THRICE

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Feuerwasser

Als THRICE vor zwei Jahren "Vheissu" veröffentlichten, demonstrierten sie eindrucksvoll, dass sie einen eigenen Kopf hatten und herzlich wenig auf die Erwartungshaltungen ihres damaligen Labels Island Records, der Fans und der Szene gaben. Das Album brach mit dem Punkrock- und Hardcore-geladenen Sound der früheren Tage, "Vheissu" war ein vielschichtiges Rockalbum, das ob seiner vielen Einflüsse und Songideen jeder Beschreibung zu spotten drohte. Nun, Island Records mag der Abkehr der Band von ihrem klassischen Sound - und wohl dem besten Verkaufsargument für THRICE - damals noch stillschweigend zugesehen haben, die folgenden Ideen des kalifornischen Quartetts unterstützte das Label indes nicht mehr. Als man dem Universal-Sublabel die Idee vortrug, die künstlerische Selbstverwirklichung mit einem Set aus vier EPs fortzusetzen, von denen jede von jeweils einem der vier Elemente beeinflusst ist, setzte man die Band kurzerhand vor die Tür, wie THRICE-Drummer Eddie Breckenridge am Telefon erzählt. Geschmacklos - im wahrsten Sinne des Wortes! Denn THRICE melden sich mit den ersten beiden EPs des Sets, die zu Feuer und die zu Wasser, packend zurück! Auf "Fire" schwillt ihr Sound zu einer nie gekannter Intensität an und begeistert mit NEUROSIS-, ISIS- und sogar mit leichten CONVERGE-Zitaten. "Water" hingegen ist ruhig, THRICE setzen hier klassische Instrumente und Elektronik ein, um durch Harmonien und Stille einen krassen, aber berührenden Kontrast zu "Fire" zu schaffen. Kurzum: die Band hat mein "Album des Jahres" geschrieben, denn beide EPs erschienen gemeinsam im November als "The Alchemy Index Vols. I & II: Fire And Water". Und ich konnte es kaum erwarten, ihren Drummer anzurufen, der sich Anfang November auf Tour in Tulsa, Oklahoma befand und seine kleine journalistische Nebenkarriere bei Alternative Press gerade beendet hatte.


Riley, wie kam es eigentlich dazu, dass du eine Kolumne im Alternative Press geschrieben hast?


Das alles fing damit an, dass Alternative Press vor ungefähr zweieinhalb Jahren eine Art Ratgeberkolumne für Bands starten wollte. Es ging dabei darum, dass insbesondere junge Musiker ihren Fragen an jemanden senden können, der Erfahrung mit dem Bandleben hat und bereit ist, ihre Fragen zu Songwriting, Equipment, Bandmitgliedern und so weiter zu beantworten. Ich fand das interessant und sagte zu. Vor kurzem habe ich die Kolumne aber beendet, was schade ist, irgendwie aber auch erleichternd.

Warum schade?


Aus mehreren Gründen. In erster Linie war die Kolumne für mich eine sehr schöne Möglichkeit, um mit den Menschen da draußen zu kommunizieren, also mit THRICE-Fans, Nachwuchsmusikern der verschiedenen Stilrichtungen und Leuten, die einfach Interesse am Leben eines Musikers hatten. Der wesentliche Grund aber ist, dass die Kolumne mit der Zeit eine wirklich interessante Entwicklung durchlebt hat. Zu Beginn war sie, wie gesagt, sehr auf bandbezogene Fragen ausgerichtet, im späteren Verlauf haben wir diesen Fokus aber ausgeweitet und ich habe begonnen, darin Fragen aus den verschiedensten Lebensbereichen der Alternative Press-Leser zu beantworten. Das waren teilweise Probleme, deren Lösung mir nicht immer leicht fielen. Gerade diese Herausforderung mochte ich aber an der Kolumne. Daher ist es schade, dass ich sie nicht mehr schreibe, gleichzeitig habe ich dadurch aber auch mehr Zeit für THRICE.

Du sagtest, dass du Fragen aus allen Lebensreichen der Leser beantwortet hast. Hattest du das Gefühl, dass sich viele von ihnen dir anvertraut haben?

Ich denke, ja. Weißt du, viele der Fragen behandelten wirklich intime Dinge und ich hatte oftmals das Gefühl, dass die Menschen, die mir schrieben, wirklich auf der Suche nach Hilfe waren. Manche schrieben mir, dass sie Probleme mit ihrer Drogensucht hatten, andere baten mich um Rat bei ihren Beziehungs- und Familienproblemen.

Bei welchen Anliegen fiel es dir denn am schwersten, Rat zu geben?

Hm, zwei Anliegen habe ich ganz besonders in Erinnerung: Etwa als ein Junge mir schrieb, dass er nicht wüsste, wie er seinen Eltern beibringen soll, dass er schwul ist, wusste ich zunächst nicht, wie ich ihm helfen könnte. Ebenso ratlos war ich, als mir eine andere Person schrieb, dass sie von ihren Eltern missbraucht wird. Es war auch sehr bedrückend, diese Briefe zu lesen. Einfach, weil ich durch das Leben mit THRICE versuche, sehr viel Positives auszudrücken. Durch die Briefe erfuhr ich dann aber wieder knallhart, dass es in der Gesellschaft immer noch viele schreckliche Dinge gibt, die meinen Mitmenschen das Leben sehr schwer machen. Jedenfalls erinnere ich mich ziemlich genau daran, dass ich in beiden Fällen intensiv mit Freunden darüber gesprochen habe, wie ich auf die Briefe reagieren sollte. Ich hatte ja keinen Erfahrungsschatz, aus dem ich hätte schöpfen können, um sie zu beantworten.

Meinst du, dass es den Menschen leichter fiel, dir diese Dingen zu schreiben, weil sie dich nicht persönlich kannten?

Das kann gut sein. Aus eigener Erfahrung würde ich jedenfalls sagen: ja. Denn in meinen Augen ist es leichter, mit jemand über so schwerwiegende Dinge zu sprechen, den du nicht kennst. Eine Person, die dir unbekannt ist, geht an ihre Antwort unvoreingenommener heran, als jemand, der dir nahe steht.

Hast du eine zentrale Quintessenz aus deiner Tätigkeit als Kolumnist gezogen?

Folge deinem Herzen! Das ist für mich die finale Logik aus dem Kontakt mit den Menschen durch diese Kolumne. Wenn du eine schwere Entscheidung oder eine unangenehme Sache vor dir hast, dann höre auf dein Herz und lass dich nicht von irgendwelchen Normen leiten, von denen du meinst, dass du nach ihnen funktionieren müsstest. Nur so wirst du langfristig glücklicher sein. Und diesen Punkt habe ich auch immer wieder zu vermitteln versucht.

In einem früheren Interview sagtest du, dass du ein Fan des Autors Malcolm Gladwell bist und dich besonders seine Mischung aus betriebswirtschaftlichen und soziologischen Gedanken fasziniert. Was ist das genau?

Ich habe zwei Bücher von Malcolm Gladwell gelesen: "Blink" und "Tipping Point" und damals wollte ich deutlich machen, dass ich es beeindruckend finde, dass ein Autor zwei doch recht unterschiedliche Bücher schreiben kann. Denn "Blink" ist das Soziologische von beiden, "The Tipping Point" das Betriebswirtschaftliche, in dem er im Prinzip ein Best-Practice-Modell darstellt, das gerade kleineren Firmen dabei helfen soll, nach und nach zu wachsen. Aber ehrlich gesagt, fand ich das Buch nicht so faszinierend wie "Blink", weil ich kein ausgebuffter Geschäftsmann bin. "Blink" hingegen fand ich klasse, es handelt davon, wie gut doch meist die ersten Ideen sind, die wir Menschen zu gewissen Dingen haben, und es schädlich sein kann, manches zu lange zu überdenken und zu genau zu analysieren, man sich also ruhig öfter auf seinen Instinkt und seine Intuition verlassen sollte.

In den vergangenen Jahren habt ihr unter anderem die Organisationen "Invisible Children" und "826 Valencia" unterstützt, die sich beide für Kinder einsetzen. Woher kommt das?

"Invisible Children" setzt sich für Kinder in Uganda ein, die ihren Familien weggenommen und in paramilitärische Organisationen gezwungen wurden. Man mag meinen, dass dies nur selten passiert, tatsächlich werden aber unzählige Kinder Opfer dieser Behandlung, weswegen unglaublich viele Kinder in Uganda darunter leiden und zudem unter schrecklichen Bedingungen leben müssen. Demgegenüber hilft "826 Valencia" dabei, Kinder zu unterrichten. Sie bringen ihnen Schreiben, Lesen und verschiedene kreative Dinge bei, die sie ansonsten wahrscheinlich nie lernen werden. Dass wir mit ihnen und früher auch schon mit anderen Organisationen kooperiert haben, die Kinder unterstützen, liegt daran, dass wir sehr dankbar dafür sind, dass wir vier von THRICE unter so guten Bedingungen aufgewachsen sind. Wir hatten glücklicherweise niemals große Probleme und wissen das heute zu schätzen. Genau deswegen wollen wir gerade den Kindern etwas Gutes tun, die leider nicht wie wir in den Genuss einer solchen Kindheit gekommen sind.

Versteh' das jetzt nicht falsch, denn eigentlich müsste man jede Band kritisch befragen, die von Vans und weiteren Szenemarken gesponsert wird, weil diese zumindest im Verdacht stehen, in ihren Fabriken fragwürdige Praktiken wie Kinderarbeit einzusetzen. Jedoch werden THRICE von Nike gesponsert, die nun gerade bekannt sind für Kinderarbeit. In welchem Verhältnis steht das zu eurem Engagement?

Hm, mein Kontaktmann bei Nike hat mir versichert, dass sie schon dabei sind, den Einsatz von Kinderarbeit zu reduzieren und planen, in Zukunft immer weniger Kinderarbeit einzusetzen. Darüber hinaus hat Nike ja auch begonnen, Aufklärungsarbeit über verschiedene sozialpolitische Fragen zu leisten, und man hat uns auch hier versichert, dass sie dies intensivieren werden. Was unseren Einsatz für Kinder betrifft, so kann ich nur betonen, dass wir versuchen, so viele Menschen wie möglich für die Missstände zu sensibilisieren, unter denen manche von ihnen leben müssen. Dafür geben wir gerne unseren Namen her und ich hoffe, auch den einen oder anderen unter unseren Fans dafür begeistern zu können, sich für diese Zwecke einzusetzen.

Kannst du dir eigentlich erklären, warum THRICE wiederholt als Christen-Band dargestellt werden?


Es liegt daran, dass Dustin eine Menge christlicher Bilder in seinen Texten verwendet, und er auch Christ ist. Sein Glauben ist ihm sehr wichtig, was aber nicht heißt, dass er ihn oder Dinge, die die Kirche sagt, einfach so hinnimmt. Er hat ja schon viele Texte geschrieben, in denen er Aspekte des Glaubens auch in Frage stellt. Darüber finden gewisse christliche Bilder aber immer wieder Eingang in seine Texte. Und ich denke, dass es eben Christen gibt, die unsere Texte gerade aus ihrem Blickwinkel interpretieren und uns als Christen-Band darstellen. Aber ich werde nicht müde, zu betonen, dass THRICE keine Christen-Band ist, nie eine war und auch niemals eine sein wird.