I WALK THE LINE

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Surfen auf der schwarzen Welle

Viele einleitende Worte über I WALK THE LINE soll es nicht geben. Nach der tollen Single "Diamond Eyes" ist die Band mit ihrem dritten Album "Black Wave Rising" drauf und dran, den sicheren Punkrock-Hafen zu verlassen und neue musikalische Gewässer zu erobern, denn man zeigt sich ungemein stimmig, spielfreudig - und vor allem eigenständig! Auf der "schwarzen Welle" finden sich definitiv ihre bisher besten Songs, woran die frische New-Wave-Komponente wohl den größten Anteil hat. Diesen Entwicklungssprung hätten der Band wohl nur wenige zugetraut, wähnten sie schon im weiten Meer der Punkrock-Belanglosigkeit untergehen. Beeindruckt vom neuen Album, schickte ich also im Frühjahr etliche Fragen gen Finnland, wozu Jani (Gitarre), Antti (Gitarre) und Ville (Gesang, Bass) umfassend Stellung nahmen. Zudem traf ich die Band auf ihrer Kurztour im Mai, wo sich die Nordländer als sehr sympathische Menschen entpuppten. Und wer bereits um die Qualitäten der fünf Finnen weiß, wird eh schon heiß auf die kommenden Gigs im Spätherbst sein. Alle anderen werden intensive Abende und eine gereifte Band erleben.


Wie surft es sich auf der "Black wave"? Ich nehme an, mit eurer neuen Platte seid ihr zufrieden.

Ja, es ist das erste Mal, dass ich das wirklich ehrlich sagen kann und nichts mehr daran ändern will - es ist, wie es sein sollte! Cool ist auch, dass viele andere Leute genauso darüber denken. Wir haben bis jetzt kein schlechtes Wort darüber gehört. Einige ältere Fans erzählten uns, sie wären anfangs über den Sound des Albums ein wenig geschockt gewesen, mittlerweile aber total begeistert. Auch haben wir von Leuten gehört, denen die ersten beiden Alben nicht so zusagten, die das neue richtig toll finden. Für die älteren Fans ist es eine gewisse Umstellung, denn es ist schon anders als die Vorgänger. Ich denke, es ist mehr Punk und viel energischer, genauso wie es auch mehr Pop-Elemente besitzt. Wir haben gerade die Release-Tour in Finnland hinter uns und es war großartig. Viel mehr Leute auf den Shows, viele neue Gesichter, die die Texte mitgesungen haben. Die neuen Songs funktionieren live einfach besser, es gibt mehr Bewegung, wenn wir spielen. Die alten Sachen waren atmosphärischer, so dass die Leute uns oftmals starr gegenüber standen, uns eher beim Spielen zuschauten. Auch die finnischen Medien sind sehr interessiert an uns, wir haben etliche Interviews geben müssen, haha. Auch TV- und Radiospots hat es gegeben und "Black wave" wurde als "Powerplay-Song der Woche" in Finnlands größtem Radiosender gespielt. Also sehr verrückt für eine Punkband in einem Heavy-Metal-Land! Auch in anderen Ländern gab es viel positives Feedback, Reviews in mehr Fanzines als zuvor. In einigen bekam das Album höchste Punktzahlen und einige Magazine in England sprachen gar von einem Kandidaten für "das beste Rockalbum des Jahres"! Also, wir sind mehr als glücklich über all das und es macht richtig Spaß, die neuen Songs live zu spielen, die rocken dann noch besser als auf Platte. Wir haben nun eine richtig coole Setlist mit den "alten" Hits und den neuen Sachen. Wir sind definitiv bereit für die Bühnen dieser Welt!

"Black Wave Rising" sprüht vor Energie und Spielfreude, eure Texte sind jedoch eher persönlich und melancholisch, voll innerer Zerrissenheit und stetiger Suche nach Hoffnung. Habt ihr bewusst versucht, diese beiden Pole zu vereinen, aus welchen Erfahrungen heraus sind die Songs entstanden?

Wir haben versucht, das Live-Feeling auf das Album zu bekommen - wir sind in erster Linie ein Live-Band - und ich denke, wir haben die Freude am Spielen gut eingefangen. Die Texte mögen auf den ersten Blick melancholisch anmuten, aber in der Tiefe finden sich eine Menge Hoffnung und positives Denken. Einige Texte handeln von Veränderung, Verlust und dem Überwinden und sind in ihrer Art wie Überlebensstorys. Ich weiß, dass die Texte oft "schwere Kost" sind, aber sie beschreiben meinen Alltag - solche Gefühle können nicht ignoriert werden! Und Songs darüber zu schreiben, macht es für mich leichter, in der Realität damit umzugehen. Bei den vorangegangenen Alben lag der Focus auf persönlichen Lyrics, aber jetzt gibt es auch Songs über das, was in der Welt passiert, was ich sehe und erlebe: Gewalt gegen Frauen, Existenzangst und unsere scheinheilige, korrupte und künstliche Welt. Ich denke, die Texte reflektieren unser Leben mit all seinen verschiedenen Seiten und jeder Song gibt diese Gefühle auf verschiedene Art wieder. Manchmal bist du depressiv, dann wieder total glücklich und manchmal genau dazwischen - das ist diese Gemeinsamkeit, die alle Songs miteinander verbindet.

Ein starker New-Wave-Einfluss ist nicht zu leugnen, gibt euch eine eigenständige Note. Wolltet ihr schon immer in diese Richtung?

Ja, wir hatten das Gefühl, ein anderes Album, als das vorige machen zu müssen, haben versucht, es mit neuen Ideen für alle so inspirierend wie möglich zu machen. Wir haben uns darauf konzentriert, was wir am besten können, und uns keine Gedanken über Einflüsse gemacht. Einige New-Wave-Sounds passierten eher zufällig, als wir letzten Sommer ein neues Studio ausprobierten und wir nach einigen Keyboardsounds suchten. Unsere Orgel klang irgendwie nicht richtig "fit", glücklicherweise fanden wir in einer Ecke einen verstaubten Roland-Juno-Synthesizer, probierten einfach mal damit herum. Anfangs klang es wirklich dämlich, aber dann dachten wir, es rockt höllisch und gibt unserem Sound etwas absolut Frisches und Neues! Während der Aufnahmen zum Album, haben wir nicht wirklich darüber nachgedacht, was irgendwer davon halten könnte und ob der Sound nun zu einem bestimmten Genre passt oder nicht, wir haben uns einfach auf die beste Musik, die wir machen können, konzentriert, so viel wie möglich probiert. Wir hatten im Studio diesmal richtig Zeit, so dass wir so viele verschiedene Sounds, Einstellungen und Dinge testen konnten, wie nie zuvor. Es ist wie eine Wiedergeburt, wir haben uns und unsere Musik komplett hinterfragt und wollten einfach die größtmögliche Ehrlichkeit, Tiefe und "uns selbst" aus den Songs herausholen! Es ist ein befreiendes Gefühl, aus dem eigenen Käfig ausgebrochen zu sein - einfach zu spielen, was wir alle mögen, egal, was andere denken!

Wer zeichnet für euer Artwork verantwortlich, was soll es transportieren?

Ich, Antti, bin für das Artwork verantwortlich! Schon zu Beginn hatten wir immer Spinnen, Skorpione und so weiter auf T-Shirts und Postern. Als wir dann anfingen, unsere Aufnahmen zu veröffentlichen, blieben diese Elemente einfach bestehen, jetzt erweitern wir diese Thematik eben um Haifische, Schimpansen und so weiter. Es ist mittlerweile wie ein Markenzeichen für uns! Am Anfang war es für mich einfach etwas "Frisches", weil ich von den ganzen Totenköpfen und dem ganzen stereotypen Kram im Punkrock gelangweilt war. Ich denke, einiges ist schon cool, ich benutze es ja auch für meine Grafiken, aber in den Jahren sind all diese üblichen Designs wohl ein wenig zu inflationär verwendet worden. Tiere grafisch zu verwenden ist nichts Neues, aber für mich hat es eine Menge an neuer Inspiration bedeutet.

In Finnland habt ihr gute Erfolge feiern können, auch andere Combat Rock Industry-Bands sind prominent in den Hitlisten vertreten. Wie reagiert die "normale" Bevölkerung/Medienlandschaft auf euch, auf echte Underground-Bands, vor allem auf Texte und Erscheinungsbild?

Nun, es scheint, als sei diese Art von Punk gerade hip in der Indie/Hipster-Szene, sogar in den Mainstream-Medien! Einerseits ist es nicht so überraschend, ich meine, unsere Musik ist so melodiös, dass du nicht wirklich in der Punk-/HC-Szene sein oder etwas darüber wissen musst, um sie zu mögen. Auch sind die Texte eher persönlich, ohne zu radikale Inhalte. Das alles ist aber einfach nur, wie wir wollen, und immer schön, wenn sich Leute dafür interessieren, weißt du? Vielleicht ist der Hype bald vorbei, aber ich mache mir keine Gedanken darüber. Wir, und alle Combat Rock-Acts haben das schon gemacht, bevor irgendwer einen Dreck dafür gegeben hätte. Wir werden das so lange machen, wie es für uns interessant ist, egal, was wer darüber sagt.

Bleiben wir in Finnland, genauer bei der finnischen Sprache. Habt ihr schon mal mit dem Gedanken gespielt, Songs in eurer Muttersprache zu verfassen?

Bis jetzt habe ich noch nie darüber nachgedacht, einen finnischen Text zu schreiben. Irgendwie ist es leichter, mich in Englisch auszudrücken. Ich habe es immer auf diese Art gemacht und nahezu alle Bands, die ich höre, singen auf Englisch, so dass es für mich normal ist, englische Texte zu verfassen. Wir haben die Band auch mit der Absicht gestartet, so viel wie möglich in der Welt aufzutreten, da spielt Englisch natürlich eine gewisse Rolle. Für mich sind überhaupt Texte ein sehr wichtiger Part der ganzen Musik und wir wollen natürlich überall verstanden werden! Na, und Finnisch ist wirklich eine "steife" Sprache, die Wörter sind sehr lang und sie klingen einfach nicht so gut - es bedarf einer gewissen Art von Musik, aber das ist definitiv nicht unsere.

Mit MANIFESTO JUKEBOX und ENDSTAND sind Bands aus eurem direktem Umfeld seit kurzem leider Geschichte. Wie versucht ihr, diesem Schicksal zu entgehen?

Bei einer aktiven Band wie unserer bist du mit fünf Menschen verheiratet. Alles basiert auf Vertrauen und Freundschaft. Es muss auch die Möglichkeit geben, Probleme zu bewältigen. Natürlich gibt es harte Tage und du fühlst dich echt scheiße, es kann aber auch alles riesigen Spaß machen! Du musst in der Lage sein, innerhalb der Band Kompromisse zu machen, denn wir sind alle individuelle Charaktere mit unterschiedliche Bedürfnissen. Es hilft auch, sich auf mögliche Situationen einzustellen, nicht alles zu ernst zu nehmen oder die Erwartungen zu hoch zu schrauben. So sind dann all die guten Dinge, die passieren ein echter Bonus - wir können dann richtig feiern. Und wir versuchen stets, unsere musikalischen Grenzen zu sprengen, das ist erst der Beginn unserer Reise durchs Musikuniversum, haha. Wir machen so lange weiter, bis es nichts mehr zu entdecken gibt, sei es persönlich, oder musikalisch - ich denke, wir werden noch eine Weile hungrig sein!