Ska Pack – Vol. 5

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Ska-Open-Air-Festivals in Deutschland:

Riverside Stomp Open Air & This Is Ska Festival

Auch wenn uns die kalten Tage und der Winter erst noch bevorstehen, freuen sich die meisten von uns doch bereits wieder auf mildere Temperaturen und auf Sonnenschein. Sommerzeit bedeutet Festivalzeit. Die Open-Air-Saison beginnt im Mai und endet im September. Einige Monate also, um die vielfältigen Angebote der Veranstalter zu nutzen. Abseits der überteuerten Massenereignisse, die Zigtausende anlocken und tagelang der Reizüberflutung von Dauerwerbung und Markenzwang aussetzen, gibt es liebevolle, familiäre Konzerterlebnisse im Freien, die zudem speziell für die Freunde gediegener Skinhead-Musik gedacht sind. Was gibt es Schöneres, als in lauen Sommernächten Partys mit Sunshine Reggae und Ska bei angenehmen Temperaturen, fantastischer Musik, mit Freunden und Gleichgesinnten zu verbringen?

Deshalb stelle ich euch hier meine beiden persönlichen Favoriten in Sachen deutscher Open-Air-Festivals für Kurzhaarträger vor: zum einen das Rosslauer „This Is Ska“-Festival im Wasserschloss, zum anderen das in Mainz-Kastel stattfindende „Riverside Stomp Open Air“ in der Reduit. Letzteres seit drei Jahren in der Nachbarschaft, nur einen Kilometer Luftlinie auf der anderen Rheinseite gelegen, werde ich in Sachen traditioneller Ska-Musik regelmäßig durch Flyer-Versand von Herman Junglas und seinem eifrigen Team auf den Laufenden gehalten. Jörg Volta, Mitinitiator des Rosslauer Open Airs und Musiker der Ska-Band DIE TORNADOS, lernte ich bei einem Veranstalterseminar 1998 in München kennen. Nachstehend erhaltet ihr einen kleinen Einblick über die Geschichte und Aktuelles der beiden Festivals.

Fangen wir an in Rosslau, einer kleinen Gemeinde bei Dessau in Sachsen-Anhalt. Vier Mal zog es mich bislang in das idyllische Örtchen, das seit 1997 jedes Jahr Ende Juni Hunderte Skinheads, Punks und Musikliebhaber des Offbeats in der Wasserburg aus dem 12. Jahrhundert beherbergt. „Das Gelände lag bei uns um die Ecke, und wir waren voller Begeisterung für Ska und Rocksteady. Zu der Zeit gab’s auch noch nicht diesen Overkill an Ska-Bands und -Konzerten. Wir wollten jedenfalls das Festival veranstalten, bei dem wir selbst gerne Gast wären.“, erzählt Jörg zu den Ursprüngen. Die richtige Mischung Bands und eine entspannte Atmosphäre – so entstand also das „This Is Ska“-Festival. Die Veranstalter kommen aus dem Dunstkreis der dort ansässigen Ska-Band DIE TORNADOS und dem Beatclub Dessau. Die Mannschaft hat sich seit den Anfangstagen kaum verändert, bestätigt mir Jörg. Das Festival hat sich Jahr für Jahr weiterentwickelt, und trotzdem ist es den Machern wichtig, authentisch zu bleiben. Gute Laune und ein entspanntes und freundliches Miteinander haben den gleichen Stellenwert wie ein gutes musikalisches Programm. Und das ist damals wie heute ein Leistungsgarant für diese große Party, deren Kapazitäten jedoch langsam erreicht sind. „Dieses Jahr waren über 2.500 Leute da. Das reicht uns dann auch langsam. Wichtig sind nette Leute und klasse Musik. Außerdem soll das Festival einen Treffpunkt der Ska-Szene darstellen, wo man sich austauscht, neue Bands entdeckt und im besten Fall das Ganze ein Stück voranbringt. Ich hoffe jedenfalls, dass uns das gelingt und auch in Zukunft gelingen wird.“

Meiner Meinung nach ist ihnen das bestens gelungen, und für die Zukunft habe ich angesichts so eines Engagements keinerlei Zweifel. Selbst schlechtes Wetter in der Vergangenheit veranlasste die Fans nicht wegzubleiben. Und war das Festival anfangs noch ein Geheimtip, ist es heute aus der deutschen Ska-Landschaft nicht mehr wegzudenken. Der Erfolg gibt den Initiatoren Recht. Der allgemeine Zuspruch ermöglichte weitere Aktivitäten. „Wir organisieren ja mittlerweile viele Festivals, die ‚Summer Safari‘, das Dynamite-Skafestival, das ‚Spirit From The Street‘-Festival und etliche mehr. ‚This Is Ska‘ ist als unser erstes Festival immer etwas außen vor. Bis heute ist es ein Treffen von unserem Freundeskreis, mit viel Alkohol und Herzblut. Es macht Spaß, in gewisser Hinsicht eine Institution dieser Szene zu sein, eine feste Größe, auf die man jedes Jahr zählen kann.“

Die anderen Veranstaltungen sind musikalisch vielfältiger und bedienen sich neben Ska, Rocksteady und Reggae auch anderer Genres. Und so plant man in Dessau routiniert die Festivalsaison 2009, in der Hoffnung, das eine oder andere Highlight der Ska- und Reggae-Szene nach Rosslau holen zu können. „Wir hatten die Ehre, 2004 den ersten Auftritt der AGGROLITES in Europa veranstalten zu dürfen. Legendär war auch die Show 2006 der PIONEERS, oder die von Derrick Morgan in diesem Jahr. Oft sind es auch die ‚kleinen‘ Bands, die einen überraschend begeistern, wie beispielsweise BIBI RIBOZI aus Polen. Wir buchen alle Spielarten des Ska, auch wenn unsere persönlichen Vorlieben eher beim traditionellen Ska liegen. Allerdings würde ich mir schon experimentierfreudigere Bands, wie LO AND THE MAGNETICS oder AGGROLITES wünschen, die das Genre wirklich um Neues bereichern. Wir suchen ständig Bands, die das gewisse Etwas haben, und freuen uns, wenn wir fündig werden.“

Erfreulich, dass auch seitens der Veranstalter diese Meinung herrscht, schließlich lese ich seit Jahren die gleichen Headliner der ersten oder zweiten Ska-Generation. „Ich will kein Festival, das jedes Jahr das Gleiche bietet“, so Jörg Folta. Im gleichen Atemzug ergänzt er jedoch, dass es nach zehn Jahren schwieriger wird, sich nicht bei den großen Namen der Szene zu wiederholen. Auch das kam – leider – schon vor. Wenn das mal kein Aufruf an die deutsche Ska-Szene ist!

Vom Nordosten quer durch die Republik in südwestlichere Gefilde nach Mainz-Kastel, wo uns in der Reduit Hermann Junglas erwartet. Die Reduit war im 19. Jahrhundert Teil der Mainzer Festungsanlage. Mittlerweile befinden sich auf dem Gelände allerlei Gewerbe und Vereine, daneben gluckert Vater Rhein. Der Innenhof der Reduit ist mittlerweile dreimal im Jahr Schauplatz für Ska- und Reggae-Veranstaltungen. Für das Rhein-Main-Gebiet ist die Reduit die Ska-Insel. Fast beiläufig fing man 1998 an mit dem Riverside Stomp Open Air. Wie so oft, weil man der Meinung war, dass Ska in der Gegend unterrepräsentiert ist und man gerne selbst diverse Bands einmal live sehen würde, ohne stundenlang und Hunderte von Kilometern fahren zu müssen. Die Situation heute ist wie vor zehn Jahren, denn was in Sachen Ska außerhalb der Reduit im Rhein-Main-Gebiet geschieht, ist – dezent ausgedrückt – sehr überschaubar. Die Resonanz 1998 war so gut, dass bereits bei der ersten Veranstaltung über 1.500 Besucher gezählt wurden. Seit diesem Erfolg arbeiten Hermann und sein Team, das von zehn auf mittlerweile vierzig HelferInnen angewachsen ist, alljährlich an den Konzerten. Der Eintrittspreis ist unglaublich gering, deshalb ist klar, dass trotz immenser Eigenleistung und Erlösen aus Eintrittsgeldern und Getränkeverkauf, ohne Sponsoren nichts geht. „Der konstante Mangel an Geld fordert natürlich heraus, mehrheitlich flexibel zu arbeiten. Die Werbearbeit hat sich gewaltig verändert, und wir stimmen uns verstärkt mit anderen Veranstaltern ab.“ Das Open Air findet Anfang August statt. Liebhaber des Offbeat trotzen auch in Mainz-Kastel jeder Witterung, wie Herrmann berichtet: „Es gab auch schon verregnete Festivals. Spielt keine Rolle, sie finden trotzdem statt. Eine Ausweichmöglichkeit haben wir nicht. Und selbst bei Regen war uns das Publikum treu.“

Neben den drei Open-Air-Festivals in den Sommermonaten veranstaltet das Team um Hermann Junglas das ganze Jahr über Ska-Konzerte in einem kleinen Saal in der Reduit. In angenehm familiärer Atmosphäre bekommt man für einen angemessen-fairen Eintrittspreis europäische Ska-Acts präsentiert. Schade finde ich persönlich lediglich, dass sich die Veranstalter etwas zu sehr auf die traditionelle Schiene festgelegt haben. „Traditioneller Ska, Rocksteady, Skinhead-Reggae und Ausflüge in den 2Tone sind die bevorzugten Spielarten. Kaum oder gar nicht spielen Skacore, Skapunk oder Ähnliches eine Rolle.“

Auf den letzten Festivals begrüßte man vor allem Musiker der ersten Stunde wie Laurel Aitken, Desmond Dekker, Prince Buster, Lord Tanamo, Dennis Brown, Derrick Morgan, THE PIONEERS, Ken Boothe, Dave Barker, Winston Francis, Dawn Penn, Rico Rodriguez oder Eddie Tan Tan Thornton. „Wir lieben die Originale.“ – Manche davon sind mittlerweile leider verstorben. „Fast Klassiker“, findet Herrmann, „sind auch INTENSIFIED, THE MOON INVADERS oder SKATREK.“ In diesem Zusammenhang kommen mir manche langjährigen deutschen Vertreter wie SKAOS, NU SPORTS, THE BUSTERS oder EL BOSSO UND DIE PING PONGS in den Sinn. Auf internationalem Sektor möchte sich Hermann in naher Zukunft noch einige Wünsche erfüllen. So hofft er in einem der nächsten Festivals Künstler wie Alton Ellis, Dennis Alcapone, Bruce Ruffin, Owen Gray, Doreen Shaffer oder THE SKATALITES präsentieren zu können: „Schließlich „muss das Programm attraktiv sein.“

In Mainz wie in Rosslau werden die Konzerte von Fans für Fans organisiert. Bei beiden Veranstaltungen ist die Liebe zur Musik, zur Szene sicht- und spürbar. Hier sind in erster Linie Menschen am Werk, die sich mit Leib und Seele der Kultur, ihrer Musik und der dazugehörigen Philosophie von und um Ska und Reggae verschrieben haben. Sicher wird auch hier kalkuliert und müssen Rechnungen bezahlt werden, allerdings bleibt ein Großteil des Geldes innerhalb der Szene. Es profitieren zumeist Firmen, die bereits seit Jahren für die Ska-Musik arbeiten. Ich denke jetzt dabei beispielsweise an diverse einschlägige Agenturen, Labels oder Mailorder. Diese intakte „Familie“ mit ihren engagierten, langjährigen (ehrenamtlichen) MitarbeiterInnen hält diese (Sub-)Kultur und Spartenmusik am Leben. Solange sich Leute wie Hermann Junglas und Jörg Volta mit all den begeisterten Menschen im Hintergrund private Musikwünsche erfüllen, nette Menschen aus aller Welt treffen und bei exzellenter Live-Musik feiern können, solange werden sie den Besuchern das Gefühl vermitteln, dass „es auch unsere Party ist und wir das Programm, die Kosten und alles Drumherum so gestalten, dass wir auch selbst hingehen würden.“