SOLDIERS

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This is hell

Zeit ist für Rick Jemenez eine echte Ressource. Denn er ist jemand, der eine Vielzahl an Projekten am Laufen hat, von denen THIS IS HELL und SOLDIERS die erfolgsträchtigsten sind. Die beiden bei Trustkill Records gesignten Bands sind aber nur zwei der Dinge, mit denen sich der auf Long Island lebende Endzwanziger seine Zeit vertreibt. Weitere musikalische Gehversuche wagt er etwa mit dem Projekt THE SENTENCE, eine, wie er sagt, Punk-, aber auf keinen Fall Pop-Punk-Band. Und als wäre es der Auslastung noch nicht genug, reimt der Sympath mit Drei-Tage-Bart und Baseballkappe auf Halbacht manchmal noch über die blubbernden Beats eines HipHop-Projektes, das er gemeinsam mit einem Freund gründete. Zugegeben, viel Zeit bleibt da weder für THE SENTENCE noch für seine Beat-Akrobatik. Denn THIS IS HELL gehören spätestens seit dem deutschen Rerelease ihres furiosen Albums "Sundowning" zu den heißesten Eisen in der Esse des Oldschool-Hardcore.

Ihr neuester Longplayer "Misfortunes" steht zudem in den Startlöchern und erscheint dieser Tage in Deutschland, und dass Rick neben dem pickepackevollen Tourplan dieser Band überhaupt noch Zeit für die SOLDIERS findet, ist schon fast verwunderlich. Ja, er gibt zu, dass es zeitlich manchmal etwas eng wird. Aber wenig später grinst er verschmitzt und strahlt dann freudig, wenn er sagt, dass er Musik eben brauche und es liebe, sich in den verschiedensten Projekten auszutoben. Zur Freude besteht bei unserem Gespräch dann auch aller Grund. Die "Never Say Die!"-Clubtour mit THIS IS HELL und diversen Szenegrößen läuft bestens. Und auch wenn die Berliner Show nicht der Rekordabend der knapp dreiwöchigen Europarundreise war, so lief dieser Cruise doch legendär gut, wie Rick erzählt, während er auf der Empore im Saal des SO36 vergnügt die Füße von sich streckt.

Drehen wir die Uhr etwas mehr als ein Jahr zurück. THIS IS HELL sind zu diesem Zeitpunkt schon sehr aktiv in der amerikanischen Szene, schließlich jubilierten Fans und Presse in den "Flat Fifty" unlängst über ihr Meisterwerk "Sundowning". Jedoch suchen Rick und THIS IS HELL-Drummer Dan Bourke ein weiteres Ventil, um sich ihren Frust von der Seele zu brüllen. Beide gründen im April 2006 die SOLDIERS, wobei Rick von der Gitarre nun zum Gesang wechselt und Dan Bourke wie auch bei THIS IS HELL an den Drums platziert wird. Zur Verstärkung heuerte man noch bei Chris Mazella (Gitarre, ex-SUBTERFUGE), Brian Audley (Gitarre, LAST CONVICTION) sowie Andrew Jones (Bass, ex-THE BACKUP PLAN) an und bastelte sich so aus einzelnen Mosaiksteinchen eine kleine Long Island-Allstar-Hardcore-Band. Diese brachte mit "The Tombstone" noch im ersten Lebensjahr eine EP raus und brauchte nur ein klein wenig länger, um ihr erstes Album "End Of Days" zu schreiben. Es erschien im Herbst 2007 und lebt von aufgewühltem Oldschool-Hardcore mit deutlichen Metal-Einflüssen, der an TERROR erinnert, jedoch deutlich weniger Tough Guy-Anleihen hat als die Kalifornier.

Im Gegensatz zu den teilweise sehr intimen Songs von THIS IS HELL sind die der SOLDIERS offensiv, hart und wenig kompromissbereit. Diese Band ist der Kanal, durch den Rick und Anhang der Welt mitteilen, was sie von ihr denken - und das sind nur selten Nettigkeiten. "Es ist so, dass THIS IS HELL eine Facette meines Wesens ist, SOLDIERS hingegen eine ganz andere", holt Rick aus. "Ich will mit beiden Bands ganz unterschiedliche Emotionen verarbeiten. Bei THIS IS HELL schreiben wir Songs, die sehr nah am Menschen sind. Und zwar in der Hinsicht, dass wir versuchen, jede dunkle Emotion einzufangen, die man so haben kann. Versagen, Zweifel, Unsicherheit, all das sind Dinge, die du bei THIS IS HELL findest. Bei den SOLDIERS fließen diese Themen zwar auch in die Songs ein. Sie werden aber auf eine ganz andere Art verarbeitet. Hier gehe ich zum Angriff über, schreie den Leuten entgegen, dass ich mein Ding machen werde, egal, was sie sagen. Es sind eben diese zwei Seiten von mir: THIS IS HELL ist diejenige, die sich fragt, ob ich überhaupt alles richtig mache. Und SOLDIERS diejenige, die allen entgegen schreit, dass sie mir den Buckel runterrutschen können", stellt Rick den Unterschied zwischen seinen Hauptbands dar, während diverse Crew- und Bandmitglieder Instrumente und Equipment in den Club tragen, um die Bühne für die für den Abend aufzubauen.

An dieser Stelle unseres Gespräches kommt erstmalig Unbehagen auf. Denn es gibt diese Frage, die man eigent

lich nicht stellt: die Frage nach dem Namen einer Band. Aber seit den letzten patriotischen Verirrungen in der Punk- und Hardcore-Szene und der oft unklaren Haltung der amerikanischen (Außen-)Politik gegenüber, da heißt es bei einer Band, die sich "Soldaten" nennt, auf Nummer sicher zu gehen, ob der Name hier irgendwelche Sympathien ausdrücken sollte. Also, durchatmen, lächeln und raus damit. Der riecht den Braten sofort, ein kurzer schelmischer Blick, dann holt er aus: "Der Name kommt daher, dass wir alle aus Long Island kommen. Dort gibt es zwar eine Hardcore-Szene, die ist aber sehr schnelllebig, da die meisten Leute nur kurz in der Szene sind - sie kommen und verschwinden dann bald wieder. Als wir die SOLDIERS gründeten, waren alle Mitglieder schon lange in diversen Bands gewesen. In einer kurzlebigen Szene kämpften wir alle gewissermaßen also schon lange für eine Sache: Hardcore. Deswegen der Name."

Und Hardcore ist Rick wichtig - so richtig wichtig. Nicht, dass er jemand ist, der sich in redundanter Phrasendrescherei verfängt und mit Schlagworten um sich schmeißt. Aber wenn man ein wenig bohrt und nach seinem Verhältnis zu diversen Bands fragt, identifiziert man schnell einen Lieblingsfeind des Ostküstlers. "Scheiße, was AVENGED SEVENFOLD gemacht haben, das habe ich fast persönlich genommen. Ehrlich, sie haben die Hardcore-Szene genutzt, um bekannt zu werden - für nichts anderes. Dann sind sie zu einer merkwürdigen Rock-Band mit sehr ekliger Attitüde geworden. Heute geben sie der Szene, die den Grundstein für ihren Erfolg gelegt hat, nichts zurück. Ich habe kein Problem damit, wenn eine Band viel Geld verdient. Solange sie ihren Wurzeln treu bleibt, ist das kein Problem. HATEBREED machen das mit Bravour."

Die Tough-Guy-Vorreiter aus Connecticut haben es Rick und den SOLDIERS dann auch gleich so angetan, dass sie an Halloween eine Show spielten, bei der sie nur HATEBREED coverten. Irgendwie bekam deren Basser Chris Beattie Wind davon und dessen Begeisterung steckte auch HATEBREED-Kopf Jamey Jasta an. "Ja! Jamey rief uns auf Tour an und fragte, ob wir nicht Bock haben, einige Shows für HATEBREED und AGNOSTIC FRONT zu eröffnen - das wird groß!", strahlt Rick. Daran besteht kein Zweifel, sind HATEBREED doch auch Garant für ausverkaufte Clubs. Hoffen wir, dass ihren Fans "End Of Days" ebenso gut gefällt wie die donnernden Kampfansagen der Headliner.