WOJCZECH

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... goes Amerika

Normalerweise sind Knüppel-, Prügel-, Todes- und sonstige Grinder wirklich nicht mein Fall, aber die Rostocker WOJCZECH sind hier eine der wenigen Ausnahmen, die ich mir sogar auf voller LP-Länge gerne mal anhören kann. Tight bis in die letzte Hundertstelsekunde und jeder Song mit immer neuen Überraschungen angereichert, schaffen sie es, nach nunmehr über 10 Jahren auf Tour und fast einem Dutzend Split-7"s immer noch frisch und unverbraucht zu klingen. Zum Jahreswechsel stand eine ausgedehnte USA/Mexikotour an und das allein wäre schon Grund genug für ein ausführliches Gespräch gewesen. Anwesend waren im heimischen Rostocker JAZ Gitarrist Kutter, Drummer Heinz und Danilo, der Grunzer vor dem Herrn. Bassist Andy glänzte durch Abwesenheit, tauchte aber einige Takte später auf.

Seit wann gibt es die Band jetzt eigentlich schon?


Kutter:
Heinz und ich machen seit 1990 zusammen Musik. Damals hieß die Band noch JACK OF ALL TRADES. Das begann als straighter Hardcore und ging dann in Doom-Metal-Hardcore über und Anfang 1995 hatten wir die Idee, einfach mal ein paar Bolzlieder zu machen. Weil unser damaliger Gitarrist mit einer Peruanerin verheiratet war, stand dann gleich eine Perutour an, die aber grottenschlecht organisiert war und wo wir als zwei Bands hingefahren sind.

Heinz: Eigentlich hätten wir "Born As A Joke" heißen müssen, weil es bei uns nur so aus Kasperei zu ein paar schnellen Bolzliedern im Proberaum kam, als nichts anderes mehr ging. Und dann haben wir den Witz gleich mit nach Südamerika genommen.

Kutter:
Da gab es dann nur so typische Latinopunk-Bands, sehr holprig, aber doch schon sehr beeindruckend, mit was man sich da traute zu spielen.

Heinz: Das war so krass organisiert. Wir haben vielleicht fünf Shows innerhalb von vier Wochen gespielt und bei Freunden gewohnt. Später sind wir 1998 noch mal rüber und dann haben wir so achtmal in Lima gespielt und sind total hängen gelassen worden.

Nach den vielen Singles habt ihr dann 2005 die LP gemacht?

Kutter: Vorher gab es noch eine Split-LP mit EXTINCT OF SURVIVAL, das war 2004, und dann war es so weit, dass wir gesagt haben, jetzt mal "im Ganzen" und mal in Aufnahmen investieren.

Danilo:
Dann waren auch plötzlich Interessenten da und irgendwelche Labels, die die Platte gern machen wollten.

Kutter:
Wir haben dann das Studio und das Vinyl bezahlt und die CD hat Karol von Selfmadegod aus Polen gemacht.

Heinz:
Also wir haben dem dann die Aufnahmen geschickt, ich habe das Coverartwork gemacht und dann hat er 2000 CDs gepresst.

Kutter:
Ja, so 2000, wovon einige hundert als Promos für Fanzines gedacht waren. So Sachen, mit denen wir uns vorher auch noch nie auseinandergesetzt hatten, weil wir bisher immer alles selbst gemacht hatten. Entweder Danilo auf seinem, wir auf unserem Label oder Freunde von uns, die das Wort Promo auch nicht kennen, weil die einfach keine Stückzahlen pressen, wo das in Frage kommen würde. Als dann Karol schrieb, er würde 300 Promos verschicken, haben wir uns auch gefragt, was das denn jetzt soll. Aber später am Feedback haben wir doch gemerkt, dass man jetzt auch mal wahrgenommen wird.

Haben euch danach viele Leute angeschrieben?

Kutter:
Ja, sehr viele. Vor allem überraschend viele Reviews von Leuten, auf die man sonst gar nicht so gekommen wäre. Das ist einfach mal ein Job, den jemand dann für dich macht, wo man auch nicht die Zeit hat, sich da noch hinter zu klemmen.

Heinz: Die 2.000 Stück sind jetzt auch fast alle weg. Wir hatten 200 Freiexemplare, die wir auf Konzerten vertickt haben, und die letzten 40 Stück haben wir jetzt für die US-Tour rübergeschickt.

Kutter: Von der LP hatten wir tausend gemacht, davon haben wir noch ungefähr die Hälfte. Wobei man sagen muss, dass die LP nie an Läden oder Distros gegangen ist. Da hatte auch keiner Zeit sich darum zu kümmern, sondern die ist immer nur auf Konzerten verkauft worden.

CATHETER haben eure US-Tour organisiert und euch dann dazu eingeladen, oder?

Heinz:
Ja, also wir hatten schon auf der letzten Tour beschlossen, dass wir auf jeden Fall in Zukunft mal zusammen eine US-Tour machen wollen und dann haben wir das für dieses Jahr festgemacht und Haroldo hat alles organisiert.

Kutter: Also, die legen sich wirklich ziemlich ins Zeug. Man muss dazu sagen, dass wir deren letzte Europatour organisiert hatten. Als CATHETER 2003 das erste Mal in Europa waren, ist es ziemlich beschissen gelaufen. Die hatten Probleme mit dem Typen, der das gemacht hatte, und wurden am Ende auch ziemlich abgezogen. Sind dann ziemlich unzufrieden nach Hause gefahren und hatten sich zwischendurch sogar aufgelöst. Wir meinten dann: "Kommt doch noch mal rüber" und daraus wurden dann 67 Europakonzerte, für die wir die Backline und alles organisiert hatten. Das war dann für alle eine super Erfahrung und daraufhin haben die einfach gemeint: "So jetzt wird's Zeit, kommt rüber."

Worum geht es bei WOJCZECH als Band? Was wollt ihr dem Publikum in zwanzig Minuten sagen? Genügt es heute schon, Teil einer Szene zu sein?

Alle:
Nee!

Kutter: Das schreckt mich eher ab.

Heinz: Die Texte sind auf jeden Fall wichtig. Auch wenn man sie als Außenstehender nicht mal ansatzweise versteht.

Danilo: Ich hasse Bands, wo man gleich den Text versteht. Das kann ich überhaupt nicht ab.

Heinz: Manchmal ist es auch so, dass eine Band geil klingt, und wenn man dann den Gesang beim Lesen versteht, klingt der Gesang plötzlich total schlecht.

Kutter: Wir teilen uns irgendwie verschlüsselt mit, sowohl musikalisch als auch textlich, weil die Liedstrukturen kaum ins klassische Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Solo-Refrain passen. Das ist aus auch einfach viel zu langweilig. Daher ist bei uns alles recht experimentell und auch nicht darauf ausgerichtet, ob es jemanden gefällt oder nicht. Es ist halt mehr eine Bewältigung für uns, denke ich mal.

Und so geht ihr auch an neue Songs ran?

Kutter:
Ja, bei uns würde niemals akzeptiert werden, wenn einer mit einem komplett neuen Song in den Übungsraum kommen würde.

Heinz:
Meistens kommen Kutter oder Andy mit was Neuem zur Probe und das wird dann geschliffen. Ich denke mir dazu was auf dem Schlagzeug aus. Oder Kutter spielt was Neues im Übungsraum, das wird dann aufgegriffen und wir basteln daran rum, bis das Lied jedem gefällt. Der Einzige, der immer nichts zu melden hat, ist Danilo.

Danilo: Ich mach immer nur Daumen hoch oder Daumen runter. Meistens rauf.

Und die Texte kommen dann von dir hinterher?

Danilo:
Ich habe kaum noch Zeit, Texte zu schreiben.

Kutter: Das ist unterschiedlich. Andy schreibt Texte, ich schreibe Texte und Heinz hat auch schon welche geschrieben. Zur Zeit machen wir so viele neue Lieder, dass wir mit Texten kaum hinterher kommen. Eine Zeit lang war es auch schon mal so, dass wir zu viele Texte hatten.

Aber das, was die anderen dir vorlegen, ist für dich meistens okay?

Danilo:
Man muss sich schon alles drei- bis viermal durchlesen, bis man alles verstanden hat. Es ist auch schwierig, die deutsche Sprache dem Rhythmus anzupassen. Ganz schön kompliziert. Manchmal wird das dann auch zu zerhackt.

Kutter:
Weil man vielleicht auch zu nackt vor seiner eigenen Sprache steht. Englisch zu singen, wäre ja auch wieder eine Verschlüsselung, obwohl das wesentlich leichter fallen würde. Aber jetzt haben wir so angefangen ...

Deutsch ist also obligatorisch für euch, egal, ob man die Texte versteht oder nicht?

Heinz:
Wir haben letztens gerade überlegt, ob es zukünftig englisch weiter gehen soll und für mich kam das ziemlich überraschend. Ich fand das früher immer scheiße und habe gedacht, warum soll man das, was man denkt und in seinen Texten versucht auszudrücken, nicht in seiner Muttersprache sagen. Das hat jetzt nichts mit Patriotismus oder so einem Scheiß zu tun, aber wenn ich einen Gedanken habe, dann kann ich ihn am besten auf Deutsch ausdrücken. Wenn ich das auf Englisch sagen würde, müsste ich mir Gedanken machen, dass es vielleicht missverstanden werden kann. Aber mittlerweile habe ich mich schon damit angefreundet. Man kann auch auf Englisch geile Texte schreiben. Aber Deutsch ist halt einfacher. Nur wenn es mit dem Gesang gar nicht hinhaut, weil man im Deutschen so schwierige Wörter benutzt. Englisch ist halt immer kurz und knapp, weil das so eine einfach strukturierte Sprache ist. Und Deutsch ist da schon kompliziert, besonders wenn man so Wortschöpfungen benutzt, wie Kutter oder ich das manchmal tun. Für Danilo ist es manchmal auch extrem schwer, wenn er die Texte nicht selbst geschrieben hat. Also, ich blicke auch bei einigen Texte von Kutter nicht durch, oder müsste mich wirklich anstrengen, um dahinter zu steigen, weil es - selbst im Deutschen - manchmal doch sehr abstrakt und verschlüsselt zugeht. Wenn Danilo das dann in den Rhythmus pressen soll, dann gibt es Probleme.

Verschlüsselte deutsche Texte für amerikanische Ohren. Sind die Texte auf der Tour erklärungsbedürftig? Kommt zu jedem Song die entsprechende Ansage?

Kutter:
Ja, eigentlich machen wir immer kurze, knappe Ansagen zu den Songs.

Danilo: Ich selbst bin eher wortkarg auf der Bühne. Ich glaube, ich bin eigentlich kein so guter Entertainer, wenn ich keinen Sound von hinten habe. Wahrscheinlich müsste ich mir da doch noch so einen Spickzettel machen. Wir haben ja eigentlich auch 45 Minuten Programm und was will man da in nur zwanzig Minuten noch groß zwischen den Songs erzählen.

Kutter: Ich finde eigentlich auch prägnante Kommentare, die in einem Satz gesagt werden, am geilsten. Nicht so wie bei DROP DEAD, wo die Ansagen immer länger waren als die Lieder. Denen nahm man das zwar ab, weil die viel Wut hatten, aber wenn man die dreimal gesehen hatte, hatte das irgendwann wirklich einen langen Bart.

Heinz: Es wäre schon nicht schlecht, wenn man die Texte übersetzen würde. Es gibt da diese Seite im Netz - Encyclopaedia Metallum -, da hat uns jemand als Lexikoneintrag hinzugefügt und auch die Texte abgedruckt. Aber halt auf Deutsch und ich bin dann rangegangen und habe versucht - soweit es mir möglich war -, immer einen Drei- oder Vierzeiler auf Englisch darunter zu schreiben, worum es in dem jeweiligen Text geht.