RHEINGOLD

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Töne fließen wie ein Strom den Fluss hinauf...

Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich diese Textzeile das erste Mal hörte: Es war 1982 ... Ich saß in meinem engen Kinderzimmer vor dem kleinen Universum-Monoradiorekorder und hörte die gerade für sagenhafte 19,95 DM - damals ein kleines Vermögen bei einem Taschengeld von 10 DM monatlich - gekaufte Kassette „Tanz mit dem Herzen“. Die NDW war auf ihrem Höhepunkt, ich mittendrin und mit den ersten Tönen wußte ich: Das ist mein Song! Von einem Onkel, der mich mit Hippiekram und Krautrock vollgestopft hatte, schwer vorbelastet, war „Fluss“ genau der Sound, den ich immer gesucht hatte. Dieser Song war meine ganz persönliche Brücke zwischen der alten Rockmusik, die ich immer noch so liebte, und der Moderne, in der ich von nun an auf ständiger Suche nach neuen Klängen war!

Erst Jahre später begriff ich, warum mich dieser Song und dann der komplette RHEINGOLD-Sound so fasziniert hat: Das Trio Bodo Staiger, Brigitte Kunze und Lothar Manteuffel waren alles andere als unvorbelastete Musiker. In Kombination mit dem Produzenten Conny Plank, der komischerweise für alle meine deutschen Lieblingsalben (NEU!, KRAFTWERK und D.A.F.) verantwortlich war, war das wohl genau die Überdosis Musik, die ganz tief in mein Herz eindringen konnte. Noch heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich nur die Anfangsakkorde höre. Als ich dann die Ankündigung für das neue Album „Electric City - Düsseldorfer Schule“ las, war ich direkt wieder infiziert. Ich fiel fast vom Stuhl, als sich herausstellte, dass es sich dabei um Coverversionen alter Krautrockklassiker und Electrohits handelt, die alle von Conny Plank produziert worden waren und nun im typischen, zeitgemäßen RHEINGOLD-Sound präsentiert werden. Der Kreis hat sich geschlossen und wir sind in der Gegenwart angelangt. Ich hatte nun so viele Gedanken und Fragen angesammelt, dass ich Bodo Staiger einfach kontaktierten musste, der mir dann auch bereitwillig Auskunft gab.

RHEINGOLD haben sich ja offiziell nie aufgelöst. Warum die Reaktivierung?

Reaktivierung würde eigentlich bedeuten, dass es ein Album mit neuen, eigenen Stücken gibt, daran arbeite ich. Das aktuelle Album ist da eher eine musikalische Biografie von mir.

Was ist die „Düsseldorfer Schule“ und wie habt ihr die Songs ausgewählt, die ihr für das neue Album gecovert habt?

Das war ursprünglich die Düsseldorfer Malerschule, für mich steht dieser Begriff heute mehr für den Stil der elektronischen Szene der letzten Jahrzehnte. Es gab ein klares Konzept, nach dem die Songs ausgewählt wurden. Dazu mussten diese auch in unserem Sound und mit unserem Gesang realisierbar sein, ohne den alten Charme zu verlieren.

Meiner Meinung nach sind es nicht gerade die besten Songs, die diese Künstler veröffentlicht haben! Stand da eher der Wiedererkennungswert im Vordergrund?

Nein, im Gegenteil. Ich wollte die vergessenen Schätze heben, wie etwa „Autobahn“ und nicht „Das Model“. Gerade „Autobahn“ von 1974 repräsentiert den Anfang der Elektronik-Szene für mich.

Kannst du etwas über die Zusammenarbeit mit Conny Plank erzählen? Für mich war er Deutschlands einflussreichster und wichtigster Produzent überhaupt. Alle "neuen" und innovativen Musikstile hat er aktiv begleitet und produziert, sei es nun Krautrock, NDW oder Elektronica. Er muss ja ungeheuer neugierig gewesen sein und ein Gespür für moderne Musik gehabt haben. Welchen Stellenwert hat Conny Plank deiner Meinung nach in der deutschen Musikgeschichte?

Ich habe Conny Plank 1970 kennen gelernt und zum ersten Mal bei ihm mit MMW und Karl Bartos im damaligen Rhenus-Studio in Rodenkirchen aufgenommen, wo er als Toningenieur arbeitete. Damals gab es den Begriff „Produzent“, wie wir ihn heute verstehen, noch nicht. Conny hat die freie Studiozeit genutzt, um mit den jungen Bands und Musikern zu arbeiten, sie aufzunehmen. Schon zu dieser Zeit zeigte sich sein gutes Gespür für neue Töne und Originalität der Künstler, dass er dann auch konsequent weiterführte mit Umweg über Hamburg bis hin zu seinem eigenen Studio in Neunkirchen. Er hat vor allem viele Projekte, die der kommerziellen Musikindustrie zu schräg waren, entscheidend gefördert. Und eben auch die bis dahin doch verpönte eigene Sprache wieder in einen neuen Kontext gebracht, weg vom deutschen Schlager, eine neue Sicht auf die Musikszene, mit der man sich als Künstler identifizieren konnte. Es war eines seiner ständigen Themen, die fehlende deutsche Identität nach dem Krieg, alle schielten nur nach England und Amerika. Ohne ihn wäre die Musikszene, gerade in Köln und Düsseldorf, nicht denkbar. Nicht zuletzt deshalb wurde er auch von internationalen Künstlern, von THE TOURISTS/EURYTHMICS über ULTRAVOX, Brian Eno bis Bowie, respektiert.

Wie viel Einfluss hat er auf die Musik und den Sound von RHEINGOLD gehabt?

Einen ersten unmittelbaren Einfluss auf die Musik von uns hatte er nicht, da ich die Songs der ersten drei Alben in Düsseldorf, zuerst in der Klangwerkstatt, dann im eigenen Studio aufgenommen habe. Aber bei der Nachbearbeitung und dem Mix in Connys Studio, da wurde oft noch mal geschraubt und gedreht, zum Beispiel ist der charakteristische Synthie-Knaller von „Dreiklangs-Dimensionen“ durch ihn hinzugekommen.

Wie war es, an einen solch musikgeschichtlich bedeutenden Ort selber Musik zu produzieren?

Die musikgeschichtliche Bedeutung hat das Studio erst durch die dort entstandenen Produktionen erhalten, für den Künstler war das Studio ein kreativer Ort auf hohem technischem Niveau.


Wie kam es zum Namen RHEINGOLD? Bist du Wagner-Fan oder musste es damals umbedingt ein mächtiger und ganz speziell deutsch klingender Bandname sein?

Es musste ein deutscher Name sein.

Wie hast du den ganzen Trubel und die Aufregung um die NDW erlebt?

Das war nicht wichtig, wir haben uns da ganz bewusst rausgehalten.

Wie war es, auf einmal im Rampenlicht zu stehen?

Das war für mich nicht neu, denn ich hatte ja schon viele Bands/Stationen mit Film- und TV-Auftritten und Gigs hinter mir.

Wann fing deiner Meinung nach der so genannte „Ausverkauf“ der NDW an?

Spätestens, als das Outfit wichtiger wurde als der musikalische Beitrag.

Rückblickend betrachtet: Welchen Stellenwert hat RHEINGOLD im Rahmen der NDW?

Das müssen andere beurteilen. Wir haben aber immer dieses deutsche Schubladendenken abgelehnt.

Wie viele Versionen gibt es von „Dreiklangs-Dimensionen“ und warum werden davon immer wieder Remixe hergestellt?

Ich habe irgendwann aufgehört, die Versionen zu zählen, aber der Song scheint immer noch stark genug, dass andere Künstler ihn covern oder remixen.

Was bringt überhaupt einen Musiker dazu, seine Lieder dem aktuellen Zeitgeist anzupassen und Remixe zu produzieren?

Normalerweise ist es ja nicht der Künstler selber, der den Remix macht. Im Fall von „Dreiklangs-Dimensionen“ gibt es nur zwei Versionen, an denen ich aktiv beteiligt war, nämlich die von Michael Staab 1990 und eben die Neue von 2007 und beides sind Neueinspielungen ohne Verwendung der alten Tapes.

Nervt es nicht, immer nur auf diesen Titel reduziert zu werden? Andererseits kann ich mir vorstellen, dass es sich von den Tantiemen sehr gut und unbeschwert leben lässt.

Nein, es nervt nicht, wenn ein Song nach 27 Jahren immer noch gespielt wird. Das mit den Tantiemen allerdings siehst du doch etwas blauäugig!

Wie waren die Reaktionen auf die internationalen Versionen eurer Lieder „Augenblick“, „Das steht dir gut“, „Fluss“ und „Dreiklangs-Dimensionen“? Stellte sich der erwünschte Erfolg ein? Warum gab es überhaupt englischsprachige Versionen?
Das war zu jener Zeit doch wirklich mehr als ein Tabu, denn schließlich war man stolz darauf, endlich deutsch singen zu können.


Die deutschen Versionen waren auch im Ausland erfolgreicher, da authentischer, und das mit dem Stolz, das haben wir nicht so eng gesehen.


Nach zwei äußerst erfolgreichen, innovativen und kreativen Platten kam mit dem eher schwachen Album „Dis-Tanz“ direkt das Ende von RHEINGOLD. Was hast du die ganze Zeit gemacht?

Viel gelernt, gerade was Studio/Tontechnik/Produktion angeht. Ich habe geheiratet, Kinder bekommen und mit vielen unterschiedlichen Künstlern gearbeitet, von RED CRAYOLA über DIE TOTEN HOSEN bis hin zu DJ Eremit. Außerdem arbeite seit 20 Jahren auch sehr erfolgreich mit Künstlern aus Ghana.

Die Frage wird trotzdem gestattet sein: Wird es eine Reuniontour geben? Ist es geplant, das neue Album auch live zu präsentieren?

Das kann ich mir zur Zeit nicht vorstellen.

Seit wann gibt es 3Klang Records und warum wurde ein eigenes Label gegründet?
Wäre es nicht einfacher gewesen, die alten Kontakte zu bemühen und eine große „RHEINGOLD-Reunion-Show“ zu veranstalten?


Die logische Konsequenz aus der Entwicklung der Musikindustrie war das eigene Label. Gerade die alten Kontakte funktionieren da nicht mehr, neue Wege sind angesagt und so eine Reunion-Show, die braucht wirklich niemand!

Wie wichtig sind in der heutigen Zeit das Internet und eine eigene MySpace-Seite für einen Musiker?

MySpace ist wahrscheinlich das wichtigste aktuelle Forum für Künstler heute!

Die ersten beiden Alben kamen ja beim Kölner Welt-Rekord-Label der EMI heraus. Wie war die Zusammenarbeit und wie wurdet ihr dort behandelt? Warum veröffentlicht ein Düsseldorfer seine Musik in Köln ...

Du wirst es nicht glauben, es gab in Düsseldorf keine Plattenfirma und durch meine Mitarbeit bei den LILAC ANGELS kam der Kontakt nach Köln zustande. Für einen, in meinem Fall neuen Künstler einen Deal mit einer großen Plattenfirma zu bekommen, noch dazu auf Basis von rauschenden Demos, war eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen wollte.

Wo du die Band gerade ansprichst: Ich musste erst mal im Plattenschrank nachschauen, als ich in deiner Biografie las, dass du Gitarrist bei LILAC ANGELS warst und dort drei Alben mit klassischen Rock'n'Roll einspieltest. Erinnerungen aus dieser Zeit?

Ich habe mit den Lilacs ein Album und zwei Singles aufgenommen, viele Gigs und TV-Auftritte absolviert. Diese Band war ein gutes Trainingslager für den Gitarristen Bodo Staiger.

Vergangenheitsbewältigung, die Zweite: Hast du noch Kontakt zu Marius Müller-Westernhagen? Mit ihm hast du ja in der Band HARAKIRI WHOOM gespielt.

Das war Ende der 60er Jahre! Also die ganz wilden Zeiten. Wir traten auf Schulfesten mit vielen anderen Bands zusammen auf und alle spielten die englischen und amerikanischen Hits. Zu Marius habe ich keinen Kontakt mehr.

Welche Bedeutung hat KRAFTWERK für dich/euch im Leben? Es tauchen ja immer wieder Zusammenarbeiten mit „Ehemaligen“ auf. Bei YAMO produzierst und spielst du ja zusammen mit Wolfgang Flür. Bei der GRUPPE SINUS warst du zusammen mit Karl Bartos. Lothar Manteuffel und Karl Bartos sind ELECTRIC MUSIC.

Außer Lothar, den ich erst 1980 über Karl kennen lernte, kannte ich alle Herren schon, bevor KRAFTWERK gegründet wurde. Für Karl und Wolfgang – wie auch für Michael Rother und Klaus Dinger - war es wohl ein guter Start in eine Musikkarriere. Sie sind ja alle auch noch sehr aktiv und ein wesentlicher Teil der „Düsseldorfer Schule“.

Was macht Lothar Manteuffel heute?

Lothar lebt seit Jahren in Hamburg und arbeitet beziehungsweise produziert dort Musik.

Was hat Brigitte Kunze die ganze Zeit gemacht?

Sie hat an wunderbaren Projekten wie zum Beispiel unseren Kindern, dem Studio, der Musik mitgewirkt und heißt jetzt Staiger.


Ihr habt ja auch die Filmmusik für „den Skandalfilm aus den 80ern!“ „Der Fan“ gemacht und du hast die männliche Hauptrolle neben Désirée Nosbusch gespielt. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Das kam über das Angebot zur Filmmusik. Eckhart Schmidt machte ein Casting und dann hatte ich plötzlich eine Hauptrolle.

War dieser Film dein einziger Ausflug in die Schauspielerei?

Nein, ich habe schon 1969 mit der Band um MMW einen Kurzfilm gedreht, in dem es um Wehrdienstverweigerung ging und der genauso hieß wie unsere damalige Band, nämlich „Harakiri Whoom“.

Wie war die Produktion und die Bedingungen? Die anderen Filme von Eckhart Schmidt sind ja eher unbekannt ...

Die Filmaufnahmen waren in München, täglich Essen gehen und drei Wochen Hilton/Englischer Garten. Alle sind nett zu dir, das klingt doch gar nicht so unangenehm.

Warum war dieser Film so ein Skandal und wie hast du den Medienrummel darum erlebt?

Der angebliche Skandal bestand darin, dass einige Szenen, mit denen Désirée nicht einverstanden war, rausgeschnitten werden sollten. Der Rummel war aber sofort vorbei, als der Film ins Kino kam.

Wie war es, von Désirée Nosbusch aufgefressen zu werden? Sie möchte ja nicht mehr auf diesen Film angesprochen werden ...

Ich glaube, dass wir beide den Film nicht wirklich lieben.

Hat der ganze Rummel um den Film RHEINGOLD im Rückblick mehr genützt oder geschadet?

Für das zweite Album „R“ war er bestimmt hilfreich, zumal der Film erst zwei Jahre später ins Kino kam.

Du hast ja auch für das Goethe-Institut gearbeitet. Was war oder ist das „Burger Highlife“-Projekt für eine Aktion, da geht es ja um die musikalische Verbindungslinien zwischen Ghana und Deutschland.

Ich war dieses Jahr auf Einladung des Goethe-Instituts im Rahmen von „20 Jahre Burger Highlife“ in Ghana, wie gesagt, arbeite ich seit langen Jahren mit den Top Künstlern dieses Landes zusammen.

Ihr habt ja 1985 auch bei dem „Band für Afrika“-Projekt „Nackt im Wind“ mitgemacht. Ist soziales und politisches Engagement für dich wichtig?

Den musikalischen Part für dieses Projekt fand ich ganz schrecklich, das soziale Engagement notwendig und politisch wird es immer frustrierender.

Und wohin steuert das „Mutterschiff“ Erde?

Auf Crashkurs ...