SKEPTIKER

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Dada 2.0 - Höhere Wesen befahlen: da geht noch was

An meinem zwanzigsten Geburtstag war ich unglaublich stolz auf mich: ein Fünftel Jahrhundert hatte ich es schon auf diesem verdammten Planeten ausgehalten. Vielleicht kann man jetzt auch meinen Respekt verstehen, den ich einer wie DIE SKEPTIKER entgegenbringe: Das zwanzigjährige Bühnenjubiläum im Jahr 2006 (okay, von der Kreativpause in den Jahren zuvor mal abgesehen) und die dazugehörige Jubiläumstour schüttelt man nicht so einfach aus dem Ärmel. Und gleich dreimal nicht, wenn man als Punkband aus dem Osten kommt. Obwohl mittlerweile nur noch Eugen Balanskat, Sänger und letzter der DIE SKEPTIKER-Urbesetzung dort seine Wurzeln hat, haftet immer noch das Label "Ostpunkband" und eine Menge Kritik an ihnen: eine Punkband mit offizieller Spielerlaubnis in der DDR scheint auf den ersten Blick schlicht ein Oxymoron zu sein. Anyway, das Feedback während der Jubiläumstour war so überwältigend, dass sich Schlagzeuger Andy Laaf, Gitarrist Tom Schwoll, Bassist Mathias Kahle und Gitarrist Rudi Rudell dazu entschlossen hatten, DIE SKEPTIKER wieder neu aufleben zu lassen. Um die Wartezeit auf eine neue Platte zu verkürzen, wurde in den alten Aufnahmen gewühlt, die Besten von ihnen noch mal neu eingespielt und 2007 auf der Platte "Dada in Berlin" veröffentlicht. Wie die SKEPTIKER selbst mit ihrer Vergangenheit umgehen und wie sie damals zu ihrer Spielerlaubnis gekommen sind, erklärte mir ein redefreudiger Eugen Balanskat vor einem Auftritt im Berliner Tommy-Weißbecker-Haus.

Ihr habt für eure aktuelle Platte "Dada in Berlin" überwiegend Stücke aus eurem alten Repertoire neu eingespielt. Was hat euch dazu bewogen?


Der Aufhänger war, dass es unsere alten Platten schon seit einigen Jahren nicht mehr im Handel gibt. Deshalb dachten wir, dass es eine gute Idee sei, eine Art "Best Of" rauszubringen mit den unserer Meinung nach größten Hits. Grund für eine Neueinspielung war auch, dass wir den alten Dingern noch ein bisschen mehr Druck verschaffen wollten, sie fetter zu produzieren, als es damals möglich war. Ich denke, das hat auch funktioniert. In einigen Kritiken stand, dass sie viel zu glatt produziert sei, aber das ist Quatsch, genauso wollten wir das ja.

Apropos Kritiken, viele Leute finden, dass "Best Of"-Alben bloß zum Geld scheffeln gemacht werden. Auch euch wurde das vorgeworfen.

Das ist ein alberner Schwachsinn. Ich habe einen Job, mit dem ich meine Kohle verdiene, genau wie die anderen auch. Ich dachte nicht, dass so ein lächerlicher Blödsinn überhaupt noch aufkommt. Ein Beispiel: Die letzten vier SKEPTIKER-Alben, die bei Rough Trade erschienen sind und ebenso die auf dem Label von DRITTE WAHL, waren nicht einmal kostendeckend. Wenn ich so was lese wie "goldene Nase verdienen", dann ist das nur hirnrissiger Schwachsinn. Wir können von unserer Musik absolut nicht leben. Rudi und Andi zum Beispiel spielen noch in diversen anderen Bands und versuchen sich als Musiker über Wasser zu halten. Ich gehe richtig arbeiten und unser Bassist hat eine eigene Firma. Da ist Musik der kleinere Teil des Lebens, zwar ein sehr wichtiger, weil er tierisch viel Spaß macht, aber rein vom Einkommen her kannst du das echt abhaken.

Du selbst spielst ja noch bei ROTORFON, einer Konzeptband, die Schlager der 20er, 30er und 40er mit Punk verbindet. Eine ganz andere musikalische Herangehensweise. Ist das für dich eine logische Ergänzung zu den SKEPTIKERN oder etwas komplett anderes?

Da muss ich ein bisschen ausholen. Als wir uns 2000 aufgelöst haben, hatten wir zwei Jahre vorher die "Wehr dich"-Platte eingespielt für das Label von DRITTE WAHL. Leider war das Album nicht so erfolgreich, wie wir es erwartet hatten. Wir hatten echt ein schlechtes Gewissen dem Label gegenüber, die sind schließlich nicht irgend so ein Industrielabel, sondern das war, als ob man sich von seinem Kumpel Geld borgt und es nicht zurückzahlen kann. Dann spielten wir auch weniger live, bis wir eines Tages gesagt haben, okay, dann lassen wir das mit der Band eben. Danach brauchte ich ein Kontrastprogramm. Die SKEPTIKER sind für mich politisch, ROTORFON ist eine seichtere Schiene, einfach gute-Laune-Musik. Für das Projekt habe ich schon während der SKEPTIKER nach Musikern gesucht, aber erst, als das mit der einen Band vorbei war, habe ich schlagartig die Passenden gefunden. Im Moment treten wir nicht mehr zusammen auf, weil es Probleme damit gab, dass ich die SKEPTIKER-Tour gemacht habe.

Auf eurer neuen Platte sind auch Stücke mit dabei, die noch aus der Anfangszeit der SKEPTIKER stammen. Ist das ein komisches Gefühl, nach zwanzig Jahren und mehreren Neubesetzungen?

Ich habe kein Problem damit, ich finde die Stücke immer noch aktuell. Einer unserer größten Hits, "Dada in Berlin", war zum Beispiel ein Lied der ersten Tage und ist für die Fans schon eine Art Hymne. Der Text ist zeitlos, er beschreibt eine historische Epoche und er könnte auch 50 Jahre alt sein, das würde auch nichts ändern. Es geht in unseren Texten ja nicht nur um die DDR. Wir sind zwar ursprünglich mal als DDR-Band gestartet, aber mittlerweile sind ja die anderen alle aus dem Westen. Wären wir eine Band gewesen, die reine Ostthemen behandelt, hätten die anderen auch niemals mitgespielt.

Unter Nachwuchsproblemen scheint ihr ja nicht zu leiden. Heute Abend sind enorm viele junge Fans hier, die sicherlich einen anderen Background haben als eure Fans zu DDR-Zeiten. Ist das nicht komisch, vor diesen Fans die alten Stücke zu spielen?


Sie singen die Dinger ja auch mit. Die akzeptieren die Klassiker genauso wie die alten Fans und haben uns wahrscheinlich auch über die alten Sachen kennen und schätzen gelernt. In den Dingen steckt eine gewisse Zeitlosigkeit drin, sonst würden sie so ja nicht funktionieren. Hätte wir jetzt nur über die alte DDR gesungen, würde das keine Sau mehr interessieren. Aber ich habe damals schon immer versucht, Texte so zu gestalten, dass sie überall funktionieren, egal, wo man seinen Lebensmittelpunkt hat, egal, in welcher Gesellschaft, und egal, in welchem Land. Dass eine Maueröffnung passieren würde, war ja nicht abzusehen. Aber dadurch hat es ja letztendlich funktioniert.

Was denkt ihr, wie ihr von den Fans wahrgenommen werdet, die euch nun zum ersten Mal entdeckt haben: Als ehemalige Ostpunkband oder als Punkband mit deutschen Texten?

Eher Letzteres. Ein 18-jähriger heute kennt ja den Osten nicht mehr und ihm kann es scheißegal sein - er kann sich nicht vorstellen, was eine Ostpunkband ist. Er kennt den Osten nicht und das ist überhaupt kein Begriff mehr für ihn. Wir haben dort unsere Wurzeln, aber für uns ist das nicht mehr relevant. Allein die Herkunft ist ja kein Qualitätskriterium an sich.

Wie steht ihr zu der derzeitigen Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit in Bezug auf Punk: Habt ihr euch so was wie die "Ostpunk"-Ausstellung in Berlin angeschaut oder den Film "Ostpunk" gesehen?

In dem Film haben sie, soweit ich weiß, ja nur die illegalen Punkbands gezeigt, die sich im Untergrund bewegt haben. Das war ja bei den SKEPTIKERN nicht der Fall. Wir hatten eine offizielle Spielerlaubnis. Um uns die Probleme bei der Einstufung zu ersparen, haben wir bei unserem ersten Auftritt ein komplett anderes Programm gespielt, irgendeinen Südstaatenrockblödsinn. Dann haben wir die Spielerlaubnis bekommen und unser eigentliches Programm gespielt. Wenn du live gespielt hast, dann ist das nicht mehr so kontrolliert worden. Auf Platte hätten viele von den Dingen nicht erscheinen können, aber live hattest du eine gewisse Narrenfreiheit. Wir haben eben keine Kamikaze-Aktionen gestartet und haben keine Dinge gesungen wie "Die Mauer muss weg", sondern wir haben es ein bisschen intelligenter gemacht und haben in unseren Texten eben sehr viel zwischen den Zeilen ausgedrückt. Und die Leute haben das verstanden.

Auf eurer aktuellen Platte habt ihr auch zwei neue Stücke. Wie sind diese Songs entstanden?

Die Stücke haben wir im vorletzten Jahr geschrieben. Bei der Jubiläums-Tour sind wir wirklich von den Fans gebeten worden, weiterzumachen und neue Platten zu veröffentlichen. Im Vorfeld der Tour war ich in Sorge, ob überhaupt jemand kommen würde, weil die Leute uns vergessen haben. Aber genau das Gegenteil war der Fall. In Dresden zum Beispiel mussten an einem Abend 300 Leute weggeschickt werden, weil die Halle voll war. Die haben dann abends Randale gemacht und es war unglaublich. Die Tour war als einmalige Aktion geplant, wir hatten uns ja schon vor sechs Jahren aufgelöst. Doch dann dachten wir, dass es eine gute Sache wäre, ein zwanzigjähriges Jubiläum zu feiern. So lange halten ja nicht so viele durch, obwohl es Blödsinn ist, wenn man seit sechs Jahren aufgelöst ist, das zwanzigjährige Jubiläum zu feiern. Rudi hat rumgefragt, ob wir Bock hätten, und dann sind wir von der Begeisterung der Leute förmlich überrannt worden. Sie haben uns jeden Abend gesagt "Bitte hört nicht auf", weil wir es in der Presse auch als einmalige Aktion angekündigt hatten. Dann haben wir gesagt: Okay, wenn Interesse da ist, gerne doch. Dann haben wir die beiden neuen Songs gemacht und sind nun dabei, am neuen Studioalbum zu arbeiten.

Haben sich die Themen verändert, über die ihr singt und schreibt?

Für mich haben wir da angeknüpft, wo wir aufgehört haben. Das hat mir an den Kritiken zur Platte auch gefallen, dass geschrieben wurde, dass sich die neuen Stücke nahtlos bei die alten Sachen einfügen. Dass man die Stücke nicht als Fremdkörper wahrnimmt, sondern sie so klingen, als seien sie auch schon in einem anderen Kontext entstanden. Es hätten also auch andere Stücke von "Sauerei" oder "Harte Zeiten" gewesen sein können. Das hat uns gefreut, denn genauso hatten wir es geplant. Es sollte nicht etwas völlig Neues werden, sondern textlich und thematisch zu unseren alten Platte passen. Genau deswegen haben wir die Stücke auch neu eingespielt. Hätten wir aus verschiedenen Alben, die ja alle irgendwie anders klingen, eine neue Platte gemacht, wäre es technisch ziemlich aufwändig gewesen, das irgendwie auf ein Level zu bringen. Für den einheitlichen Sound der Platte war eine Neueinspielung einfach leichter.