NICK OLIVERI

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From Zero To Hero

Okay, ich habe also einen Interviewtermin mit Nick Oliveri. Ich bin ein großer Fan seiner Bands, von KYUSS und MASTERS OF REALITY, den DWARVES und natürlich QUEENS OF THE STONEAGE. Aber gerade deshalb kenne ich natürlich auch die Berichte über seine Eskapaden, Ausraster, Schlägereien etc., so dass ich mich frage, wie er wohl im Interview sein wird. Als ich ihn dann treffe, ist meine Aufregung direkt verflogen: er ist schmächtiger, als ich ihn von der Bühne zu kennen glaube. Als wir auf dem Sofa im Backstageraum des Kölner Prime Clubs sitzen, scheint er fast in seiner schweren Lederjacke zu versinken. Und er macht einen netten, fast schon schüchternen Eindruck, als ich mich mit ihm unterhalte.



Glaubst du, dass der Wechsel in der MONDO GENERATOR-Besetzung einen großen Einfluss auf den Stil der Band hatte?


Es ist das erste Mal, dass es sich wirklich wie eine Band anfühlt. Ian, den Gitarristen, kenne ich schon lange, wir haben in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern zusammen bei KYUSS gespielt und waren oft zusammen auf Partys. Spud spielt die Leadgitarre, er spielt anders als Ian, und wenn die beiden zusammen spielen, ist es ein ganz besonderer Sound. Ich finde es wirklich gut. Und Hoss ist ein hervorragender Drummer.



Wie haben die Fans auf das neue Album reagiert?

Es ist in den Läden leider nur schwer zu finden. Wir waren in den letzten Städten in vielen Plattenläden und haben es nicht gefunden, das ist seltsam. Aber die meisten, die es gehört haben, fanden es gut. Es ist einfach das, was ich machen musste, um über die Queens-Sache hinweg zu kommen und das für mich zu beenden.



Kannst du mir den Titel des Albums erklären?

Also, "Dead Planet/Sonic Slow Motion Trails" sind zwei Titel, weil ich mich nicht für einen entscheiden konnte. Er repräsentiert meine Welt, meine Gedanken. Meine Welt war tot, also könnte ich wieder bei Null anfangen. Und "Sonic Slow Motion Trails" steht für die Menschen, die an dir vorbeiziehen und dabei Spuren hinterlassen.



Ich habe gelesen, dass du in Europa bekannter bist als in Amerika. Ist das so? Wie erklärst du dir das?

Ich halte mich oder die Leute, die ich kenne, nicht für bekannte oder berühmte Menschen. Ich denke, dass die Bands und die Musik - und ich schätze mich glücklich, ein Teil davon zu sein - hier größeren Eindruck gemacht haben. Ich denke, das liegt daran, dass die Leute hier leidenschaftlicher mit Musik umgehen. Ich würde aber nicht sagen, dass die Leute in Amerika keine Leidenschaft für Musik haben, aber es gibt einfach viele Leute, die im nächsten Jahr wieder das nächste neue Ding gut finden. Und ich glaube, dass die Leute hier, wenn sie eine Band mögen, diese Band mögen, egal was kommt.



Du hast schon in so vielen Bands gespielt, doch wenn du dir aussuchen könntest, in welcher Band du wieder Mitglied sein würdest, welche wäre das?

Diese, mit der ich heute Abend hier spiele. Und ich werde das tun, es ist real und ich bin glücklich damit. Es ist eine gute Sache.



Was sind die Vor- und Nachteile daran, ständig mit verschiedenen Musikern zusammen zu spielen?

Es macht Spaß, ständig mit neuen Leuten zu spielen, aber es ist besser, eine feste Band zu haben. Um ehrlich zu sein, habe ich die Struktur einer Band immer vorgezogen. Bisher hatte ich immer so viel mit den Queens zu tun, dass MONDO GENERATOR immer als Nebenprojekt mitlief, und deshalb hatte Mondo auch nie eine Struktur, auf die man sich festlegen konnte. Ich hoffe, dass wir in dieser Besetzung ein neues Album aufnehmen, auf Tour gehen, und wieder ein Album aufnehmen können. Ich denke, das wird passieren.



Heißt das auch, dass du nicht mehr so viele Nebenprojekte haben wirst?

Ich hoffe, etwas für das neue TURBONEGRO-Album einspielen oder singen zu können, das demnächst in Oslo aufgenommen wird. Das ist kein wirkliches Nebenprojekt, aber es ist Musik, die ich wirklich sehr mag und gerne mache.



Was wäre passiert, wenn du niemals angefangen hättest, Gitarre zu spielen?

Oh, das habe ich immer noch nicht, ich tue nur so als ob, hehehe ... Nein, ich bin ein viel besserer Bassist. Ich habe angefangen, Bass zu spielen, als ich jünger war, weil ich heraushören konnte, was die RAMONES spielten. Mein Lehrer war das erste RAMONES-Album. Es ist sehr einfach, weil es so gemischt war, dass auf einem der Lautsprecher der Bass und auf einem die Gitarre zu hören war. Wenn die Musik nicht zu meinem Beruf geworden wäre, würde ich trotzdem Musik machen, neben meinem eigentlichen Job. Dann würde ich wahrscheinlich irgendwo im Rotlichtmilieu arbeiten. Ich würde doch niemals einen Job finden, aber hey, ich würde es versuchen ...



Bereust du es manchmal, dass du Musik als Beruf gewählt hast?

Nein, Musik ist meine Leidenschaft und ein gutes Ventil.



Wie wichtig findest du den Text für einen Song?

Ich denke, er ist genau so wichtig wie die Musik selbst. Ich mag auch akustische Musik, ohne Gesang, wir haben das oft mit KYUSS gemacht, uns einfach getroffen und gejammt. Das war toll.



Würdest du also sagen, dass deine Texte alle autobiografisch sind?

Na ja, ich würde sagen "I never sleep, I never eat" entspricht nicht so ganz der Wahrheit. Es geht einfach darum, Spaß zu haben. Es ist wichtig, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Es gibt so viele ernste Texte auf dem Album, da ist es gut, so was zum Ausgleich zu haben.



Meinst du, dass du ein Image aufrechterhalten musst?

Nein, ich versuche nur, ich selbst zu sein. Manchmal bau ich Scheiße und manchmal ... manchmal nicht. Ich muss niemandem etwas beweisen.



Du hast bei "Brats On The Beat" mitgemacht, einem RAMONES-Coveralbum für Kinder.

Nein, daran kann ich mich nicht erinnern ... Oh doch! Ja, das hab ich gemacht. Es ist für Kinder, damit sie die Möglichkeit haben, mit guter Musik aufzuwachsen. Vielleicht haben viele Kinder heutzutage nicht mehr die Möglichkeit, mit so was Großartigem wie den RAMONES aufzuwachsen, und ich denke, dass es wichtig ist, ihnen diese Möglichkeit zu geben. Ich habe "Suzy is a headbanger" aufgenommen, die endgültige Version habe ich aber selber noch nicht gehört, ich denke dass sie noch einen Kinderchor dazugemischt haben. Ich hoffe, es ist nicht zu cheesy. Jennifer von L7 hat mich gefragt, ob ich das machen würde, und ich hab gesagt: "Na klar, warum nicht!" Ich war sowieso zu Hause und es hat Spaß gemacht. Weißt du, für die Kinder bin ich doch immer da, hehehe ... Ich fände es toll, wenn Zehnjährige rumliefen und sagten "Yeah, RAMONES, Mann!". Rock'n'Roll ist wichtig und in den Staaten stirbt er gerade. Vielleicht stirbt er überall. In Amerika gibt es keine kleinen Szenen mehr, die ein paar coole Rock'n'Roll-Bands hervorbringen. Aber es scheint ein Kreislauf zu sein, dass alle paar Jahre ausgerufen wird "Rock is important again" und wenig später ist es dann wieder Disco oder HipHop oder so. Wobei HipHop immer wichtig bleiben wird. Er hat einfach ein Image, das die Kids immer wieder dazu bringt, sich dieser Musik zuzuwenden. Also, ich denke, dass es immer wichtig ist, den Kids Rock anzubieten.



Hast du jemals richtig singen gelernt?

Nein, ich lerne immer noch. Es ist wie mit dem Bass spielen: man kann immer dazu lernen, man kann niemals alles. Ich versuche zu singen. Ich schwitze und blute und treffe die falschen Töne, aber es ist, was es ist, es ist echt.



Aber du hast niemals Gesangsunterricht genommen?

Doch, der Lehrer hat mir gesagt: "Du musst nur so machen: Yeeeeeeaah!", hehe. Nein, nicht wirklich. Wenn du jeden Abend auf der Bühne stehst und spielst und singst, wirst du automatisch besser. Wenn du immer auf dem gleichen Level bleiben würdest, hätte es keinen Sinn.



Kannst du dich an Menschen erinnern, die dir etwas Wichtiges beigebracht haben?

Ich hatte eine Lektion bei Roy Willis, er hat mir alle Noten und ihre Bezeichnungen an der Gitarre aufgeschrieben und sagte zu mir: "Geh nach Hause und spiele die Noten den Gitarrenhals entlang und sag dir bei jeder Note, wie sie heißt". Das habe ich getan. Das war mein Musikunterricht. So habe ich die Noten gelernt. Das hat mir sehr geholfen. Ich war damals elf oder zwölf.



Wie bereitest du dich auf die Show vor? Gibt es spezielle Rituale, die du mit der Band machst?

Manchmal gehe ich vor einem Auftritt spazieren. Es ist manchmal ganz gut, um einen klaren Kopf zu kriegen. Hier ist es mir aber ein bisschen zu kalt dafür. Außerdem trinke ich ein paar Bier oder so. Das alles hilft mir dabei, lockerer zu werden. Ich gehe nicht immer spazieren und ich trinke nicht immer Alkohol vor der Show, es ist also kein Ritual oder so. Wir sammeln uns aber immer und wünschen uns eine gute Show und geben uns die Hände. Denn auf der Bühne spielen wir alle zusammen, wir sind wie ein Team. Es fühlt sich einfach gut an, wenn man Leute hat, die neben einem stehen und auf die man sich verlassen kann. Das ist gut. Ich würde sagen, das ist unser Ritual. Haha, wir sollten anfangen, das zu tun, das wäre toll! Nein, wir wünschen uns allen eine gute Show, bevor wir auf die Bühne gehen. Das ist wichtig.



Erinnerst du dich an das erste Album, das du gekauft hast?

KISS, "Destroyer" oder die VILLAGE PEOPLE oder so was.



Wirklich?

Ja, so was in der Art, ich muss das leider zugeben. Um ehrlich zu sein, höre ich die VILLAGE PEOPLE nicht mehr. Aber KISS waren großartig und sind es noch. Ich mag KISS. Aber ich würde meiner Nichte auch nicht erzählen, dass die BACKSTREET BOYS scheiße sind. Obwohl ich das finde. Aber ich denke, in einem Jahr wird sie selber darauf kommen. Aber so was hält dich an Kunst und Musik und das würde ich niemals unterdrücken. Als Kind habe ich also die BACKSTREET BOYS meiner Zeit gehört, und das waren die VILLAGE PEOPLE. Sorry, aber die sind kacke! Okay, ich mag sie. Verdammt.



Was ist die beste Punkrockplatte aller Zeiten?

"YMCA" von den VILLAGE PEOPLE. Wenn das mal keine Attitüde hatte, dann hat sie niemand. Ähm, die beste Punkrockplatte? Ich weiß nicht, vielleicht "Damaged" von BLACK FLAG. Das Album hat einen Standpunkt und das finde ich das Wichtigste im Punkrock: eine Einstellung zu haben. Es geht nicht darum, wie eine Band aussieht oder so. Ich find es wichtig, dass es glaubwürdig klingt. Singen sie über etwas, das sie anpisst? Kommt das rüber? Oder über etwas, das sie mögen? Kommt das rüber? Glaube ich daran, überzeugt es mich?



Hast du eine Idee, was nach deinem Tod passieren soll und wie du den Leuten in Erinnerung bleiben willst?

Äääh, ich weiß nicht. Ich hab nie wirklich darüber nachgedacht, wie die Abfälle beseitigt werden, wenn man tot ist. Ich weiß nicht. Ich nehme das, was am billigsten ist.