SUPERVOSS

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Wilkommen in der Welt des Sexypunk

Als ich SUPERVOSS vor zwei Jahren das erste Mal zufällig sah, dachte ich zuerst, na ja, eine Coverband, wenn auch eine gute. Als mir dann aber ums Verrecken nicht einfiel, was die da coverten, wurde ich stutzig. Je länger ich darüber grübelte, um welche Perlen der Siebziger und Achtziger Jahre es sich handeln könnte, desto mehr machten sich Zweifel breit. Wie sich dann in einem Gespräch nach dem Gig herausstellte, waren das alles eigene Songs, welche die vier etwas reiferen, gut angezogenen Herren von sich gegeben hatten. Nachdem ich die Band in der Folgezeit mehrmals, mit wachsender Begeisterung, bewundern durfte, war die Zeit gekommen, das Geheimnis um Sex, Punk und Stil zu lüften. Im Vorfeld eines Open Air-Konzertes traf ich auf Dick Voss (Gesang), Big Voss (Bass) und Stick Voss (Drums), die mir gut gelaunt und bereitwillig Auskunft gaben.


Ich werde mal einen harten Einstieg in das Gespräch wagen: Ihr seid alle über vierzig und ihr nennt eure Musik Sexypunk. Eure Motivation kann doch eigentlich nur darin liegen, noch mal ein paar Frauen abzuschleppen, oder?


Stick Voss: Ich will keine Frauen aufreißen, nicht mehr. Wir wollen kleinen Kindern zeigen, wo der Hammer hängt!

Big Voss: Wir haben eigentlich nie aufgehört, Musik zu machen. Wir machen ja schon seit über zwanzig Jahren Musik und warum sollte man damit aufhören, nur weil man vierzig ist?

Okay, ich sehe, das ist ein sensibles Thema. Fahren wir erst mal mit den Standards fort ...

Big Voss:
Die Band gibt es eigentlich seit fast zehn Jahren. In der jetzigen Form existieren wir seit etwa zweieinhalb Jahren, als der jetzige Schlagzeuger und der Gitarrist hinzukamen.

Dick Voss:
Angefangen haben wir mal als Coverband mit Sachen von Iggy Pop, BLONDIE, BAY CITY ROLLERS, der ganze Trash, der uns damals im Kopf rumschwirrte.

Und wie kam es dann dazu, dass ihr dazu übergegangen seid, eigene Sachen zu machen?

Dick Voss:
Wir haben irgendwann gemerkt, dass wir bestimmte Talente in der Band haben. Das ist auch irgendwie das Geheimnis unserer Band, dass wir im Proberaum in Windeseile zwei neue Songs machen können. Das ist echt fantastisch.

Big Voss: Wir machen das, ohne ausformulierte Ideen zu haben. Wir fangen einfach an etwas zu spielen, Dick steigt dann mit dem Gesang ein und schon haben wir einen Refrain. Da das so gut klappt, wäre es ja schade, wenn wir weiterhin Coversongs spielen würden.

Als ich euch das erste Mal gesehen habe, stand ich rätselnd da, welche Songs da gerade gecovert werden, so bekannt kam mir das vor.

Big Voss:
Das passiert uns öfter. Deshalb haben wir uns angewöhnt, das zur Zeit einzige Cover, "Marliese" von FISCHER Z, im Programm immer extra als solches anzukündigen.

Dick Voss: Ich denke mal, das spricht ja auch für unsere Qualität, wenn die Leute denken, das sind Coverversionen. Gute Musik soll unterhalten, soll einen Nerv treffen. Das tun wir. Wir haben diese ganze Musikscheiße im Kopf, die es so seit den Siebzigern gibt, und da kommen wir auch wieder zurück auf den Begriff Sexypunk. Wir überwinden den Widerspruch zwischen Punk sein und sexy sein. Sexy sein ist ja Koketterie, Merchandise, Kommerz, Erotik, Gefallsucht und Punk ist die Attitüde, wütend zu sein auf diese Scheißwelt, ich habe keinen Bock da mitzumachen. Diese beiden Welten verbinden wir. Punk, sexy verpackt.

Eure Songs sind alle sehr melodiös und catchy. Meist kann man schon während des Hörens mitsingen. Man hört 70er Punk, Pop, Glam, Mod und Wave heraus. Woher kommen diese vielen Anleihen?

Big Voss:
Diese Einflüsse hängen von den Vorlieben der einzelnen Bandmitglieder ab. Dick ist mehr so der Popper bei uns, der für die Melodien und Hooklines zuständig ist, Stick kommt mehr aus der 70er Ecke, Lick ist mehr am Puls der Zeit und ich höre eigentlich alles querbeet von Meat Loaf bis NOMEANSNO.

Seit Neuestem bedient ihr euch ja auch beim Ska.

Big Voss:
Diesen Einfluss hat unser Gitarrist irgendwie mit reingebracht.

Aber ihr beschränkt euch auf den Offbeat, eine Bläsersektion ist zukünftig nicht geplant?

Stick Voss:
Nee, nur Bläserinnen!

Dick Voss: Die sind aber 'ne Etage tiefer!

Aber letztendlich ist dann doch Punk als Idee eine gemeinsame Grundlage?

Dick Voss:
Also, wenn bei uns Punk auftaucht, dann ist er in der Ur-Idee nicht dogmatisch angesetzt, sondern von der Attitüde, von der Emotion her.

Hängt das irgendwie mit eurer Sozialisation zusammen? Seid ihr damals beziehungsweise heute, in welcher Form auch immer, politisiert?

Dick Voss:
Wir kommen schon alle irgendwie aus der linken Ecke. Das hat auch ein bisschen was mit unserem Alter zu tun. Ich bin zum Beispiel sehr stark geprägt von der Autonomen/Anarchoszene in Frankfurt. Dort habe ich eine zeitlang in der Hausbesetzerszene gelebt und sie erlebt. Es gibt immer noch irgendwie so eine Kultur zwischen Arbeiterbohème und trotzdem Köpfchen zu haben, also nicht Blödmann zu sein und zu sagen, ich verstehe die Welt und ich lasse mich nicht verarschen.

Big Voss: Keiner von uns hat Akademiker als Eltern. Lick Voss' Eltern kommen beispielsweise aus Osterholz-Tenever, einem etwas rüderen Viertel hier in Bremen, da musste man sich schon mal handfester auseinandersetzen.

Drei von euch sind doch, ähem, Lehrer, oder?

Lick Voss:
Ich habe einen Beruf!

Big Voss: Richtig, einer arbeitet.

Dick Voss: Das ist doch schon mal schön! Hahaha.

Gibt es da denn irgendwelches Feedback von euren Schülern?

Dick Voss:
Es ließ sich nicht verheimlichen, zumal wir an meiner Schule schon mit SUPERVOSS bei einem Schulfest gespielt haben.

Und wie wurde das angenommen? Der Lehrer, der auf Rockstar macht?

Dick Voss:
Meine subjektive Wahrnehmung ist, dass das durchaus angenommen wird, und ich habe das Gefühl, da hat sich was verdreht. Ich zum Beispiel glaube, ich hätte mit siebzehn solche alten Typen wie mich nicht angeguckt. Aber die jungen Leute von heute scheinen etwas entspannter zu sein. Das wird man auch gleich wieder beim Auftritt sehen, wenn wir zeigen: "Hey, hier geht's lang, Leute!" Eigentlich müssten wir die sein, die out sind, vom Alter her. Aber die Jugend sagt: "Hey, cool!" Die machen es eher an der Musik fest als am Alter der Musiker. Das, meine ich, ist das, was sich geändert hat im Vergleich zu damals. Es gibt nicht mehr diesen Generationenkonflikt.

Stick Voss: Wir zeigen den jungen Dingern, wo der Hammer hängt!

Was noch auffällt ist, dass ihr die Bühne nicht in Chucks und Shorts entert, sondern in Anzügen. Das Styling spielt also auch eine gewisse Rolle?

Big Voss:
Ich würde sagen, das ist eine Frage des Stils und des Entertainments.

Stick Voss: Gut gekleidet die Sau rauslassen!

Dick Voss: Genau! Das ist einer unserer Slogans.

Big Voss: Wir wurden auch schon mal als die Punk-Casanovas aus Bremen tituliert. Ich gehe regelmäßig auf Konzerte und mich langweilt es, wenn sich die Leute dazu keine Gedanken machen und in normalen Klamotten auftreten.

Es gibt aber auch einen Zusammenhang mit der Musik?

Stick Voss:
Ja, halt eben Sexy ... punk.

Dick Voss: Das soll eben auch visuell rübergebracht werden und dieser Bruch ist auch beabsichtigt.

Ihr seid ja auch durchaus Freunde des Namedroppings. Man liest von euch im Zusammenhang mit so illustren Namen wie den TOTEN HOSEN, MODERN TALKING, Udo Lindenberg oder ABWÄRTS. Prahlt ihr nur rum oder gibt es jetzt ein paar interessante Geschichten zu hören?

Big Voss:
Haha. Da gäbe es einiges zu erzählen, aber das lassen wir hier mal lieber. Was ich sagen kann ist, dass wir demnächst für ABWÄRTS den Opener machen.

Dick Voss:
Gespielt haben wir unter anderem auch schon mit GENEPOOL, ELECTRIC EEL SHOCK, MONTREAL, OMA HANS und den ACCIDENTS.

Big Voss:
... und Fabsi und Peter Hein waren auch schon mal im Publikum und haben uns abgefeiert.

Ihr seid ja auch schon einmal in einem Bremer Knast aufgetreten. Wie kam es dazu?

Big Voss:
Es gibt da über mehrere Ecken eine Verbindung zu jemandem, der im Jugendstrafvollzug arbeitet. Der kam mit der Idee auf uns zu ...

Dick Voss: ... und da im Knast die Situation so ist, dass da normalerweise gar nichts läuft, haben wir gesagt, das machen wir. Das war sehr beeindruckend, weil Knackis als Publikum sind doch ein anderes Kaliber. Das war auch das erste Konzert, das wir im Sitzen hatten. Die Knastleiterin sagte, wir wollen hier alle Spaß haben, aber wir bleiben alle sitzen. Und dann haben wir bei hellem Licht, also Tageslicht, an einem Samstagnachmittag um 16 Uhr losgerockt. Es ging auch nicht darum, dass denen jetzt alles gefällt. Dieser Illusion bin ich auch nicht aufgesessen. Es ist eher so, die haben so wenig Angebot, dass das in diesem Moment richtig aufgesogen worden ist. Weil es mal was anderes ist als der Knastalltag. Jedenfalls war es für uns ein geiles und auch interessantes Erlebnis. Wir hatten da durchaus gemischte Gefühle. Wir sind da angekommen und hatten die Hosen gestrichen voll. Ich hatte da durchaus so meine Klischees im Kopf, wer da so im Knast sitzt und warum. Aber als ich dann im Knast drin war, stellte sich das dann anders dar, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich fand es jedenfalls ziemlich heftig. Die Leute da sind weggesperrt und haben keinen Kontakt nach draußen. Ich fand es irgendwie bedrückend.

Big Voss: Aber die Leute dort waren supernett. Es war überhaupt nicht aggressiv, keine Anmache, nix. Der Erste kam an mit einem Topf voller Weingummis. Es war jedenfalls eine positive Atmosphäre. Ich könnte mir auch vorstellen, da regelmäßig einmal im Jahr zu spielen.

Ihr zeigt also eure politische Seite eher durch solche Aktionen, da eure Musik ja keinerlei politische Einflüsse hat?

Dick Voss:
Ja, genau. Auf einem unserer letzten Konzerte kam nach dem Auftritt jemand an und erzählte irgendwas davon, dass wir ja wohl nur Liebeslieder machen würden und das ginge ja wohl gar nicht. Dazu kann ich nur sagen, in einer Welt ohne Liebe ist der Liebessong letzten Endes revolutionär. Deshalb machen wir konsequent nur Liebeslieder. Ich für meinen Teil finde die auch nicht unpolitisch. Wir sind ja schon einen Zacken älter und politisierte Menschen.