STEVE WYNN

Foto

blind date mit ...

Mit "Crossing Dragon Bridge" hatte Steve Wynn eine Ende 2007 in Slowenien im Studio Chris Eckman von den WALKABOUTS aufgenommene weitere Solo-Platte eingespielt und ich muss einmal mehr feststellen, dass sowohl Wynn als auch THE DREAM SYNDICATE, seine alte Band aus den 80ern - neben RAIN PARADE, GREEN ON RED oder den BANGLES Teil der so genannten Paisley Underground-Szene von Los Angeles -, schon seit knapp 20 Jahren ein nicht unwichtiger Teil meines persönlichen musikalischen Kosmos' sind. Vor allem live waren THE DREAM SYNDICATE immer ein echtes Erlebnis - gut nachzuhören auf "The Complete Live At Raji's", aufgenommen auf ihrer letzten Tour 1988 -, was später dann auch für Wynn galt, der auch nach über 25-jähriger Karriere auf der Bühne eine ungemeine Spielfreude entwickelt. Anlässlich des neuen Albums war er Anfang des Jahres auch wieder in Deutschland unterwegs, allerdings entsprechend dem eher reduzierten Charakter von "Crossing Dragon Bridge" in Unplugged-Besetzung, unterstützt von Bassist Erik van Loo und seinem langjährigen, auf der Tour leider übelst erkrankten Mitstreiter Robert Lloyd, der Ende der 80er zur Band von Russ Tolman gehörte. Im September wird es hierzulande aber noch ein paar weitere Gigs geben, bei denen Wynn dann vom THE DRAGON BRIDGE ORCHESTRA unterstützt wird, in Gestalt von Linda Pitmon, Eric van Loo, Josh Hillman, Chris Cacavas und Chris Eckman. Und ganz aktuell erschien unter dem Namen THE BASEBALL PROJECT noch ein weiteres Album von ihm, auf dem Wynn, Scott McCaughey (von THE YOUNG FRESH FELLOWS und THE MINUS 5 und seit 1994 inoffizielles fünftes Mitglied von R.E.M.) und Peter Buck von R.E.M. ihrer Begeisterung für Baseball in musikalischer Form Ausdruck verleihen ... Im Februar gastierte er im Essener Katakomben-Theater, wo ein prächtig gelaunter Steve Wynn natürlich auch einige DREAM SYNDICATE-Nummern zum Besten gab, als Teil eines ansonsten gemütlich-intimen Gigs. Vor dem Konzert konfrontierte ich Wynn in musikalischer Form mit einigen alten Bekannten, während er dabei versuchte, einen Teller Nudeln zu verspeisen.


"Day of Niagara", THE DREAM SYNDICATE

Cooles Feedback, das gefällt mir. Ich mag solche einfachen monotonen Sachen, das beruhigt mich irgendwie, ebenso wie Noise, das hat etwas Friedliches an sich.

Hast du eine Ahnung, was das sein könnte?

Es ist schon ziemlich alt, aus den 60ern ...

Nein, klingt irgendwie wie mein Zahnarzt, der gerade meine Zähne behandelt, haha.

Man könnte es als frühe Ambient-Musik bezeichnen ...

Ist das was von La Monte Young?

Genau, THE DREAM SYNDICATE - John Cale, Tony Conrad und La Monte Young.

War meine Vermutung also richtig. Weißt du, als wir uns für den Namen THE DREAM SYNDICATE entschieden, hatten wir keine Ahnung, dass es diese Band gab. Wir hatten den Namen von einer Platte von Tony Conrad zusammen mit FAUST, die "Outside The Dream Syndicate" hieß. Dennis Duck, unser Schlagzeuger, besaß die Platte und fand den Namen großartig. Und im ersten Jahr als Band stand in jeder Besprechung, dass wir wie THE VELVET UNDERGROUND klingen würden und ich wie Lou Reed singen würde. Später fanden wir dann heraus, dass wir unseren Namen von einer Art Vorläufer von THE VELVET UNDERGROUND hatten, es war aber völlig unbeabsichtigt. Amüsanterweise habe ich Tony Conrad 1983 mal bei einem Konzert in Buffalo, New York getroffen und war etwas nervös, weil ich dachte er würde mich vielleicht deswegen verprügeln, haha. Aber er fühlte sich sehr geehrt, dass wir diesen Namen am Leben erhielten. Und das, was ich am meisten nach dem Ende von THE DREAM SYNDICATE vermisst habe, war unser toller Name, haha.

Wie sieht es denn mit einer Reunion aus?

Wir sind wohl die einzige Band, die niemals wieder zusammen spielen wird. Denn Karl Precoda und ich reden nicht mehr miteinander, also die Gitarristen der Band, und ich habe keine Ahnung warum. Und der andere Gitarrist, Paul B. Cutler, macht keine Musik mehr. Aber wenn sich die PIXIES, DINOSAUR JR. und VELVET UNDERGROUND wieder zusammenraufen, sollten wir das eigentlich auch schaffen, haha.

"Blues to Elvin", John Coltrane

Das sind Coltrane und McCoy Tyner, stimmt's?

Das ging aber schnell ...

Weißt du, ich bin kein wirklicher Jazz-Experte, auch wenn ich viel Jazz höre, aber Coltrane und McCoy Tyner höre ich sofort raus. Das ist einfach, denn Coltrane hat einen ganz speziellen Sound. Aber was ich bei Coltrane am meisten liebe, ist McCoy Tyners Piano, er spielt einfach fantastisch.

Weißt du auch, von welchem Album das ist?

Ich versuche es gerade einzuordnen ...

Das ist von "Coltrane Plays The Blues".

Ja, die ist großartig.

Ist das eigentlich eine für Coltrane typische Platte?

Sagen wir mal so, es ist eine eher nach innen gekehrte Platte. Als ich jünger war, waren meine Lieblingsplatten von Coltrane "Ascension" und "Live At The Village Vanguard Again!", wo er völlig durchdrehte. Als ich älter und erwachsener wurde, lernte ich Sachen von ihm mehr zu schätzen, die eher ruhig und meditativ waren.

Und wie muss man euren damaligen Song "John Coltrane stereo blues" in diesem Zusammenhang sehen - als eine Art Scherz?

Nein, keineswegs. Das mag jetzt vielleicht etwas anmaßend klingen, aber wir haben uns damals mehr als Jazz- denn als als Rockband gesehen. Wir waren von Psychedelic-Bands wie QUICKSILVER MESSENGER SERVICE aus den 60ern beeinflusst ebenso wie von Jazzbands. Vor allem Dennis und ich waren große Jazz-Fans. Selbst unser Artwork war anfangs bei Impulse! Records geklaut. Wir sahen keinen großen Unterschied zwischen dem, was wir taten und was Coltrane tat. Gut, wir hatten kein Saxophon, aber wir begannen an einem Punkt, den wir kannten und hörten an einem bestimmten Punkt auf, aber dazwischen konnte alles Mögliche passieren, und das gefiel nicht allen Leuten. Wir hatten vielleicht nicht die musikalischen Fähigkeiten von Coltrane, aber wir hatten denselben Spirit. Wir kamen ja aus der Punk-Szene und sich mit Jazz zu beschäftigen und lange Songs zu spielen kam bei vielen Leute nicht gut an. Wir hatten das Glück, von Anfang an viele Fans zu haben, aber auch die wollten natürlich vor allem die kurzen Songs hören, die man mitsingen konnte und die sich einprägten. Aber wir waren viel glücklicher, wenn wir 40 Minuten lang nur einen Akkord spielen konnten. Wenn wir bei Shows die Songs genau wie auf Platte spielten, kamen wir uns wie Verräter vor. Die Shows, die jeder mochte, hassten wir. Viele Leute fanden es bedauerlich, dass THE DREAM SYNDICATE damals nicht bekannter wurden, aber wir taten eigentlich alles, um genau das zu verhindern, haha.

"Holocaust", Kendra Smith

Das ist "Holocaust", ein großartiger Song.

Und in welcher Version?

Ist das Kendra? Natürlich, ich habe es noch gemerkt, bevor der Gesang einsetzt. Kendra und ich haben uns damals fast jeden Abend BIG STAR angehört. Kendra war damals unsere Syd Barrett, haha. Kendra und ich standen uns zu ihrer DREAM SYNDICATE-Zeit wirklich sehr nahe, fast vier Jahre lang, wir waren nie zusammen oder so was, aber wir waren uns näher als ein echtes Paar. Wir redeten über Musik, das Leben und alles andere und hörten dazu Nico, "3rd" von BIG STAR, VELVET UNDERGROUND und THE STOOGES. Wir waren ziemlich dogmatisch und militant, wenn es darum ging, was wir gut fanden und was nicht, wie man halt ist, wenn man 20 Jahre alt ist. Und BIG STAR standen ganz an der Spitze. Ich war damals so vernarrt in "3rd", dass ich mich in einen Greyhound-Bus setzte und 3.000 Kilometer von L.A. nach Memphis fuhr, nur um Alex Chilton zu treffen. Und das tat ich auch. Ich war eine Woche mit ihm in Memphis zusammen und redete mit ihm. Das tut man, wenn man 20 ist.

Und was für ein Typ war Chilton damals?

Er war kein Rockstar oder so was, eher ein komischer Bluessänger, also was seiner Idee eines Bluessängers aus Memphis entsprach. Als ich ihn 1980 traf, interessierte sich niemand richtig für ihn, es gab keine BIG STAR-Fans. Und ich sprach mit ihm darüber, mehr Platten zu machen und er hielt mich für verrückt. "Niemand will, dass ich Platten mache", meinte er und wusch lieber Geschirr in einem Diner ab.

Der Kult kam also wieder erst viele Jahre später ...

Ja, aber er hat es wirklich verdient ...

Der Song ist vom "Rainy Day"-Album. Was hatte es damit eigentlich auf sich? Das war ja so eine Art Stelldichein des Paisley Undergrounds.

Nun, ich war komischerweise dabei nicht eingeladen, haha. Aber ich denke, es war sicher ein Höhepunkt der Paisley Underground-Szene, alle kamen zusammen. Initiiert wurde es von David Roback von RAIN PARADE, der später dann bei OPAL und MAZZY STAR war. Es wurde eine legendäre Platte, Coverversionen von Musikern des Paisley Undergrounds. Es hat mich ziemlich verletzt, dass man mich nicht gefragt hat, denn alle anderen in meiner Band waren auf der Platte, Kendra, Dennis und Karl. Und dann hat David mir auch noch die Bassistin gestohlen, haha. Kendra und David verliebten sich und sie verließ THE DREAM SYNDICATE, worüber ich sehr traurig war. Ich meine, ich mache jetzt seit ungefähr 25 Jahren Musik, hatte einige Bands, habe viele Platten aufgenommen und Touren gemacht, aber der härteste Schlag war für mich, als Kendra die Band verließ. Es war, als ob ein Teil von mir plötzlich verschwunden wäre.

Und was macht sie mittlerweile?

Sie lebt auf einer Farm in Nordkalifornien, irgendwo am Ende der Welt. Sie baut Gemüse an und hat einen Esel. Sie hatte lange Zeit weder Strom noch ein Telefon, aber inzwischen hat sie E-Mail, insofern kann ich ihr zumindest mal schreiben.

"Phantoms", 45 GRAVE

Das kenne ich doch ... 45 GRAVE? Das hab ich schon lange nicht mehr gehört, aber ich habe sie geliebt. Ich brauche unbedingt was von 45 GRAVE für meinen iPod. In L.A. kannte jeder die Band, aber kaum jemand in Europa. So kam Paul B. Cutler zu THE DREAM SYNDICATE, weil ich so ein großer Fan von ihnen war. Sie waren damals echte Stars in LA., 45 GRAVE und VOX POP, das waren die gleichen Leute. Hier haben sie einen ziemlichen Pop-Einschlag, aber eigentlich waren sie viel radikaler. In L.A. gab es ja eine große Goth-Szene, da hatte ich nicht viel mit zu tun, aber ich liebte Pauls Gitarrensound. Paul war ein selbsternannter Anarchist, viele Leute im Punkrock behaupteten das von sich, aber er war es wirklich. Er hatte großen Spaß daran, genau das zu tun, was die Leute nicht von ihm erwarteten, das ist bis heute so geblieben. Ich weiß noch, wie ich 45 GRAVE mal Anfang der 80er sah, vor ca. 1.000 Leuten. Und da waren diese ganzen tätowierten Kids mit ihren Anarchiezeichen, die tanzten und richtig abgingen. Und plötzlich spielte die Band dieses Avantgarde-Noise-Ding, eine Mischung aus spätem Coltrane und BLACK SABBATH, und zwar so lange, bis alle Leute gegangen waren. Eine Stunde lang machten sie nur Krach und am Ende waren nur noch ich und 20 andere Leute übrig. So waren sie wirklich, auch wenn sie hier wie eine Popband klingen. Mit dem Song hast du mir wirklich den Tag gerettet, haha.

"In a better world", THE SCREAMERS

BLACK FLAG?

Nein. Für manche Leute ist das hier eine der legendärsten Bands der damaligen L.A.-Szene, die niemals eine Platte aufgenommen hat.

Ist das live?

Nein, ein Demo. Das ist von THE SCREAMERS.

Ach, deshalb bin ich nicht drauf gekommen, ich hab nie viel von den SCREAMERS mitbekommen. Als ich 17 war, das war 1977, hab ich L.A. verlassen und zog nach Davis, eine kleine Stadt in Kalifornien, und ging da drei Jahre zum College. Als ich dann nach L.A. zurückkam, hatte ich die ganze frühe Punkrock-Phase verpasst, so hatte ich nie eine Chance, die SCREAMERS live zu sehen. Die ganze L.A.-Szene spielte sich ja um den Laden The Masque herum ab, das war unser CBGB. Ich verließ L.A., bevor der Laden eröffnete und kam zurück, als er gerade dicht gemacht wurde. Selbst die GERMS hab ich nie gesehen und die liebe ich. Als ich nach L.A. zurückkam, waren die Punks alle schon irgendwie ausgebrannt, ich dagegen war richtig enthusiastisch und wollte was Neues machen innerhalb einer Szene, die sich inzwischen totgelaufen hatte.

"Cheap wine", RAIN PARADE

Das ist leicht. Ich habe erst gestern Abend noch auf der Bühne über den Song geredet. Das ist noch vor Chuck Prophet, das sind Chris, Dan und Jack ...

Nicht ganz, du bist das.

Ach, das sind gar nicht GREEN ON RED, das ist die in Japan aufgenommene Version mit RAIN PARADE und mir. Du spielst mir mich vor und ich merke das nicht, haha. Das war in Tokio, da war ich damals mit RAIN PARADE und THE DREAM SYNDICATE das erste Mal. Vor 1984 war ich nie außerhalb Amerikas auf Tour, ich war nie in Europa, Tokio war das erste Mal ... GREEN ON RED waren erstaunlich. In L.A. gab es damals jede Menge Bands, die viel bekannter und größer waren. Die BANGLES, wir und selbst RAIN PARADE, aber GREEN ON RED war die Band, die jeder mochte, das war jedermanns Lieblingsband des Paisley Undergrounds.

Wart ihr denn damals tatsächlich so bekannt in Japan?

Ja, es waren einige tausend Menschen da, es war ziemlich aufregend ... Das hier ist ein großartiges Gitarrensolo, Matt Piucci war ein fantastischer Gitarrist. Er ist jetzt übrigens Rechtsmediziner und nimmt Leichen Fingerabdrücke ab, ein wirklich cooler Job, haha.

"Mother of pearl", PRETTY & TWISTED

Oh, das ist ja Johnette. Das sind CONCRETE BLONDE mit "Mother of pearl" von ROXY MUSIC.

Nein, eben nicht, das sind PRETTY & TWISTED.

Richtig, mit Marc Moreland von WALL OF VOODOO. Das ist toll. Ich glaube, ich habe Johnette erst auf ROXY MUSIC gebracht. Wir waren Mitte der 80er mal zusammen, drei Jahre. Johnette ist eine fantastische Sängerin und sie wird immer besser. Letztes Jahr hat sie noch ein richtig gutes Solo-Album aufgenommen, und wenn sie in New York spielt, schaue ich sie mir immer an. Johnette lebt inzwischen in der Wüste im Joshua-Tree-National-Park im Süden Kaliforniens. Sie führt da zusammen mit ihren Hunden ein sehr einfaches Leben und malt - fast wie Captain Beefheart, haha.

Ist "hübsch und verdreht" eine gute Umschreibung für Johnette Napolitano?

Haha! Und das ist sicher nicht alles. Ich bin schon so lange mit ihr befreundet, dass wir uns als Freunde sicher besser kennen gelernt haben als als Paar.

Stimmt es, dass du mit ihr zusammen ein Drehbuch geschrieben hast?

Wow, das weißt du ... wir haben mal damit angefangen, aber wir haben es nicht zu Ende gebracht. Wir haben eine Woche lang in einem New Yorker Hotel viele Martinis getrunken und versucht, das Drehbuch zu schreiben. Es geht darin um einen Sänger, der in den 60ern ein Popstar war, aber inzwischen seinen Zenit überschritten hatte, bis er auf die Idee kommt, sich auf der Bühne umzubringen, um wieder ein Star zu werden, eine sehr düstere Geschichte. Vielleicht können wir es ja irgendwann mal zu Ende schreiben.

"Ring of fire", WALL OF VOODOO

Noch ein Song mit Marc Moreland, das gefällt mir, haha. Das ist auch einer meiner Lieblingssongs. WALL OF VOODOO waren so eine erstaunliche Band und diese EP höre ich mir immer noch gerne an. Noch mehr mag ich allerdings "Can't make love", das wollte ich immer mal covern.

Ist das nicht auch ein perfektes Beispiel dafür, wie man eine originelle Coverversion hinbekommt?

Ja, das stimmt, keine Imitation, sondern die Seele eines Songs finden. Ich mag diese Version genauso wie die von Johnny Cash. Und sie waren auch eine tolle Live-Band, ich hab sie bestimmt 20-mal oder mehr gesehen. Sie waren unheimlich angsteinflößend, die Leute im Publikum waren teilweise richtig verstört.

"Standing by the sea", ZUZU'S PETALS

Das ist übrigens auch eine Coverversion.

Tatsächlich? Das ist ja eine doppelte Herausforderung. Aber ich fürchte, ich komme nicht drauf.

Das sind HÜSKER DÜ, die von ZUZU'S PETALS gecovert werden.

Ich hoffe, Linda liest das nicht, sonst bekomme ich zu Hause Ärger, haha. Schon lustig, dass ich ausgerechnet das nicht erkenne. Ich erkenne ausgerechnet die Frau nicht, mit der ich zusammenlebe und die in meiner Band spielt. Das ist klasse, ist das von einem HÜSKER DÜ-Tribute-Album?

Ja, und zwar wird da das komplette "Zen Arcade"-Album gecovert.

Ich bin mir nicht sicher, ob wir die Platte überhaupt zu Hause haben. Ich weiß, das ist ein Sakrileg, aber ich mochte "Zen Arcade" nie besonders. Mir gefielen "New Day Rising", "Flip Your Wig" und "Candy Apple Grey", und ich habe nie verstanden, warum gerade "Zen Arcade" als so ein Klassiker gilt. ZUZU'S PETALS haben letztes Jahr übrigens nach Jahren wieder ein Konzert gegeben, anlässlich der Buchveröffentlichung der Sängerin Laurie Lindeen. Linda und ich werden nächstes Jahr im Mai heiraten und ich hoffe, sie spielen da wieder.

Und Rhino Handmade hat wohl gerade den Backkatalog wiederveröffentlicht.

Ja, einen Karriereüberblick namens "Kicking Our Own Asses". Ich hoffe, mehr Leute bekommen sie dadurch zu hören, sie waren eine tolle Band. Ich habe Linda kennen gelernt, als ZUZU'S PETALS in New Jersey mal meine Vorband waren. Ich mochte die Band sehr, vor allem die Schlagzeugerin, haha. Aber trotzdem erkenne ich den Song nicht, ich hätte es direkt am Schlagzeugspiel merken müssen, haha.

"Want you", BANGLES

Dafür dürfte das hier umso leichter sein.

Ja, aber ich habe auch den Song schon ewig nicht mehr gehört.

Der ist allerdings von ihrer ersten EP, die nicht so viele Leute kennen.

Die erste EP war wirklich toll. Was die wenigsten Leute wissen ist, dass THE BANGS, wie die BANGLES zuerst hießen, eine ziemlich rockige Garagenband waren, bevor sie so was wie "Manic monday" und "Walk like an Egyptian" aufnahmen. Und Vicki Peterson, die hier singt, ist immer noch eine echte Rockerin. Wenn man so jung sehr berühmt wird, ist das immer ziemlich heftig, aber Vicki ist immer auf dem Boden geblieben, selbst unter Tonnen von Haarspray und Make-up.

"Change is now", GIANT SAND

Den Song kenne ich, aber das ist eine Coverversion ...

Das sind GIANT SAND, die die BYRDS covern.

Wie gesagt, der Song kam mir bekannt vor, aber die Version nicht. Es klingt auch viel zu normal für GIANT SAND. Ist der ursprüngliche Song von "Fifth Dimension"?

Nein, von "The Notorious Byrd Brothers".

Ich mag eigentlich alles, was Howe Gelb macht, aber die ersten GIANT SAND-Platten waren sehr konventionell und dann wurde er immer seltsamer. Aber ich mag beide Seiten von ihm.

Hast du oft mit ihm zusammen gespielt?

Ja, eigentlich schon seit Jahren, erst letztes Jahr in Italien wieder. Das größte Konzert war wohl 1986 in Roskilde. THE DREAM SYNDICATE waren damals der Ersatz für THE CULT, die im letzten Moment abgesagt hatten. Wir waren gerade in Italien auf Tour und zwei Tage später spielten wir plötzlich in Dänemark vor 50.000 Leuten. Eine perfekte Show, wir waren gut drauf, der Sound war klasse und die Leute waren gut aufgelegt. Durch diese eine Show waren wir jahrelang in Skandinavien populär. Die nächste Band nach uns waren GIANT SAND, und sie spielten plötzlich nur vor 800 Leuten, weil es anfing zu regnen und viele gegangen waren. Ich weiß noch, wie ich im Regen stand und ihnen zusah, aber es war trotzdem eine tolle Show.

[Eine Aufnahme der damals von Pat Thomas mitgeschnittenen DREAM SYNDICATE-Roskilde-Show lässt sich übrigens in ausgezeichneter Qualität auf archive.org finden.]

"Southern Pacific", ELEVENTH DREAM DAY

Das ist "Southern Pacific" von Neil Young, soweit bin ich schon mal ...

Das sind ELEVENTH DREAM DAY. Mich persönlich hat ihr Debüt "Prairie School Freakout" immer sehr an "The Days Of Wine And Roses" erinnert.

Natürlich, jetzt erkenne ich Rick, das ist toll. Ich wusste gar nicht, dass sie das gecovert haben. Ich habe erst letztes Jahr in Chicago mit ihm zusammen gespielt, er ist dort alleine aufgetreten. Er hat da eine Coverversion von "Isolation" von JOY DIVISION gespielt, nur mit Akustikgitarre, es hat mich regelrecht weggeblasen, es war unglaublich. ELEVENTH DREAM DAY sind eine so unterbewertete Band und sie machen immer noch tolle Platten. Ich mag vor allem die aus ihrer mittleren Phase, "Ursa Major" und "Eighth". Und Rick ist einer der nettesten Menschen auf der Welt. Er ist ja inzwischen Lehrer.

"See you in the boneyard", FLESH EATERS

Das ist übrigens der Herr, der eure erste Platte produziert hat.

Ach, ist das Chris D., sind das die FLESH EATERS? Er hat einen wirklich irren Gesang, diesen Schrei hätte ich erkennen müssen. Er ist ein echt lustiger Typ und ist ebenfalls Lehrer.

Ich dachte, er arbeitet für die American Cinematheque in Los Angeles.

Das macht er inzwischen, aber noch vor den FLESH EATERS, bevor er in Bands gesungen hat, war er Lehrer, aber ich weiß nicht mehr, was er unterrichtet hat. Und wenn du mit ihm sprichst, ist er ein sehr ruhiger und bedächtiger Typ, aber auf der Bühne wird er zum wilden Tier. Er brüllt und krümmt sich vor Schmerzen, eine richtige Dr. Jekyll und Mr. Hyde Persönlichkeit. Er war ein wirklich guter Produzent, denn er hat eigentlich nichts gemacht, das ist oft das Beste, was man als Produzent tun kann. Er ließ uns machen, was wir wollten, und sorgte dafür, dass der Tontechniker nichts veränderte. Er war der perfekte Produzent für unsere erste Platte.

Gibt es die FLESH EATERS eigentlich noch?

Ich glaube, von Zeit zu Zeit kommen sie mal wieder zusammen. Jemand hat mir erzählt, dass er sie letztes Jahr gesehen hätte, und John Doe und Dave Alvin hätten mitgespielt.

"In heaven (Lady in the radiator song)", PIXIES

Die Band gilt als eine der einflussreichsten Alternativerock-Bands der späten 80er ...

Sind das die PIXIES? Ich bin zwar ein PIXIES-Fan, aber den Song kenne ich gar nicht. Von welcher Platte ist der?

Das ist nur eine B-Seite, der Originalsong stammt aus David Lynchs "Eraserhead".

Natürlich ... Zu den PIXIES fällt mir eine witzige Geschichte ein, die ist wirklich gut. Ich betreibe ja noch nebenher ein Label namens Down There, wo die ersten EPs von DREAM SYNDICATE und GREEN ON RED erschienen und auch Solo-Sachen von mir rauskommen. So um 1986 herum suchte ich verstärkt nach Bands, die ich herausbringen könnte, das waren meine zwei Jahre als ernsthafter Labelboss. Und ein Freund von mir aus Boston meinte zu mir: Steve, ich habe diese Band gesehen, die sind unglaublich! Und ich bin dann zu ihren ersten Shows gegangen und bekam ein Demo von ihnen. Und du wirst nicht glauben, wer das war, die PIXIES! Ich liebte es und wollte es auf meinem Label herausbringen. Ich rief ihren Manager an, der davon begeistert war, aber vorab 1.500 Dollar haben wollte. Aber meine Label-Philosophie zu dieser Zeit war - eine sehr sozialistische Philosophie -, ich bezahle für die Platte und hinterher teilen wir alles auf. Vorher gibt es kein Geld, aber wenn Geld in die Kasse kommt, teilen wir alles wie gleichberechtigte Partner. Aber er meinte, das wäre schlecht, denn er bräuchte gerade jetzt Geld, um seine Kosten zu decken und deshalb könnten sie bei mir nicht unterschreiben, also wünschte ich ihnen viel Glück. Das mag jetzt so klingen, als ob ich damit sagen wollte: So ein Mist, wenn ich das damals gemacht hätte, wäre ich jetzt Millionär. Aber es ist wohl eher so, wenn ich es damals gemacht hätte, hätte nie jemand was von den PIXIES erfahren, hahaha!