PRESS GANG

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"... we think you're all a bunch of cunts"

In Münster, der angeblich lebenswertesten Stadt Deutschlands und dabei erzkonservativ, da, wo Mama und Papa ihre Kinder beruhigt studieren lassen, treiben sich PRESS GANG herum. Die sich dem Punk verpflichtet fühlen. Alte Schule, mehr 1977er Rabaukentum als poppig à la GREEN DAY.


Münster hat ja nicht gerade wenige Bands zu bieten. Euer Bassist Pogo spielt ja noch bei SHORT FUSE ... Warum habt ihr euch überhaupt gegründet?

Lennart: Ich habe 2006 SHORT FUSE in Amerika begleitet und das war jeden Abend so geil, da hab ich gedacht, eigentlich müsste ich so was auch machen. Pogo hat dann gesagt, das geht nicht ohne mich. Pogo kannte Julius und ich kannte den Großen schon vorher aus der Kurve von Preußen Münster und wusste, dass er Schlagzeug spielt. Na ja, dann haben wir uns getroffen und waren geil aufeinander.

Bei euch gehört ja auch eine gewisse Asigkeit dazu, gerade bei euren Live-Auftritten. Wie schwer ist denn da die Gratwanderung?

Lennart: Asi zu sein auf der Bühne heißt ja nicht, dass man nicht politisch sein sollte. Oder zumindest den kleinsten gemeinsamen Nenner trifft, der auf einer Punkshow möglich sein sollte, eben nicht mit Nazis abhängen. Aber das hat ja nichts damit zu tun, wie man sich sonst verhält. Wir können ja asi sein, ohne Nazis zu sein.

Lennart, ich will dir da nicht zu nahe treten, aber was gibt den Ausschlag, so die Sau auf der Bühne rauszulassen?

Lennart: Das soll überhaupt nichts. Aber was mich ankotzt, ist, dass immer alle so nett sind und so freundlich, und sich immer bedanken und dem Publikum und dem Veranstalter in den Arsch kriechen müssen. Ich finde das überhaupt nicht nötig. Man kommt irgendwo hin und kann dort Musik spielen, und für mich ist das auch eine Art Statement, dass man nicht mit allem einverstanden ist. Da hat man dann die 20 Minuten, in denen man durchdrehen kann. Wenn man dann hinterher damit konfrontiert wird, dass man nicht man selbst sei, dann ist das alles Bullshit. Wenn Pogo mal auf die Bühne kotzt ...

Pogo: Das habe ich nicht geplant!

Lennart: ... oder man sich anspuckt, dann passiert das mal so, aus der Sache heraus. Das war bei der ersten Probe schon so, dass wir uns angespuckt haben. Wenn man dann zusammen unterwegs ist, fallen die Hemmungen ganz schnell. Das ist ein wenig wie Klassenfahrt, man wird auch ein wenig rüpelhafter. Es ist auch oft so gewesen, dass wir mit Bands zusammen gespielt haben, die sich hinterher beschwert haben, dass der Verstärker nass ist oder die Bühne stinkt. Aber das waren meistens Straight-Edge-Bands.

Inwiefern färbt das Punkerleben auf euren Studentenalltag ab?

Pogo: Großen ist Working Class und Julius macht eine Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten.

Lennart: Das heißt, Julius geht viermal die Woche zu Schule und schwänzt dann. Pogo und ich haben so einen unregelmäßigen Stundentenalltag wie alle. Das heißt nicht, dass wir morgens um zehn schon unser erstes Bier saufen. Das Komische in Münster ist ja, dass es viele Leute gibt, die einen dann so sehen, wie man auf der Bühne war. Die verlangen von einem, dass man auch privat asi ist. Aber so ist das nicht. Nur weil man auf der Bühne so ist, heißt das ja nicht, dass wir bei uns in die Bude kotzen würden, da suchen wir uns lieber andere für aus.

Pogo: Also ich arbeite nebenbei im Jugendzentrum, bin angehender Sozialpädagoge und da ist es schon ein wenig anders. Da habe ich die Vorbildfunktion und muss 15-jährigen Kids auch Regeln zeigen.

Lennart: Vor dem Konzert in Ibbenbüren, wo Pogo auch arbeitet, meinte er zu mir: "Ey, Lennart, heute mal nicht so hart, ich arbeite hier!" Beim zweiten Lied habe ich ein Mikro in die Fresse bekommen und geblutet, da war dann alles hin.

Wie wichtig ist dir die Arbeit mit den Kindern, was gibst du ihnen weiter, Pogo?

Pogo: Also, es ist schon so, dass ich dort viel Kulturarbeit mit denen mache, das heißt also Konzerte und Musikworkshops. Klar, ich gebe denen Musik mit auf den Weg, die interessieren sich auch im weitesten Sinne für Rockmusik und dann fragen sie mich auch, ob ich da was habe. So trage ich mein Interesse an Punkrock weiter, das muss aber nicht zwangsläufig so sein. Es gibt auch Jugendliche, die haben damit nichts zu tun und das ist auch gut so. Ich habe da auch keinen Bock drauf, dass alle den Punk rauslassen, nur weil sie bei Pogo im Jugendzentrum waren.

Der Song "Shit City", bezieht der sich auf Münster?

Lennart: Ich glaube, der bezieht sich auf jede Stadt, in der man wohnt. Ich komme aus einem kleinen Kaff und wohne jetzt in Münster. Aber ich habe die Feststellung gemacht, dass man schnell an seine Grenzen kommt und schnell von irgendwelchen Dingen angenervt ist. Das spiegelt der Song auch wider, diese Lethargie, wenn man nicht viel vor hat, nicht viel zu tun hat. Ob eine andere Stadt besser ist, das ist gar nicht die Frage, aber man kann sich nur damit auseinander setzen, wo man gerade ist. Letztendlich ist der Text gegen jeden Ort gerichtet, der einen einengt. Wenn man sich die Textzeilen genauer durchliest, handelt der Song davon, gelangweilt daheim zu sitzen und zu wichsen.