DUB TRIO

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Freunde der Handarbeit

Handgemachter Dub, freihändig live reproduziert, das klingt wie ein Oxymoron, und doch ist es keines, zumindest nicht, wenn man von DUB TRIO spricht, jener instrumentalen Ausnahmeformation aus Brooklyn, die 2004 mit "Exploring the Dangers of" ihr erstes Album auf ROIR veröffentlichte und sich der Nachempfindung des Studio- bzw. Remixproduktes Dub mit den (anderen) musikalischen Mitteln einer Rockband. verschrieben hat. 2006 erreichten sie mit der Mike Patton-Coop "Not alone" erstmals ein etwas größeres Publikum, und Dave DP Holmes (guitar, keyboards), Stu Brooks (bass, keyboards) und Joe Tomino (drums, melodica) sind die Beteiligten, auch auf dem aktuellen Werk, dem auf Ipecac erschienenen "Another Sound Is Dying". Ich unterhielt mich mit dem Trio vor ihrem Konzert in Köln, auf einer Tour, die als befreiender Ausgleich zum Einerlei des "Mietmusikers" angesehen wird, denn als solche verdingen sich Stu, DP und Joe, etwa mit 50 Cent, Tupac Shakur, Macy Gray, Mos Def oder FUGEES.


Wie kommt man auf die Idee, einen eng mit Studioarbeit verbundenen Musikstil wie Dub live nachspielen zu wollen? Und wie setzt man das um?

Joe: Man setzt das um, indem man auf der Bühne mit einer Menge technischem Schnickschnack arbeitet. Dave verbringt die Hälfte des Konzertes auf seinen Knien, weil er an den Effektgeräten herumschraubt, Stu wendet die meiste Zeit dem Publikum seinen Rücken zu, weil er an irgendwelchen Knöpfen herumdreht, und ich trommle die meiste Zeit mit einer Hand. Man muss also seine Zeit gut einteilen. Ein wirkliches Konzept, eine ursprüngliche Idee gibt es bei unserer Band nicht, es hat sich einfach so ergeben. Wir spielten zusammen, experimentierten mit Grooves und Effektgeräten, leiteten beispielsweise ein Drum-Mikro durch eines von Daves Gitarren-Pedals. Das war so was wie der Beginn von DUB TRIO.

Dave: Von da an entwickelte sich das einfach weiter. Wir probierten die verschiedensten Sachen aus, beschafften immer mehr Equipment, und das hatte vielleicht auch was damit zu tun, dass wir von der normalen Art des Musikmachens etwas gelangweilt waren. Und so wurde es für uns wieder spannend. Und man lernt eine Menge über Multitasking, haha.

Habt ihr euch in eurem Tun von irgendeiner Band inspirieren lassen?

Joe: Wir kopieren nichts bei niemandem. Wie wir heute wissen, haben sich auch andere schon auf diesem Gebiet versucht, aber von denen wussten wir nichts, als wir damit anfingen.

Und wann seid ihr erstmals mit Dub in Berührung gekommen?

Joe: Bei mir war das in der Highschool ein Mixtape.

Stu: In den Neunzigern stand ich total auf Drum&Bass, und als ich dann 2000 Joe traf, brachte der mich auf King Tubby.

Dave: Joe kopierte uns das Mixtape, das er einst bekommen hatte. Wir spielte damals zusammen in einer Band, deren Name hier nichts zur Sache tut.

Was fasziniert euch an eurer Musik, an Dub?

Stu: Die Subtilität, die Liebe zum Detail, die Feinheiten der Soundmanipulation. Der simple, fette Bass.

Dave: Ich war mit einer anderen Band vier Wochen im Vorprogramm der WAILERS unterwegs und sah da jeden Tag Family Man spielen. Und das hat wirklich meine Karriere verändert. Nach dieser Tour spielten wir ein Konzert, erstmals unter dem Namen DUB TRIO, und das war so der richtige Beginn der Band

Joe: Für mich macht den Reiz die klangliche Qualität von Dub-Platten aus. Die frühen Aufnahmen sind oft richtig LoFi, wurden mit minimalem Equipment eingespielt, aber dennoch schufen sie damit diesen erstaunlichen, mächtigen Sound, der so viel Präsenz und Leben zeigte. Bass, Drums, Reverb, das war für mich das Beste, was ich jemals gehört hatte. Diese Typen damals waren die Ersten, die Remixe machten, und wenn man sich heute diese alten Aufnahmen anhört, wird man Zeuge der Geburt eines neuen, nie zuvor gehörten Musikstils.

Dave: An unserer Musik gefällt mir, dass wir eigentlich jeden Abend einen neuen Remix eines einmal geschriebenen Songs abliefern. Und das macht großen Spaß, wir können den Song bei jedem Konzert verändern, während das Stück auf einem Album für immer so festgehalten ist, wie es an jenem Tag im Studio geklungen hat.

Was ihr tut, ist denkbar weit entfernt von den Konventionen der Rockmusik, wo in der Regel möglichst exakt ein einmal festgelegtes Stück nachgespielt wird.

Joe: Das Ding ist, dass wir ja zu Beginn nicht gerade Rockmusik spielten - das kam erst später. Rock war also nicht unser Fundament, der schlich sich einfach nach und nach in unseren Songwriting-Prozess ein. Unsere Musik besteht einfach zu einem großen Teil aus Improvisation, und da haben wir schon den Gegensatz zu einem zweiminütigen Punk-Song: Wo willst du bei dem improvisieren? Vielleicht ein kleines Gitarrensolo, aber das ist es schon. Wir hingegen haben jeden Abend viel Raum für Improvisation, der bei Rockmusik im allgemeinen nicht vorhanden ist. Aber Soli gibt es bei uns nicht, deren Rolle übernehmen die Effekte.

Ist es für euch als Musiker dankbarer, so was spielen zu können anstatt standardisierte Rock-Nummern?

Stu: Musiker ist ja auch nur ein Beruf, und um überleben zu können, muss man als Musiker oft in Bands spielen, deren Musik einem nicht viel bedeutet - man ist "a hired gun". Und bei DUB TRIO sind wir genau das nicht, wir haben hier die absolute Kontrolle. Wir kommen mit unserer Musik über die Runden, das ist okay, denn es gibt nichts Schlimmeres, als jeden Abend mit einer Band auf der Bühne zu stehen und immer wieder das Gleiche zu spielen zu müssen.

Dave: Wir machen genau das, was wir wollen, und das ist sehr befriedigend. Es gibt keine Grenzen, die wir uns auferlegen, und wir versuchen auch nicht, Popsongs zu schreiben oder so einen Scheiß. Da widert mich an!

Joe: Und es gibt auch keine textlichen Inhalte, keiner versucht dir zu erzählen, wie du dich zu fühlen hast. Und die Plattenfirma redet uns auch nicht rein, wir sind also in einer sehr glücklichen Situation.

Nachvollziehbar - dennoch macht man es sich mit so einer Einstellung und Platten wie euren nicht gerade einfach. Über Radio-Airplay muss man da sicher nicht viel nachdenken.

Dave: Ich verspüre gar nicht das Bedürfnis, im Radio gespielt zu werden. Ja, coole Sender, ein paar College-Stationen, die spielen uns, aber sonst keiner. Ansonsten hasse ich das ganze Medien- und Entertainmentgeschäft. Wenn du in den USA in einer Band spielst, bekommst du ständig gesagt, du müsstest wie Britney Spears, Avril Lavigne, RED HOT CHILI PEPPERS oder irgendwelche Emopop-Bands klingen. Davon wird mir schlecht, ehrlich.

Die Musik, die ihr spielt, wird meist von schwarzen Musikern gespielt. Nun seid ihr nicht nur Weiße, ihr seid auch noch eine Dub-Band, unterscheidet euch also gleich in zweierlei Hinsicht von den Genre-Standards. Werdet ihr denn in der Dub-Szene akzeptiert?

Dave: Also, wichtig ist schon mal, dass wir keinen Sänger, keine Texte haben, und entsprechend auch nicht predigend auf der Bühne herumlaufen und "Jah! Rastafari!" rufen. Und wir spielen ja keinen Reggae. Wir tun ja auch nicht so, als kämen wir aus Jamaika. Wir spielen einfach nur einen bestimmten Musikstil, der eben eine ganze Menge mehr ist als Reggae.

Stu: Wir haben auch schon Konzerte mit Reggae-Musikern wie Capleton, Yellowman und den WAILERS gespielt, und wenn man sich dann mal etwas umhört, bekommt man mit, dass man von denen durchaus Anerkennung bekommt, und das ist schon befriedigend.

Joe: Wir machen mit Dub eben etwas, was sonst keiner macht: Wir bringen diese Musik auf die Bühne, denn das ist selten in der Reggae-Szene, dass jemand Dub mal live auf einer Bühne macht. On-Stage-Dubbing ist also noch eine absolute Ausnahmeerscheinung, man kennt Dub auf einer Bühne ja sonst nur als eine Mischung mit Punk, Rock oder Metal. Und entsprechend wird schon anerkannt, dass wir da was Neues, Einzigartiges tun.

Wie vertraut wart ihr denn zu Beginn mit Bands wie THE CLASH oder RUTS?

Joe: Klar kannten wir THE CLASH, aber THE SLITS, BLONDIE, BAD BRAINS - das war nicht unser musikalischer Background. Wir kannten uns also nicht so gut aus wie heute, denn in den letzten zwei Jahren haben uns viele Leute Tips zu Bands gegeben - oder wir lasen in Reviews: "DUB TRIO klingen wie Soundso." Meist sagten wir: "Wer zur Hölle soll das sein? Kennen wir nicht!" Wir haben uns dann schlau gemacht und mussten oft zugeben, dass die Leute durchaus Recht haben. Aber wir haben uns nie an irgendeiner anderen Band orientiert.

Und wie seid ihr auf euer erstes Label ROIR gestoßen - oder haben die euch gefunden?

Stu: Durch Badawi, der auch bei ROIR ist. Er sah eines unserer Konzerte, erzählte Lucas Cooper von ROIR von uns, der kam zu einem Konzert, und dann kam eines zum anderen.

David: Wir kannten das Label vorher nicht, das war also reiner Zufall. Und es war dann auch ein Experiment, ein Album aufzunehmen, denn bis dahin hatten wir unsere Musik ja nur live gespielt.

Stu: Der Aufnahmeprozess war eine ganz neue Erfahrung, denn wir konnten die Effekte, anders als bei den Konzerten, ja erst im Nachhinein hinzufügen. Es machte aber großen Spaß.

Und wie kam dann die Verbindung zu Mike Patton zustande, aus der die "Not Alone"-Single mit ihm als Sänger hervorging?

David: Lucas kam mit der Idee an, es vielleicht doch mal mit einem Gastsänger zu versuchen, aber wir waren da sehr zurückhaltend - aber auch neugierig. Also machten wir eine Liste von Namen, Lucas schlug Patton vor und wir stimmten zu. Ich war auch Fan von MR. BUNGLE.

Joe: Die kannte ich kaum, aber ich hatte FANTÔMAS zufällig mal gesehen: Dave von SLAYER sagte mir was, die MELVINS nicht, Mike Patton kannte ich, MR. BUNGLE nicht, aber es war großartig. Mike ist großartig, eine echte Inspiration: Seit seinen Teenagerjahren hat er immer exakt das getan, was er wollte, hat sich seine Integrität bewahrt. Mit seinem eigenen Label bringt er jetzt die Bands raus, an die er glaubt, wächst als Künstler immer noch - und ist auch noch ein netter Kerl.

Besten Dank. Sonst noch was?

Stu: Lasst nachts keine Kerzen brennen. Ich bin heute morgen im Hotel von einem brennenden Kopfkissen geweckt worden, habe mir die Finger und den Fuß verbrannt, und durfte einige Euro im Hotel lassen für den Schaden.