SINGLE STATE OF MAN

Foto

German Scream-no

Eine der besten Screamo-Bands Deutschlands schreit eigentlich kaum. Aber manchmal können wohl eine gute Melodie, ein bewusster Rhythmusbreak oder einfach eine gehörige Prise Krach viel mehr bewirken als die Aufdringlichkeit unverschlüsselter Worte. Nach zwei großartigen Shows - auf dem Endzeit-Festival und dem "Keep It Evil" in Nürnberg - wollte ich mal etwas mehr über die vier Emotionalisten aus dem Frankenland erfahren.

Ihr seid nette Jungs, habt wahrscheinlich eine gute Erziehung genossen, kommt aus dem schönen Mainfranken - warum macht ihr so böse Musik?

Tilman: Ich glaube, dass Dinge wie zum Beispiel unsere Erziehung oder unser Herkunftsort keinesfalls unsere Musik beeinflussen. Zunächst sollte man die Frage klären, wie sich "böse Musik" definiert. Wenn die Hörer unsere Songs als solche empfinden, finde ich das auf keinen Fall schlimm. Aber es ist zumindest nicht unsere Absicht, böse Musik zu spielen.

Manu: Das ist wohl Interpretationssache, ob man das als "böse" beschreibt. Es kam vor, dass jemand unsere Platte oder ein Konzert als kathartisches Erlebnis beschrieben hat. Das verwundert uns natürlich erst einmal und man geniert sich, weil Pathos schnell verdächtig wird, aber ich will ihm oder ihr das ja nicht nehmen und freue mich darüber, dass unsere Musik bei Rezipienten emotional ankommt und etwas mit ihnen anstellt. Dass unsere Musik überdurchschnittlich böse ist, denke ich nicht.

Tilman , du sagst, dass die Herkunft eure Musik nicht beeinflusst hat, trotzdem ihr aus einer recht lebendigen Gegend kommt, mit dem Trainspotting Festival, SHOKEI, "xyeahx", dem Café Cairo - wie wichtig ist die "Home Scene" für eine Band wie euch?

Manu: Klar ist so was wichtig für uns und zum Glück ist das gerade in Würzburg recht gut ausgeprägt, obwohl die Stadt relativ klein ist. Hier sind wirklich viele gute Konzerte und manchmal scheint es Leute auch zu interessieren ...

Tilman: Für jede Punk/Hardcore-Band ist eine so genannte Szene wichtig, und ich denke, auch fast überall vorhanden. Das erklärt auch, warum wir trotz sehr geringem Bekanntheitsgrad auf Tour gehen können.

Manu: Szene klingt so unglaublich elitär. Es sieht ja eigentlich eher so aus, dass man viele Leute über die Musik kennen gelernt hat und teilweise befreundet ist oder manche auch schon vorher kannte. Und weil viele Leute Lust haben, etwas auf die Beine zu stellen, entsteht dann eben so eine "Home Scene". Das ist ganz schön verzweigt inzwischen. Jeder macht hier und da was.

Tilman: Es geht also nicht primär um die Band an sich, sondern eher darum, anderen Bands Konzerte zu ermöglichen, was eine recht nette Freizeitgestaltung ist. Das läuft sozusagen separat. Man kann ja nicht dauernd in der Gegend spielen, aus der man kommt. Wäre ja langweilig irgendwann.

Und wie kam es dann zum Sprung aus der Heimat zu Ape Must Not Kill Ape Records in die Schweiz? Ein Label, zu dem ihr ziemlich gut passt, wie ich finde ...

Manu: Wir haben an so ziemlich jedes Label eine Anfrage geschickt, ob sie die Platte pressen wollen. Da haben sich dann ein paar gemeldet und Ape Must Not Kill Ape, Synalgie und Emuzah Records haben uns am meisten zugesagt. Unspektakulär, was?

Ja, allerdings. Gut, dass in eurer Musik mehr Emotion steckt als in der Labelwahl. Ihr singt/schreit, aber nur sehr gelegentlich, sonst kann man euch wohl als Instrumentalband bezeichnen. Drückt Musik manchmal mehr aus als ellenlange Texte?

Chris: Ja, auf jeden Fall. Musik drückt das aus, was sich nicht in Worte fassen lässt. Dennoch finde ich auch Texte wichtig. Sie sollten nur aussagekräftig sein, auch im Hinblick auf den gewünschten Effekt, den ein Song beim Zuhörer entfachen soll.

Manu: Wir haben in unserem Proberaum nie eine funktionierende Gesangsanlage aufgebaut. Die meisten Texte und Gesangsstellen entstehen beim Aufnehmen. Ich bin ein großer Freund von Bands, bei denen der Gesang und die Texte unverzichtbar sind. Ich finde das bei uns auch sehr wichtig. Deswegen sind Texte und Anmerkungen auch bei der Platte mit abgedruckt. Der Gesang steht bei uns nicht über der Musik, sondern soll sich in das Ganze einfügen, die Songs verstärken und manchmal auch inhaltlich lenken.

Tilman: Wir haben uns nie dazu gezwungen, Texte zu schreiben. Wie Manu schon gesagt hat, entstehen unsere Texte und wie diese zum Lied passen könnten, meist spontan beim Aufnehmen. Hauptsächlich ist es die Musik mit ihrer Melodie, die beim Hörer ankommen soll, und so werden die Songs auch geschrieben. Das heißt nicht, dass ich Texte nebensächlich finde, nur sollen sie eher einen Song vervollständigen, sofern er das noch nicht ist.

Ihr habt euch auf dem Keep It Evil-Hardcore-Festival dafür bedankt, dass "wir hier spielen dürfen, obwohl wir gar nicht ins Programm passen ... oder irgendwie auch schon." Spiegelt das die Ambiguität eurer Beziehung zur Hardcore-Szene wider, und wie reagiert ein klassischer Turnschuh-Hardcore-Fan auf eure Musik?

Manu: Das ist ein schwieriges Thema. Einerseits nutzen wir ja die Strukturen dieser HC-Szene und gestalten sie mit, andererseits gewöhnt man sich mit der Zeit einen Zynismus allem gegenüber an, was einem so als Hardcore verkauft wird - berechtigterweise. Gerade diese so genannte Turnschuhfraktion erscheint uns unglaublich konservativ und konform in Bezug auf Musik, in erster Linie durch die Abfeierei des 80er Jahre-Hardcores, Klamotten, Straight Edge Lifestyle ... Mir ist das Ganze zu rückwärts gewandt und teilweise auch zu sehr von ideologischen Schmalgeistern unterwandert beziehungsweise zu leicht von diesen zu vereinnahmen. Für viele sind Punk und Hardcore zwei verschiedene Paar Schuhe, was ich noch nie habe nachvollziehen können. Auf der anderen Seite gibt es in dieser Szene auch viele Menschen und Gruppen, die alles durch ihre Offenheit und die Fähigkeit, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, wieder wettmachen. Beim Keep It Evil-Festival haben wir uns wohl gefühlt. Gerade so ein Rahmenprogramm wie die "Be Your Own Cliché"-Modenschau oder das Pit-Spielzeug haben Spaß gemacht.