DENY EVERYTHING

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Kurz und gut

Man kann Köln nicht unbedingt als eine Hochburg des Hardcore und Punkrock bezeichnen, was zu einem Großteil an der ausbaufähigen alternativen Infrastruktur liegt. Innerhalb einer überschaubaren Szene gibt es dennoch einige Bands, die auch über die Lokalgrenzen hinaus eine gewisse Aufmerksamkeit bekommen. Eine von ihnen sind DENY EVERYTHING. Am Rande der Aufnahmen zu ihrer neuen EP im Studio Gernhart in Siegburg unternahmen Björn (Bass), Christoph (Schlagzeug), David (Gitarre) und Pablo (Gesang) eine Standortbestimmung der Band.


Bei eurem letzten Album, "Fire This Time", hattet ihr nach meiner Wahrnehmung politisch explizitere Texte im Vergleich zur Vorgänger-EP, was ich auch an Titeln wie "Patriotism is so 19th century" und "Apparently it's still just boys' fun" festmachen würde. Teilt ihr diese Einschätzung?

Pablo: Ich finde nicht, dass unsere Texte bei "Fire This Time" vergleichsweise expliziter politisch sind, die Songs auf unserer letzten EP waren das auch. Der Unterschied ist eher, dass auf ersten EP die Themen eher allgemeiner politischer Natur waren, und bei dem Album ging es dann eher um szenepolitische Sachen. Woher das kam, kann man zwar nicht so richtig sagen, aber es hängt wohl damit zusammen, dass sich auch meine eigenen Interessen in vielerlei Hinsicht konkretisiert haben.

"Fire This Time" ist zu einem großen Teil nicht nach außen, sondern nach innen gerichtet. Irgendwer hat geschrieben, dass man keine Lust habe, sich von Zwanzigjährigen die Welt erklären zu lassen. Habt ihr noch mehr solcher Erfahrungen gemacht?

Pablo: In der Punk- und Hardcore-Szene läuft halt genauso viel schief wie in anderen Bereichen der Gesellschaft auch. Nur ist dies der Kreis, in dem wir uns am meisten bewegen und am meisten mitkriegen, und dementsprechend kommen dort auch die Texte her. Es ist mein Politikverständnis, sich die Dinge anzuschauen und konstruktiv zu kritisieren, die unmittelbar um einen herum geschehen. Es ist schwer, die Reaktionen auf das Album jenseits von Plattenreviews zusammenzufassen. Mein Eindruck ist, dass die Leute es entweder total schlecht oder total gut fanden, aber häufig keine Lust haben, sich inhaltlich mit solch einer Kritik auseinanderzusetzen.

In einem anderen Review stand, ihr hättet "Judith Butler gelesen und verstanden" - damit wird man ja schon fast in eine Bildungsbürger-Ecke gerückt.

Pablo: Das kommt darauf an, was man selbst für Standards hat. Ich glaube, viele Leute sind gehaltlose Texte gewöhnt. Aber wir geben uns ja jetzt keine wirkliche Mühe, total intellektuell rüberzukommen oder uns besonders gewählt auszudrücken. Es geht ja nicht um politische Texte im Allgemeinen, sondern eher um unsere Themenwahl - manche Sachen sind einfach kompliziert. Man wird manchmal als p.c.-Faschist bezeichnet, was ein Totschlagbegriff ist, mit dem man versucht, einer Diskussion aus dem Weg zu gehen. Manche wollen nicht anerkennen, dass die Notwendigkeit zur Diskussion überhaupt besteht. Dadurch wird deren Position nicht zu einer politischen Ansicht, sondern sie gibt sich selbst den Anstrich der Neutralität.

Auf eurer letzten Tour habt ihr auch ein paar Konzerte in England gespielt - bemerkt man einen Unterschied in der Rezeption, wenn man in der Muttersprache der Zuschauer singt?

Björn: Man merkt schon, dass sich die Leute dann mit den Texten auseinandersetzen, und man geht davon aus, dass sie die Texte auch verstehen. Unterm Strich war England eine positive Erfahrung, obwohl auch schlechte Shows dabei waren, auf denen nur zwei, drei Leute waren. Dann aber auch das komplette Gegenteil: Shows, bei denen die Leute unsere Platte schon kannten, was uns echt überrascht hat. Die haben dann mitgesungen und uns fast schon euphorisch empfangen - das hat man meistens noch nicht mal in Deutschland, und so was erwartet man es nicht, wenn man das erste Mal rüber fährt.

Wie würdet ihr die Kölner Hardcore-Szene beschreiben?

Björn: Es ist echt schwierig, die Kölner Szene zu beurteilen. Auf der einen Seite habe ich das Gefühl, dass die Trends und die abgefeierten Shows außerhalb unserer Reichweite stattfinden. Ich würde nicht sagen wollen, dass wir darunter leiden, aber man wird nicht so wahrgenommen wie vielleicht andere Bands - gerade weil viele Leute denken, dass in dieser Hinsicht in Köln nicht viel geht. Teilweise ist dieser Eindruck berechtigt, weil es in hier nicht viele Läden und regelmäßige Shows gibt. Andererseits hat sich in der letzten Zeit viel getan, es gibt mehr Konzerte und inzwischen einige gute Bands. Die Shows beispielsweise, die wir mit unserer Konzertgruppe organisieren, sind eigentlich immer gut besucht, aber es bleibt alles in allem überschaubar.

Pablo: Es ist schon so, dass es hier getrennt voneinander stattfindende Subszenen gibt, die nichts miteinander zu tun haben, weshalb es schwierig ist, über die eine Kölner Szene zu reden.

Kommen wir zu der neuen EP, die bis jetzt noch keinen Namen hat. Kann man schon sagen, was die Leute erwarten wird? Zwischen euren letzten beiden Platten gab es ja doch Unterschiede.

Björn: Ich denke, dass es auch diesmal Unterschiede gibt. Alle, bis auf Pablo selbst, hat es überrascht, dass er ziemlich viel singt und weniger schreit. Aber es ist wirklich noch zu früh, um etwas zu sagen.

David: Vielleicht ist es nicht so der große Sprung wie von der ersten EP zum Album, aber der ganze Prozess ist uns viel leichter von der Hand gegangen.

Pablo: Es sind vielleicht ein paar mehr melodische Lieder drauf, die es auf dem letzten Album aber auch schon gab, auch die Shouts gibt es wieder. Textlich geht es in eine ähnliche Richtung wie bei "Fire This Time", es ist ja in der Zwischenzeit auch nichts besser geworden.

Björn: Neben der EP steuern wir noch einen Song zu einem KID DYNAMITE-Tribute-Sampler auf Copper Lung Records bei, was eine ziemliche Ehre ist.

Euer Studium neigt sich dem Ende zu oder ist schon beendet - macht ihr euch auch Gedanken, wie es danach mit der Band weitergehen wird?

Björn: Ich denke schon viel drüber nach.

Pablo hat ja dieses Jahr den Abschluss gemacht, und ich hatte aber schon Sorge, dass er vielleicht in eine andere Stadt oder ins Ausland gehen könnte - fürs Erste die Gefahr ist wohl gebannt.

Christoph: Nachdem ich ein Jahr im Ausland war, haben wir es auch geschafft weiterzumachen, und sogar mit größerem Erfolg als zuvor - deshalb sollten wir das jetzt auch hinbekommen.

Björn: Auf jeden Fall hat keiner vor, die Band, die uns so wichtig ist, aus beruflichen oder sonstigen Gründen aufzugeben. Es ist eigentlich erstaunlich, wie lange wir schon Musik zusammen machen, und bis jetzt hat es immer funktioniert. Wir machen auch alle keine großen Anstalten, irgendetwas an unserem Leben zu ändern.