NO TURNING BACK

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We're all in this together

Mitte Mai 2008. Draußen brannte die Sonne, als ob schon der Hochsommer begonnen hätte. Eigentlich viel zu heiß für ein Hardcore-Konzert in einem kleinen, stickigen Club in Paderborn. Trotzdem freute ich mich auf den Abend und das Interview mit dem Headliner des Abends, NO TURNING BACK, die zusammen mit DOWN TO NOTHING gerade auf Europatour waren. Der Hitze angemessen, traf ich die Band fußballspielend in Flip-Flops und bewaffnet mit überdimensionalen Wasserpistolen vor dem Club. Gut gelaunt wurde ich von allen empfangen, zum anstehenden Interview aber im brütend heißen Van blieb mir nur der aus dem niederländischen Den Bosch stammende Sänger Martijn als überaus netter Gesprächspartner, während der Rest der Band lieber weiterhin draußen Fußball spielte. Wir sprachen unter anderem über das neue Album "Stronger", das Verhältnis der Amerikaner zu amerikanischen und europäischen Bands, Tattoos und das neue Video der Band ...


Wie würdest du die Szene bei dir zu Hause beschreiben, im Vergleich zum Beispiel mit Maastricht, der Heimatstadt von BACKFIRE?

Ich denke, dass unsere Szene die beste Szene in ganz Holland ist. Bei uns gibt es die besten Shows und die besten alten sowie viele neue und aufregende Bands. DISCIPLINE kommen aus meiner Stadt ebenso wie THE GATHERING. Die haben zwar nicht viel mit Hardcore zu tun, sind aber ebenfalls erfolgreich in ihrem Bereich. Natürlich gab es in der Vergangenheit auch mal ein paar Jahre, in denen es nicht ganz so rosig aussah, aber generell verfügt Holland über eine sehr lebendige und frische Szene.

Viele Leute würden euren Sound als NYHC beschreiben. Waren einschlägige Bands der New Yorker Szene wirklich verantwortlich für euren Sound?

Als wir vor elf Jahren anfingen, Musik zu machen, haben wir das nur aus einem einzigen Grund getan: Wir wollten so sein und klingen wie unsere Helden AGNOSTIC FRONT, MADBALL, NEGATIVE APPROACH und SLAPSHOT. Heute haben wir, meiner Meinung nach, unseren eigenen Stil, aber für viele Leute klingen wir wohl immer noch nach dem typischen New York-Sound. Ich kann damit aber sehr gut leben. Es passiert häufiger, wenn wir unterwegs sind, dass gerade amerikanische Kids nach einer Show zu mir kommen und fragen, ob ich aus New York stamme. Ich sage dann immer, dass NTB eine europäische Band sind, es mich aber ehrt, dass sie uns für eine NYHC-Band halten.

Das ist bestimmt nicht die schlechteste Referenz, die man bekommen kann.

Das stimmt, bloß mit der Ausnahme, dass viele Bands sich selbst diesen Stempel aufdrücken, um so besser bei der Leuten anzukommen. Natürlich will jeder wie MADBALL oder AGNOSTIC FRONT klingen. Bei uns war es aber irgendwie anders herum. Wir klingen eher unbewusst wie diese Bands, lesen aber in den Reviews unserer Alben, speziell in Amerika, dass wir wie die europäischen MADBALL klingen.

Könnt ihr von der Band leben? Im letzten Jahr habt ihr immerhin 220 Shows gespielt. Da bleibt nicht viel Zeit für einen regulären Job, oder?

Ich wünschte, wir könnten von der Band leben! Wenn wir zum Beispiel Sonntag von einer Tour zurückkommen, gehen wir alle am Montag schon wieder arbeiten. Ich habe ein eigenes Haus und eine Menge Rechnungen zu bezahlen. Deshalb arbeite ich zehn oder elf Stunden pro Tag. Da bleibt nicht mal eine Minute Zeit für mich. Sobald wir zu Hause sind, heißt es immer viel arbeiten. Ich wette, wenn wir eine amerikanische Band wären, dann könnten wir von der Musik leben. In Europa ist das aber leider nicht so. NTB zahlt nicht meine Rechnungen, ja noch nicht einmal mein Essen. Trotzdem werden wir weiterhin touren und unser Ding durchziehen, denn es ist das, was wir alle machen wollen.

Lass uns über eure Best-Of-CD "1997 - 2007" sprechen, die im letzten Jahr erschienen ist. Releaset wurde das Album auf eurem eigenen Label Bust Records. Den Vertrieb jedoch hat dann wieder euer Stammlabel Reflections Records übernommen. Warum?

Wenn wir das Album selbst vertreiben würden, würde uns das zu viel Zeit kosten. Im Vertrieb steckt so viel Arbeit, dass wir das neben dem ganzen Tourleben und unseren normalen Jobs einfach zeitlich nicht geschafft hätten. Daher freuen wir uns, dass Reflections Records uns unterstützen und den Vertrieb der CD für uns übernommen haben.

Euer neues Album trägt den selbstbewussten Titel "Stronger". Für mich klingt es tatsächlich wirklich kraftvoller als eure älteren Alben. Was meinst du, hat sich mit dem neuen Album im Gegensatz zum letzten Album "Holding On" geändert?

Nach dem Release von "Holding On" haben wir die besagten 220 Shows gespielt. Während dieser Zeit sind wir als Band zu einer noch viel stärkeren Einheit zusammengewachsen. Wir haben gemeinsam verschiedene Kontinente bereist und all die Erfahrungen und Erlebnisse kamen beim Schreiben des neuen Albums nun zusammen. Für uns war "Holding On" schon ein perfektes Album, aber nach dem damaligen Release gab es hier und da ein paar Dinge, die wir gerne geändert hätten. Das merkten wir, als wir die Songs wieder und wieder live gespielt haben. Dieses Mal ist der Sound viel besser. Normalerweise spielen wir ein neues Album innerhalb von nur fünf Tagen im Studio ein. Für mich macht es keinen Sinn, zwei oder sogar vier Wochen in einem Studio zu verbringen, um ein Album aufzunehmen. Wir sind immer so auf unsere neuen Songs fokussiert, dass fünf Tage mehr als genug Zeit sind, alles zu arrangieren. Jetzt haben wir zum ersten Mal ganze zehn Tage im Studio verbracht, um auch wirklich bis ins letzte Detail alles perfekt zu machen.

Wer schreibt bei euch die Songs? Läuft das eher demokratisch ab, oder gibt es jemanden, der für alles verantwortlich ist und die Fäden in der Hand hält?

Wir machen alles zusammen. Das macht den Sound von NTB schließlich auch aus. Manche Bands ändern ihren Sound von Album zu Album. Wir haben im Gegensatz dazu einen roten Faden, der sich durch alle unsere Alben zieht. Wenn du dir mal die Songtitel ansiehst, ausgehend von den älteren bis zum aktuellen Album "Stronger", wirst du feststellen, dass im Endeffekt alles eine einzige große Geschichte ist.

Was hat es mit euren Coverartworks auf sich? Schon beim letzten Album gab es ein ausklappbares Booklet, das geprägt war von Tattoo-Motiven. Dort waren eine Schlange, ein Löwe und auf dem neuen Album auch eine Eule abgebildet. Seid ihr einfach nur alle große Tattoo-Fans, oder steckt da mehr dahinter?

Nur teilweise. Zwar habe ich auch einige Tattoos, aber nicht alle in der Band stehen da so drauf. Der eigentliche Grund ist, dass wir schon bei "Holding On" ein Artwork haben wollten, bei dem jeder gleich erkennt, das ist typisch NTB. Zu dieser Zeit gab es erstens kaum eine andere Hardcore-Band, die so explizit mit diesen Motiven gearbeitet hat, und außerdem passte es in der damaligen Zeit sehr gut zu meinen Lebensumständen. Wir haben diese Idee nun auch auf dem aktuellen Album weitergeführt, denn, wie ich schon sagte, haben NTB immer eine Geschichte zu erzählen. Diesem roten Faden wollten wir auch weiterhin folgen und uns nicht dem derzeitigen Trend anpassen, externe Künstleragenturen mit der Gestaltung eines Hightechcovers zu beauftragen.

Welche Musik hörst du abseits von schnellem, aggressivem Hardcore?

Ich höre viel HipHop und Reggae, leichte Musik im weitesten Sinne. Außerdem höre ich BLACK SABBATH, LED ZEPPELIN und die ROLLING STONES, Bands also, die auch schon meine Eltern gehört haben. Leider muss ich während der elf Stunden, die ich auf der Arbeit verbringe, immer Radio hören. Deswegen kenne ich auch alle gerade angesagten Hits aus den Charts, haha!