GUZ

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Kulturfestival zerdeppern

Olifr M. Guz aka Oliver Maurmann, den meisten wohl auch als Sänger der AERONAUTEN bekannt, hat mit seinem Soloprojekt GUZ schon beinahe so viele Alben wie mit seiner Band veröffentlicht. Bestand der Charme der Frühwerke - neben den unglaublichen Hits - vor allem in der typischen Lo-Fi-Quälität, die in Küchen und Kellern aufgenommener Musik eben anhaftet -, hat GUZ sich über die Jahre einen sehr eigenen und doch eingängigen Rock'n'Roll-Sound erschaffen, dem man die Nähe zu Bo Diddley, den MONKS und Billy Childish zwar immer anhört, der aber besonders durch die originellen deutschen Texte besticht. Anlässlich des Konzertes in der "hippen" Berliner Bar Luzia hab ich mich mit ihm über sein neues, mittlerweile fünftes Album "Mein Name ist Guz" unterhalten.


Der Titel deiner aktuellen Platte, "Mein Name ist Guz", klingt nach einem selbstbetitelten Album - normalerweise machen Bands das, wenn ihnen nichts mehr einfällt, oder wenn sie einen radikalen Stilwechsel vollziehen. Beides ist bei dir ja nicht der Fall.

Der Titel stammt eigentlich von einem Kinderbuch - "Mein Name ist Eugen". Ein Schweizer Kinderbuch, das kann man hier nicht kennen. Vor zwei, drei Jahren gab es das auch als Film, aber das Kinderbuch ist aus den 50ern. Sehr schön, wenn du es mal irgendwo siehst, unbedingt kaufen. Und "Mein Name ist Guz", da dachte ich mir, das müsste man sich eigentlich mal merken, weil mir der Bezug gleich gefallen hat, als mir das in den Sinn gekommen ist. Aber es stimmt, das klingt ein bisschen nach GUZ mit der neuen CD "Guz".

Du benutzt in deinen Texten viele Klischees und Alltagsphrasen, so dass nie ganz klar ist, wer da eigentlich spricht.

Ich spreche auch oft aus einer anderen Perspektive. Ich nehme gerne andere Positionen ein, zum Beispiel in dem Song "Second Hund", wo ich mir vorstelle, ich wäre der Hund von jemand. Oder "Primitiv", das ist einfach nach einem Gary Larson-Comic. Larson ist ein amerikanischer Comic- oder Cartoon-Zeichner, und der hat immer ganz bestimmte Schauplätze, eines ist Alltagsleben, der zweite Schauplatz ist die Hölle, Neu-in-der-Hölle-sein und sich dort erst einmal zurechtfinden müssen, und der dritte ist die Steinzeit. Und sein Witz ist natürlich immer der, dass wir modernen Menschen jetzt plötzlich in der Steinzeit wären beziehungsweise die Steinzeitmenschen verhalten sich wie wir. Ein wichtiger Einfluss sind auch Zeitung und Radio. Ich höre mehr oder weniger den ganzen Tag Radio und da auch nur Inforadio, keine Musik. Aktuelles Geschehen interessiert mich immer, deswegen kommt dann auch immer wieder: "Klimawandel, Klimawandel, die Welt ist längst vergurkt." Und ein weiterer Einfluss sind englische Texte. Es ist ja bei SUPERPUNK so, dass Carsten einen ganzen Haufen Songzeilen aus irgendwelchen Soul-Nummern klaut, und so mache ich das auch. Zwar nicht mit Soul-Nummern, aber halt aus allem möglichen: "Boogie Woogie kommt in die Stadt, Boogie ist hier zum Stehen", so leicht merkwürdige Adaptionen.

In vielen Stücken gibt es auch so einen meist kritischen Blick auf Hochkultur oder bürgerliche Kultur, oder ganz konkret auch auf Lehrer.

Ja, das ist wegen meines Sohns, der ist elf, und seit der in der Schule ist, sind "die Lehrer" mir wieder zur Hassperson geworden. Aber das darf ich ihm natürlich nicht so offen sagen, da mache ich dann lieber ein Stück, wo ein Lehrer drin vorkommt. Wie auch jemand aus dem Café Mocca in Thun mal den schönen Satz geprägt hat: "Weißt du, wenn die Lehrer was anfangen, dann geht es schief."

In Stücken wie "Kein Geld" oder auf der neuen Platte mit diesem Kulturfestival beziehst du dich auf ein bestimmtes Künstlerbild. Siehst du dich als typischen "Künstler"?

Nö, also wenn ich als GUZ auftrete, sehe ich mich eigentlich als Unterhaltung, in irgendeiner Art. Als Künstler eher nicht. Aber es ist natürlich so, dass man automatisch in diese Schiene reinkommt oder reingestellt wird. Das liegt daran, dass ich auch noch Theatermusiker bin. Und da ist natürlich die Devise "Kultur, Kultur, Kultur". Ich bin da halb Musiker, halb Schauspieler und da kommen wir mittlerweile erstaunlich weit herum. Bisher waren wir in Österreich, Deutschland, Irland, Schottland, England, Russland, und jetzt im Sommer gehen wir nach Sydney und im November noch einmal nach Moskau und im Januar in die USA. Das hätte ich nicht gedacht, als ich das angefangen hatte. Und wenn man eben so ein bisschen am Rand von dieser Kulturszene rumgurkt, dann steht einem das irgendwann bis hier, weil irgendwelche Leute sich ständig auf die Bühne stellen und erzählen "Kultur ist so toll, Kultur ist so schön, blablabla." Und wenn du da selber mit drin bist, dann kommt dir das gar nicht so vor, weil das, was diese Leute als Kultur wahrnehmen, vor allem eine Selbstunterhaltung ist. Egal ob das jetzt GUZ oder Theater ist, es geht in erster Linie darum, dass ich mich selbst unterhalten muss, dass ich selber Spaß daran habe. Und wenn ich daran Spaß habe, überträgt sich das auch auf andere.

Bei "Scheißlied" klingt das so durch, dass Musik noch kritisch oder subversiv sein könnte, aber dass du der Einzige bist, der das darf ...

Dass ich der Einzige bin, der das jetzt muss! Das gehört jetzt quasi noch zum Thema Unterhaltung, denn Unterhaltung schließt "subversiv sein" natürlich ein. Das widerspricht sich meiner Meinung nach gar nicht. Und wenn du dir da mal die Welt der normalen Leute anschaust und da all diese netten, hübschen, schönen Sachen laufen, die Musik und was die so lesen, da muss dann eben mal jemand ein "Scheißlied" singen. Ich lese etwa drei Bücher die Woche, Sachbücher, keine Romane. Da ist vor allem Politik und Zeitgeschehen drin, da interessiert mich auch immer wieder der Rand, der verrückte Rand der Gesellschaft. Zu jedem Thema gibt es ja irgendeine verrückte Gegentheorie. Mich interessiert in der Musik immer so ein bisschen der verrückte Anteil. Ich will jetzt nicht sagen, dass meine CD total durchgedreht ist, aber irgendwo ist immer noch etwas Merkwürdiges drin. Das ist auch das, was mir daran Spaß macht, das komische Zeug, der Außenseiterkram, der komische Satz, der jetzt auch noch kommt. Wo man jetzt vielleicht auf Anhieb erst einmal nicht begreift, was das soll, aber der einem dafür Spielraum in der Phantasie lässt.

Als große Einflüsse kann man bei dir ja die MONKS oder Billy Childish nennen.

Nimm ruhig noch Bo Diddley dazu, der spielt ja auch auf der CD ein Stück mit, die Gitarre von "Going down the river" - natürlich war er nicht bei mir im Studio. Aber ich hab den mal live gesehen, das ist natürlich ganz große Schule, was der macht. Echt der faulste Sack, den es auf der Bühne gibt. Der kommt erst nach zehn Minuten auf die Bühne, hinter ihm spielt so eine Hardrock-Band, winkt mal nach da, dann nach da, dann macht er erst einmal nicht viel. Dann spielt er kurz "Roadrunner" an, dann ist wieder fünf Minuten Winke-Winke angesagt, bevor er mal singt. So geht das dann 40 Minuten und in der Zeit kriegt er es hin, etwas drei, vier Stücke zu spielen, das ist ein Riesenspaß, ein super Entertainer ...

Du bist ja kein fauler Sack. Wo ist denn die Grenze zwischen GUZ und den AERONAUTEN?

Ja, die ist eher verschwommen. Die ist eher in der Machart zu suchen, als in dem, was man hört. AERONAUTEN sind eine Basisdemokratie, wo irgendwann jeder seinen Senf dazugibt, ich komme an mit einem Text und vier, fünf Akkorden und dann denkt sich jeder was dazu aus, und was am Schluss dabei rauskommt, das ist aus dem Kollektiv heraus entstanden. Und GUZ ist halt mein privater Spielplatz. Ich habe ja ein eigenes Studio, und wenn die Band da raus ist, mach ich halt meine Sachen. Jetzt auf der GUZ-Tour sind wir aber auch die halben AERONAUTEN.