die Public Toys. Die Temperaturen erreichten Saunaniveau, trotzdem gab es reichlich Stimmung und Pogo. Als letzte die Lokalmatadoren AAK, bei denen wir auch nächtigen sollten. Diese schafften es, die gute Stimmung mit ihrem fitten Deutsch-/Politpunk zu halten und zumindest aus dieser Sicht war's ein klasse Beginn.

Ein Teil der Leute machte sich nun auf den weiten Weg aus der Vorstadt zum Kiez, der Rest wollte nächtigen, dies zog sich jedoch wegen einem penetranten Smegmahörer, einem verrückten Suizidgefährdeten und uns Helga Wichtig, welcher ein kleines Punkermädel oberlehrerhaft über die Gefahren von weichen Drogen aufklären mußte, etwas hin. Spruch des Tages: "Noch schlimmer als diskutierende Studenten sind diskutierende Prolls". Gleichzeitg entstand das Unwort der Tour: Breyk Ihwen (hochdeutsch für "Break even-Point").

25.5.96 Berlin/Tommy-Weißbecker-Haus

Morgens gab's selbstgekauftes Supermarktfrühstück und allgemeines Wiedersehen aller Versprengten am Laden. Frage an Bobby: "Du warst doch bestimmt im Puff?" "Ja, für 50,- DM mit der Hand, war gut." DAS verfolgte ihn noch die ganze Tour... Naja, einmal weg von der Oberhausener Heimat, schon sowas.

Irgendwann Abfahrt und eine kurzweilige Fahrt später standen wir dem durchgeknallten Ugly, dem Veranstalter in Berlin, gegenüber. Guido täuschte eine Verletzung vor und uns Helga versuchte panisch einen Verbandskasten aufzutreiben. Es folgte das leckerste Essen der gesamten Tour, nochmals danke an den eigens angeheuerten Koch! Bald ging schon der Gig los: Den Anfang machten Six Pack Riot aus Düsseldorf, gefolgt von den Berliner Strikes, welche gerade ihre zweite Single veröffentlicht haben. Beide Bands kamen sehr gut an, noch besser schließlich die Public Toys. Aufgrund des Six Pack Riot-Anhanges und der angereisten Fortuna Düsseldorf-Fans kam Dschungelatmosphäre auf, nur alles etwas größer natürlich. Mit einem der besten Gigs der Tour.

Hinterher gab es in der Kneipe noch dick Party inklusive Polonaise, Luftgitarrenwettbewerb und so weiter. Ich ging derweil etwas essen, hinterher war niemand da, auf langes Klingeln öffnete niemand, ich wartete, bis es schon fast wieder hell wurde, versuchte es nochmal, und nach nochmaligem Klingeln öffnete Helga, mit dem (und anfangs noch Luky) ich einen exquisiten bulgarischen Rotwein trank, gefolgt von einem guten Jahrgang 1,99-Weißwein. Helga machte sich dabei über den Aschenbecher her: erst wurden die Filterkippenreste weggeraucht, dann die Selbstgedrehtenreste recycelt. Uaaarh. Da in Uglys Raum schon alles sardinenmäßig auf dem Boden schlief, suchte ich mir die dunkelste Stelle im Flur und entschnarchte sofort.

Bald schon ging das Licht an, ich blickte verdattert einen durchgeknallten Hippie an "Wat gehtn hier ab, ick gloob, ick bin im Zoo, der Aggli spinnta wohl" hallte es in äußerst schlafstörender Lautstärke und ich verzog mich erst einmal spazierenderweise, um zum reichlichen Frühstück wieder einzutreffen. Das Essen endete mit einem munteren Luftgewehrschießen, wo sich einige Herren durch ihre langjährige Kirmeserfahrung gut in den Vordergrund stellen konnten.

26.5.96 Cottbus/Club Südstadt

Erneutes Wiedereinsammeln und -einpacken von allem und allen und auf ging's Richtung Polen ins tiefste Sorbien, allerdings ohne Six Pack Riot. Es hatte irgendwie Streit gegeben, als Höhepunkt vergaßen sie noch ihren Gitarristen in Berlin. Naja, was sollt's.

Zwischenzeitlich an einer Ostraste (grundsätzlich wesentlich billiger als im Westen, auch wenn man inzwischen mit DM bezahlen muß) noch ein kleiner Zwischenfall: Uns bekifften Holger knallte mal eben die Beifahrertür zu und klemmte mir dabei meine zarte rechte Geldzählhand ein, gefolgt von einem Schrei, der bewies, daß der Mensch doch nicht vom Affen, sondern mindestens vom Mammut abstammt. Glücklicherweise blieb es bei Schramme und Schwellung, tja der Industriestandard deutscher Autos ist auch nicht mehr das, was er mal war.

Endlich angekommen in Cottbus-Plattenbauhausen mußten wir den versteckt liegenden Laden erstmal suchen, wurden aber bald fündig, nur dat lecker italienisch Restaurante von letztes Mal, wo da noch da war, war da jetzt nicht mehr da. Schade! Recht spät kamen die Leute, es gab einen ruhigen, aber guten Gig, nach dem sich der Anhang Richtung Heimat verabschiedete. Anschließend eine Wohltat, welche wohl nur Leute verstehen, die schon mal auf Tour gewesen sind: Schlafen in Betten (das einzige Mal auf der Tour) und morgens duschen!! Auch Usenburger!!

27.5.96 Freiberg/Club im Schloß

Nach einem ausgiebigen Hotelfrühstück ging es zur polnischen Grenze und ab rüber auf einen Polenramschmarkt: Dort gab's reichlich Zigaretten aller Marken für billig, lecker prollige Autofelle, Störkraft-T-Hemden ("dreckig, kuhl und hundsgemein"). Unsere beiden mitgekommenen Bunthaarträger waren die Attraktion und wurden von allen angestarrt, worauf die beiden die Sissi machten und völlig unauffällig beim Zoll auf uns warteten. In Deutschland kam kurz vor der Grenze auf einmal noch ein aufgemotztes Auto mit Mülheimer Hilfszuhältern auf uns zugeschossen, welche uns ein haßerfülltes "tohtmaacheen" gar lieblich entgegenriefen, es jedoch dabei beließen.

Das Schloß selbst in Freiberg war dann wie immer ein schönes Ambiente und auch trotz Montag und mehrerer weiterer Gigs in derselben Woche gut gefüllt. Die Stimmung war ebenfalls gut, an der Theke gab es Sauren, Juri und Nase, die Veranstalter und hübschesten Menschen Deutschlands, beschissen wie immer etwas bei der Gage, aber was sollt's. Danach war draußen gut Regen, die Seifen- und Stachelhaarsissis fuhren zu Juri, um lecker auf dem Boden zu pennen, während wir anderen zu Fuß zu einem besetzten Haus gingen, um dort noch leckerer auf einem blanken saukalten Dachboden zu nächtigen, mit reichlich Zugluft und Guido mit vollgepißter Gardine als einziger Decke. Vorher gab es aber noch klasse Party mit Sächsischkursus, Kampftrinken und Suppenteller in Bierflaschenbatterien schmeißen. 100% Punkrock also, oder was manche Leute eben dafür halten. Klasse!

28.5.96 Schweinfurt/Schreinerei

Morgens gab's noch das in Freiberg übliche vetrocknete Aldifrühstück und dann ab ins CSU-Land. Die Schreinerei entpuppte sich als klasse Kulturzentrum mit Kneipe, Biergarten, Werkstatt, Künstleratelier, TAZ-Abo, eigenem Konzertraum, Riesenbackstageraum. Wird übrigens bald zur erweiterten Verkehrskreuzung ausgebaut, damit dieser Schandfleck verschwindet.

Als Vorband Tagtraum. Waren sehr nett, spielten aber grausamen Frickel-HC. Danach die Toys, und trotz der sehr wenigen, aber um so mehr begeisterten Zuschauer, liefen sie zur absoluten Höchstform auf und spielten endlos Zugaben. Insgesamt der längste Auftritt der Tour. Da unten gibt's übrigens ein klasse Fanzine namens "Der kosmische Penis", welches darauf schließen läßt, daß es in Bayern uns noch unbekannte Drogen gibt, denn anders kann so ein Teil nicht entstehen. Zusätzlich ein verrückter Alleinunterhalter, welcher mich an Albert aus dem Film "Albert, warum" erinnerte (kennt den jemand?). Als letztes Iffi, durchgeknallter Punka, welcher mich letztlich reichlich nervte, so daß ich wohl "ein wenig" durchtillte. Nächtliche Bierflaschen- und Schuhwürfe auf mich armen, nicht richtig schlafen könnenden Menschen waren die Strafe. Außerdem scharrten dauernd Ratten im Holzgebälk bzw. huschten auf dem Hochbett herum.

29.5.96 Nürnberg/Komm

Morgens gab's noch sehr lecker Frühstück, und nach längerem Abhängen im sonnigen Biergarten mußten wir leider diesen schönen Ort verlassen und machten uns auf den kurzen Weg ins fränkische Nürnberg, wo wir erst mal vor verschlossenen Türen standen und ein wenig die Fußgängerzone lang spazierten.

Das Komm wird es nach dem CSU-Wahlsieg wohl ebenfalls nicht mehr lange geben, schade, denn so ein Riesenhaus mit vielen Nutzungsmöglichkeiten gibt es nur selten in unseren deutschen Landen. Organisiert hatten Oxymoron, und es kamen doch eine gute Menge Leute zusammen, welche alle drei Bands des Abends gleich gut abfeierten. Groß neues gibt es nicht zu berichten und nach diversen Bieren ging's zum gestapelten Schlafen.

30.5.96 Salzgitter/KJT Hamberg

Nach mal wieder kein Frühstück fielen wir ausgehungert in einer Metzgerei ein, wo es sehr lecker Fleisch mit noch leckerer Beilage für reichlich wenig Geld gab.

Die Fahrt nach Salzgitter dauerte nicht allzu lange, als wir schon den total abgelegenen, häßlichen, von städtischem Geld finanzierten Laden erreichten. Vier Bands spielten auf, angeblich war eine Unmenge Werbung gemacht worden, tatsächlich kamen exakt dreißig zahlende Leute. Hmm. Trotzdem ein super Toys-Auftritt, gefolgt von einer langen und lauten Party mit einigen Ausfällen, Polonaise der Überlebenden durchs Haus, Anmalen des zuerst Eingeschlafenen, Soloshow des Killraysgummimenschen, irgendwann Abkacken der letzten Überlebenden. Schon um neuen Uhr morgens dann brualstes Wecken durch übereifrige Putz- und Kochfrauen, widerlich. Die mußten sich einiges anhören, aber schon um zehn Uhr morgens gab es dann warmes Essen, sehr lecker, versöhnte etwas, aber auch nur etwas.

31.5.96 Bad-Sooden Allendorf/JZ

Nach Ankunft an der kleinen, geschlossenen Baracke (voll der Gegensatz zu gestern) machten wir es uns erst mal am nahegelegenen Fluß bequem und kühlten unsere Füße und wollten eigentlich nichts anderes mehr machen. Irgendwelche Idioten schlugen dann ein Fußballspiel vor, ohne mich. Während des Spiels kam wieder Anhang aus Düsseldorf/dem Ruhrgebiet, langsam trafen die ersten Besucher für abends ein. Das Essen für beide Bands bestand aus einer (EINER) Pizza, wenn auch einer großen... Irgendwann spät fingen die Lost Lyrics vor einer merkwürdig gemischten Schar Leute an zu spielen, vorwiegend Coverversionen. Sie kamen gut an, die Toys danach um so besser, trotz merkwürdiger Gestalten im Publikum. Auf die Version von "united" konnte ich gerne verzichten. Anschließend Trinken bis zum Umfallen auf das Matratzenlager.

1.6.96 Düsseldorf/HdJ Lacombletstr.

Nach mal wieder kein Frühstück heim ins Reich, ähh unsere Heimatstadt, und alles verstreute sich dann. Abends endlich reichlich Leute, die die Band, welche "in die Fußstapfen der Toten Hosen getreten" ist (Zitat einer Wochenzeitung) sehen wollten. Alles von kleinen Mädchen bis Altrockern war versammelt, und die Ruhrpottkanaken eröffneten den fröhlichen Abend mit ihren Stimmungsweisen. Leider ohne "Oh Fortuna" trotz verlorener Wette. Als zweite Funeral Dress, welche mit ihrem einfachen Punksound nicht so gut ankamen, die Stimmung aber halten konnten. Schließlich die Herren Public Toys (vor ein paar Wochen an selbiger Stätte ja die Damen Toys), welche ihr Heimspiel zu einem wahren Heimspiel machten und nur gefeiert wurden. Ein würdiger Abschluß der Tour, nebenbei kam endlich auch etwas Geld in die Kassen aller Beteiligten, was bisher doch eher sehr mager gewesen war. Hinterher noch Polizei, Party im Zoopark, Party im Dschungel, ich selbst hab mir erst mal wieder Schlaf gegönnt, hat gut getan.

Fazit: Neben reichlich Spaß und etwas weniger Chaos blieb ein wenig Geld über, für die Proberaummietschulden reichte es trotzdem nicht. Immerhin haben sie ihren Ruf als Punkband Nr. 1 in Düsseldorf deutlich unterstrichen, was viele Lacher wohl zumindest mal anerkennen müssen. Ist aber auch ziemlich egal. Ansonsten steht nächstes Jahr die Grundschule und damit der Ernst des Lebens an, wir sehen uns (hoffentlich).

Tschau,
Rüdiger Thomas, Teenage Rebel Records)