DOZER

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Jenseits des Kolossalen

Das englische Wort "Dozer" übersetzt man mit "der Dösende". Andererseits kürzt man auch den Bulldozer damit ab, welcher wohl eher das Gegenteil darstellt, nicht nur im Sinne der Lautstärke. Beide Inhalte lassen sich auf die Band aus Borlänge, Schweden gleichen Namens übertragen: DOZER wird nach wie vor noch dem teilweise vor sich hin "dösenden" Stoner-Genre zugeschrieben, welchem sie in der Tat auch lange treu waren, doch mittlerweile kann man die seit 1994 aktive Band eher mit der Planierraupe gleichsetzen. Der Vierer walzt mit einer härteren, düsteren, aber auch experimentierfreudigeren Attitüde auf dem im November erscheinenden fünften Album "Beyond Colossal" alles platt, was sich ihm entgegenstellt. Somit verabschiedet man sich eindeutig vom üblichen Trott der stagnierenden Szene. Tommi Holappa, seines Zeichens Gitarrist und Gründungsmitglied, erklärt die Philosophie seiner Band.



Wann habt ihr beschlossen, in einer Band zu spielen, und wie haben sich DOZER in der ersten Zeit entwickelt?

Frederik Nordin, unseren Sänger und Gitarristen, kenne ich aus der Schule. Wir waren lange Zeit in derselben Klasse und nicht wirklich dicke Freunde, bis wir entdeckten, dass wir dieselben Bands mögen. Kurz darauf gründeten wir unsere eigene, allerdings ohne einen Plan zu haben, was für Musik wir denn spielen sollen. Wir haben dann vom simplen Rock bis Metal alles ausprobiert. Es hat nicht allzu lang gedauert, bis wir schließlich wussten, was wir wollen. Wir liebten beide SOUNDGARDEN und PEARL JAM und gründeten eine "Grunge"-Band. Verdammt, wie ich diesen Begriff hasse, hehe. Wir haben unser "Grunge-Ding" bis 1994 durchgezogen, dann passierte etwas Magisches: Wir hörten eine Band namens KYUSS! Verdammt, was hat uns deren Sound umgehauen. Es klang wesentlich härter als alles, was wir bis dahin gehört hatten. Den Sound wollten wir auch! Also entschieden wir uns, die Gitarren gehörig tiefer zu stimmen. Somit wurde DOZER geboren.

Aber schon kurz darauf habt ihr in musikalischer Hinsicht eine eher offene, aufgeschlossene Attitüde an den Tag gelegt. Was hat euch dazu inspiriert?

Die ersten zwei DOZER-Alben "In The Tail Of A Comet" und "Madre De Dios" waren noch purer Stonerrock, aber dann ... Ich weiß auch nicht genau, wir haben uns gar nicht vorgenommen, etwas "anderes" zu machen, es kam ganz von selbst. Natürlich sind nach wie vor Stoner-Elemente in unserer Musik, aber da ist noch viel mehr als nur das.

Da stellt sich dann die Frage, welche Bands damals einen Einfluss auf euch hatten und welche es heute sind.

In den Anfangstagen waren es SOUNDGARDEN, KYUSS, MONSTER MAGNET, FU MANCHU und andere Bands in dieser Richtung. Mittlerweile beeindruckt uns ganz viel andere Musik: von ABBA bis NEUROSIS, MUSE und den BEATLES, MELVINS bis PINK FLOYD, HELLACOPTERS und SIGOR RÓS. Die Liste könnte ich ewig weiterführen.

Frank Kozik war so eine Art "Pate" für euch. Euer erstes Demo, das ihr ihm auf gut Glück zugeschickt habt, hat ihm so gut gefallen, dass er euch direkt einen Plattenvertrag auf seinem Label Man's Ruin Records angeboten hat. Besteht der Kontakt zu ihm immer noch?

Man's Ruin hat unsere ersten zwei Alben veröffentlicht und als es an der Zeit war, dass sie uns dafür unseren ersten prall gefüllten Sack voller Geld schicken wollten, gingen sie pleite. Danach haben wir nie wieder was von ihnen gehört. Trotzdem, es war ein gutes Label und sie haben uns geholfen, den Namen DOZER bekannt zu machen.

Ebenso wenig wie auf Einflüsse könnt ihr euch auf eure Drummer festlegen, scheint es. Erik Backwall war euer Originalschlagzeuger, der die Band vor ein paar Jahren verließ und von Daniel Lidén ersetzt wurde, dieser wurde von Olle Mårthans abgelöst.

Erik hat das ganze Touren ziemlich schnell gelangweilt. Es gab verschiedene Ansichten, auch musikalisch. Er war zufrieden damit, wie DOZER klang, wir aber wollten uns weiterentwickeln. Also haben wir zusammen beschlossen, dass es das Beste wäre, auseinander zu gehen. Erik spielte mit mir zusammen auf dem letzten GREENLEAF-Album. Daniel hat sich seinen Rücken verletzt auf der Tour mit MASTODON. Wir sind aber immer noch gut miteinander befreundet, er hat sogar unser aktuelles Album aufgenommen und mit produziert. Wir sind also immer noch "a happy family", hehe.

Was darf man von eurem anstehenden fünften Album "Beyond Colossal" erwarten?

Der Sound wird genauso kolossal, haha. Es klingt wie DOZER, die wieder einen Schritt nach vorne gehen. Das Album ist härter und düsterer als die früheren Alben, so wie schon auf dem Vorgänger "Through The Eyes Of Heathens". Wenn dir das Feeling der Songs "From fire fell", "Big sky theory" oder "Until man exists no more" von diesem Album gefiel, dann wirst du das neue Album lieben.

Wer, neben Daniel, hat es produziert und wer schreibt bei DOZER die Songs?

Frederik und ich haben es auch noch produziert. Ich habe ungefähr 95 Prozent der Riffs geschrieben, Frederik ist dann für Melodien und Texte zuständig. Ich muss allerdings erwähnen, dass wir alle zusammen die Stücke arrangieren und sie so erst zu Songs machen. Das läuft so ab: Ich bring eine Songidee mit in den Proberaum und dann spielen wir diese so lange zusammen, bis sie zu einem Lied wird.

Wovon handeln Frederiks Texte? Welche alltäglichen Vorkommnisse inspirieren euch und eure Musik?

In den Anfangstagen hat jeder von uns Texte geschrieben. Sie haben zwar allesamt keinen Sinn ergeben, solange sie aber cool klangen, war es gut, haha. Seit Frederik der Haupttexter ist, sind die Texte nicht mehr nur ein Haufen Unsinn, sondern ernsterer Natur. Für das neue Album hatten wir uns ein Konzept ausgedacht: Alle Texte befassen sich mit Tod und Sterben, mal so, mal so. Sehr, sehr fröhlich, also.

Mit MASTODON habt ihr nicht nur getourt, sondern Trey Sander, der Frontmann und Bassist der Amis, war auch Gastsänger bei dem Song "Until man exists no more". Wie ist das zustande gekommen? Sind auch auf "Beyond Colossal" Gastmusiker dabei?

Auf der Tour mit MASTODON vor ein paar Jahren haben wir uns mit den Jungs angefreundet. Und als wir kurz davor waren, ins Studio zu gehen, um "Through The Eyes Of Heathens" aufzunehmen, habe ich irgendwo gelesen, dass MASTODON ein Konzert mit IRON MAIDEN in Helsinki spielen würden. Also habe ich Trey spontan gemailt, dass wir gerade in Helsinki sind, um das Album aufzunehmen, wenn auch sie in der Stadt sind. Ich fragte ihn, ob er nicht Interesse daran habe, uns ein paar Stunden im Studio zu besuchen, denn wir hätten da einen Song, auf den seine Stimme perfekt passen würde. Und er hat unser Angebot freudig angenommen ... der Rest ist Geschichte. Auf "Beyond Colossal" wird auch ein Gastsänger sein: Neil Fallon von CLUTCH, der bei zwei Nummern singen wird. Ein Traum wird wahr! Ich bin ein riesiger CLUTCH-Fan seit mehr als 13 Jahren, und ja, das ist wirklich eine Riesensache! Die Story ist wie bei MASTODON: Wir haben 2003 mit CLUTCH getourt, sie besser kennen gelernt, und in diesem Frühjahr wurden sie gebucht um in Borlänge, unserer Heimatstadt, zu spielen. Ich musste Neil also auch nur mailen. Mir kommt es so vor, als hätten wir ein gutes Timing, wenn es darum geht, Alben aufzunehmen, hehe.

Ihr seid schon mit sehr vielen coolen Bands unterwegs gewesen: Nicht nur mit MASTODON und CLUTCH, sondern auch mit ROLLINS BAND oder ENTOMBED. Was sind eure schönsten Tour-Anekdoten?

Hm, da gibt es so verdammt viele! Auf jeder Tour passiert Gutes, Schlechtes, Komisches und Verrücktes. Aber eine der verrücktesten Geschichten ist die, als wir in Turku, Finnland eine Show spielten. Wir waren so ungefähr in der Hälfte unseres Sets und der Auftritt verlief bis dahin sehr gut, dank des schön besoffenen Publikums, und dann, urplötzlich, kam ein Fan auf die Bühne gesprungen, ging zu Frederik und hat seinen Arm um ihn gelegt. Es sah aus, als wolle er ihn auf die Wange küssen. Und dann: bamm! Frederik schubst ihn von der Bühne, Frederik war total verängstigt und geschockt und hat für den Rest des Songs aufgehört zu spielen und zu singen. Danach ging ich zu ihm und fragte, was denn eigentlich los sei. Und Frederik, der immer noch ein wenig geschockt aussah, antwortete: "Das Arschloch wollte mir ins Gesicht beißen! Ich habe seine Zähne schon gespürt, der wollte mich beißen!"

Neben DOZER seid ihr noch in anderen Projekten tätig: GREENLEAF, THE SICK und VAKA. Existieren diese nach wie vor?Wie kann man sich deren Musik vorstellen?

DOZER ist und bleibt die Nummer eins. All die anderen Projekte machen wir spaßeshalber und nur dann, wenn wir nicht mit DOZER beschäftigt sind. GREENLEAF gibt es immer noch, wir haben unser drittes Album letztes Jahr veröffentlicht. Die Band spielt straighten 70s Rock mit ein paar psychedelischen Einflüssen. THE SICK war purer Punk-Rock'n'Roll. Mit der Band haben wir schon seit Jahren nichts mehr gemacht, also kann man sagen, sie existiert nicht mehr. VAKA ist die neue Band unseres Ex-Drummers Daniel. Er wird seine erste CD auch noch dieses Jahr veröffentlichen. Sehr harter und cooler Scheiß!

Was denkst du über die aktuelle Situation der Musikindustrie? Verdient ihr genügend Geld, um vom Musikmachen leben zu können, oder müsst ihr nebenbei auch noch "normalen" Jobs nachgehen?

Wie jeder weiß, hat sich die Musikindustrie in den letzten Jahren stark verändert. Positiv ist, dass du keine große Plattenfirma mehr brauchst, um bekannt zu werden. Mittlerweile kann man fast alles selbst machen, zum Beispiel mit Hilfe des Internets. Erstelle einfach eine MySpace-Seite und überall auf der Welt können die Leute deine Musik hören, was ich sehr cool finde. Natürlich gibt es auch eine Kehrseite, denn man kann durch Plattenverkäufe kaum noch Geld verdienen. Viele Leute laden sich die Musik einfach runter. Ich muss gestehen, ich tue es auch. Aber ich finde es in Ordnung, so lange man in irgendeiner Form noch seine Lieblingsbands unterstützt - insbesondere die nicht so bekannten, die berühmten Bands brauchen nicht noch mehr Geld, hehe. Damit meine ich: Geht zu den Auftritten, kauft Merchandise und so weiter. Das wird all die wirklich guten Bands am Leben erhalten. Wir können nicht von der Musik leben, haben also auch "normale" Berufe. Nur durch Touren können wir ein wenig nebenher verdienen.

Arndt Aldenhoven