WALTER ELF vs. KICK JONESES

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Ein lustiges Brezelfrühstück

Seit 23 Jahren machen Beppo, Jürgen, Frank und Alex zusammen Musik: Erst als WALTER ELF, die immer die Zwillingsband der SPERMBIRDS waren, und nach dem W11-Ende 1991 mit englischen statt deutschen Texten unter dem Namen KICK JONESES. Mit WALTER ELF waren sie – unfreiwillig – Teil des Funpunk-Phänomens der späten Achtziger, heute wird eher gepflegter (Post-)Punk englischer Prägung gespielt. Anfang 2009 haben die „Kickies“ ein neues Album am Start, davor gibt es an Weihnachten im heimatlichen Kaiserslautern gleich zwei WALTER ELF-Konzerte, und so nutzte ich den Anlass, die mittlerweile im Kölner Exil lebenden Herren Götte und Schattner zu einem morgendlichen Interviewtermin aufzusuchen – natürlich mit frischen Brezeln, wie es sich in süddeutscher Tradition gehört.

Zum Einstieg bitte ich, unseren jungen Lesern zuliebe, um eine kurze Erklärung, was es mit dem Namenspatron der WALTER ELF auf sich hat.


Beppo: Fritz Walter war einer der besten Fußballer, die es in Deutschland je gab, zumindest sagen das die Leute, die ihn haben spielen sehen. Er gewann 1954 als Kapitän mit der Nationalmannschaft die Fußballweltmeisterschaft in Bern. Und da Kaiserslautern, wo wir herkommen, sehr vom Fußball geprägt ist – außer Pfaff-Nähmaschinen, Opel und dem Guss- und Armaturenwerk, dessen Gullideckel man überall in Deutschland finden kann, gibt es da nicht viel – war es eben der Fußball, der uns geprägt hat. Was nun den Bandnamen anbelangt, so fanden wir es damals lustig, eine Band mit sechs Leuten WALTER ELF zu nennen – heute allerdings kann ich diesen Humor nicht mehr so ganz nachvollziehen.

Jürgen: Ja, und passend dazu gibt es heute in Süddeutschland zwei WALTER ELF-Coverband – die heißt WALTER SECHS und die andere KELLERWALTER.

Gegründet habt ihr die Band 1983 – das heißt, dieses Jahr an Weihnachten wird der 25. Geburtstag gefeiert.

Beppo: Ja, so ungefähr 1983 war das ... eher 1982. Da hatten wir zumindest die Vorgängerband gegründet. Wir lebten in einer Gegend, wo alles etwas später ankam, auch Punkrock. Als Punk in England schon längst vorbei war, fing das in Kaiserslautern gerade erst an. Vor uns gab es in Kaiserslautern eigentlich nur KAHLSCHLAG, K-TOWN X-DREAMYSTS und AWACS. An deutschen Bands kannte man da höchstens STRASSENJUNGS und BIG BALLS AND THE GREAT WHITE IDIOT, SLIME oder TOXOPLASMA. An sich gab es bei uns aber keine Punk-Kultur, und wir selbst waren ja eigentlich auch keine, sondern halt Bürgersöhnchen, die sich für Punk interessiert haben. Das Rebellische von Punk ging uns weitgehend ab, wir haben keine Mercedes-Sterne abgebrochen, höchstens mal im besoffenen Kopf, weil wir uns dann mutig vorkamen. Und fehlt halt der proletarische Großstadthintergrund, wir sind ...

... Dorfpunks?

Jürgen: Das trifft es ganz gut, denn wir kommen fast alle von Dörfern nahe Kaiserslautern: „Gott erschuf in seinem Zorn Enkenbach und Alsenborn“, heißt es bei uns.

Sprechen wir also lieber von Kaiserslautern: SPERMBIRDS, WALTER ELF, KICK JONESES, diese Bands überschneiden sich ja alle personell. Könnt ihr das mal aufklären?

Beppo: Also die SPERMBIRDS waren zu Beginn ein WALTER ELF-Ableger, das heißt, die SPERMBIRDS wurden etwas später gegründet, waren so was wie das „Alter Ego“ der WALTER ELF. Als mit Jahren Verspätung der US-Hardcore Kaiserslautern erreichte, erschien es uns unpassend, solche Musik mit WALTER ELF zu verarbeiten. Die Energie dieser Musik riss uns mit, und ich persönlich fand das Konstruktive am Hardcore gut – diese Punk-Rumrotzen auf der Bühne fand ich eher eklig. Wobei man natürlich schon sehen muss, dass BLACK FLAG inhaltlich auch was anderes waren als MINOR THREAT. Gleichzeitig fand ich aber auch Punkrock gut, und so gab es mit SPERMBIRDS und WALTER ELF zwei Rahmen, innerhalb derer wir das ausleben konnten. Später haben sich dann die SPERMBIRDS erfolgsmäßig etwas von der WALTER ELF abgesetzt, denn wir waren da ja auch international bekannt, was bei WALTER ELF nur am Rande der Fall war. Wobei ich bei Auslandskonzerten der SPERMBIRDS doch auch öfter mal auf WALTER ELF angesprochen werde, etwa im Baskenland.

Was waren denn für WALTER ELF die musikalischen Vorbilder?

Beppo: Bands wie SHAM 69, ANGELIC UPSTARTS, STIFF LITTLE FINGERS, RUTS, CHELSEA, so eher die zweite Reihe hinter SEX PISTOLS und CLASH, und natürlich auch DIE TOTEN HOSEN.

Und ihr hattet ein klares Konzept: Deutsche Texte und Tröte.

Beppo: Genau, wobei meine Tröte eher so ein Gag war. Ich dachte mir, wenn ich schon jahrelang Trompete geübt habe, dann kann ich die auch irgendwo einbringen.

Jürgen, wann kamst du dazu?

Jürgen: Das war 1985, als Alex und ich zur WALTER ELF stießen. Da wurden dann aber trotzdem fast immer beide Bands im Doppelpack gebucht. Da haben wir dann zwei Autos vollgemacht und sind losgefahren, denn fünf SPERMBIRDS plus Alex und ich waren dann auch die WALTER ELF. Und wir spielten damals fast nur im Saarland und in Baden-Württemberg, waren also schon in regionaler Hinsicht eng mit unseren Labels verbunden. Da war zum einen X-Mist aus dem Schwarzwald, wir spielten in Nagold, Calw, Freudenstadt, Herrenberg, und zum anderen We Bite, das war so Schwäbisch Gmünd, Aalen, Pforzheim, Leonberg, Waiblingen, Crailsheim und so weiter. Interessant daran ist, dass wir eigentlich nie in Stuttgart direkt spielten, das fand alles in den Kleinstädten drumherum statt.

Beppo: WALTER ELF ist wohl einfach Dorfpunk-Musik, ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir selbst meist in so Käffern gespielt haben wie jenen, aus denen wir kamen.

Irgendwann kamen dann KICK JONESES ins Spiel.

Jürgen: Ja, das war so ein fließender Übergang von WALTER ELF zu KICK JONESES. Es gab da einen Moment, wo wir merkten, dass das mit Musik, wie wir sie mit WALTER ELF gemacht haben, so Spaßmusik mit Fußballbezug, dass das komplett vorbei war. Es gab da 1990 diesen „Festival der Volxmusik“-Sampler, auf dem wir auch drauf waren mit „Spätzünder“, und ab da war alles vorbei – wir kamen aus der Funpunk-Nummer nie wieder raus.

In meiner Erinnerung waren WALTER ELF aber durchaus Teil dieser Fun-Punk-Szene mit Bands wie ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN, MIMMI’S, SCHLIESSMUSKEL, GOLDENE ZITRONEN und so weiter.

Beppo: Anfangs wollten wir da auch dazugehören, aber dann hatten wir uns eben weiterentwickelt. Und es war ja nicht so, dass wir sagten „Oh Gott, wir wollen weg von diesem schrecklichen Image!“, aber wir hatten uns musikalisch und textlich verändert, unsere letzte Platte hatte damit auch nichts mehr zu tun, die war klassischer Punkrock und wurde von den typischen WALTER ELF-Hörern nicht so gut angenommen.

Jürgen: Heute allerdings wird „Homo Sapiens“ durchaus geschätzt, muss ich feststellen. Wir hatten uns da von diesem Sauf- und Fußball-Ding abgewendet, die Funpunk-Welle war parallel dazu zu Ende, es kamen 1991 deutlich weniger Leute zum Konzert.

Beppo: Unter dem Namen wollten wir nicht weitermachen, also entschlossen wir uns, lieber was ganz neues zu machen. Wir mussten dann endlich nicht mehr „Hansi Müllers Schniedelwutz“ spielen ... musikalisch ist gegen das Lied nichts einzuwenden, aber textlich ist das dann doch etwas peinlich.

Und wie ist das, wenn ihr das heute spielt oder darauf angesprochen werdet – von Arbeitskollegen, Freunden ...?

Beppo: Na ja, das kann man ja erklären ... aber die Lieder heute noch live zu singen, das macht wirklich nur in Kaiserslautern Sinn, in der Kammgarn vor 900 Leuten. Letztes Jahr haben wir das mal auf einem Festival probiert, aber das hat nicht so wirklich funktioniert.

Jürgen: Und deshalb haben wir uns entschieden, nur noch Heimspiele zu machen.

Beppo: Außerdem sind die Konzerte in Kaiserslautern immer eine praktische Geldbeschaffungsmaßnahme, um so die Studiokosten für die nächste KICK JONESES-Platte zu bezahlen. Dieses Jahr spielen wir zwei Shows, so sind die Presskosten auch schon finanziert. Aber das ist nicht der Hauptgrund, es macht halt einfach Spaß in Kaiserslautern zu spielen – und es schmeichelt dem Ego, sich von 900 Leute feiern zu lassen, die alle Lieder mitsingen können.

Jürgen: Mit dem ersten Reunion-Konzert 2002, das war übrigens elf Jahre nach der Auflösung, haben wir vielen Leuten eine große Freude bereitet, denn so mancher war beim Abschiedskonzert noch zu jung, durfte gar nicht auf das Konzert. Und andere alte Fans kommen heute mit ihren Kindern.

In welcher Besetzung spielt ihr denn?

Beppo: In der aktuellen KICK JONESES-Besetzung: Jürgen Schattner an der Gitarre, Frank Rahm, der bis vor kurzem auch bei den SPERMBIRDS spielte, ebenfalls Gitarre, Dennis Trace spielt Bass, Schlagzeug Joachim „Lagges“ Wild, Alex Hoffmann Trompete, und ich singe. Und bei dem einen oder anderen Song kommen dann noch ehemalige WALTER ELF-Musiker dazu.

Auch Lee Hollis?

Beppo: Der kommt nur bei „Try again“ auf die Bühne, denn das haben wir früher schon immer bei WALTER ELF als Zugabe gespielt.

Wie habt ihr denn damals als Bands koexistiert, wurden da Songs getauscht?

Jürgen: Frank als Songwriter hat da schon mal überlegt, wo das jetzt besser passt, aber ansonsten war das klar. „Try again“ speziell hätte aber eigentlich schon immer mehr zu WALTER ELF gepasst, aber es wurde halt ein SPERMBIRDS-Song.

Sprechen wir über eure Platten. Wann kam wo welche?

Beppo: Die allererste Platte, eine Split-Single von WALTER ELF und SPERMBIRDS, kam auf X-Mist. Dann folgten die beiden ersten Alben – „Heut’ oder nie“ von 1986 und „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ von 1987 – auf We Bite, parallel zu zwei SPERMBIRDS-Platten auf We Bite, und dann wechselten wir zu X-Mist für die „Dedication“-EP und das dritte WALTER ELF-Alben „Homo Sapiens“, und die SPERMBIRDS auch.

Und sind die Sachen derzeit erhältlich?

Beppo: Ja, die hat Jürgen in den letzten Jahren alle auf seinem Label Rookie Records neu aufgelegt.

Jürgen: Und erstaunlicherweise verkaufen die sich heute noch. Demnächst kommt noch die Liveplatte, die auf Blasting Youth Records von Frank Babel erschienen war.

... jenem Label aus Ludwigshafen, wo auch ein Teil des Fortsetzungsromans „Peter Punk. Und: Hardcore“ von Klaus N. Frick spielt. Der beschreibt detailliert den damaligen Konflikt zwischen den altmodischen Lederjackenpunks einerseits und den Kapuzenpullis und Chucks tragenden „Slammern“ andererseits. Mit WALTER ELF und SPERMBIRDS standet ihr ja witzigerweise in beiden Lagern gleichzeitig, oder wie war das?

Beppo: Das war aber eigentlich zu Beginn kein wirkliches Problem. Die Szene war insgesamt recht klein, da kamen alle möglichen Leute zu den Konzerten.

Jürgen: Punk und Hardcore haben sich damals noch nicht ausgeschlossen. Da hattest du vorne die Flanellhemden und hinten die Iros.

Beppo: Die Trennung kam dann erst im Laufe der Zeit und ging von den Hardcore-Leuten aus. Die sahen halt, dass die Punks sich immer nur zusaufen und schnorren und spucken, und mit der Zeit gab das so einen Bruch. Prügeleien oder so gab es aber nicht.

Zurück in die Gegenwart: Ihr habt mit KICK JONESES mal wieder neue Aufnahmen gemacht.

Jürgen: Ja, wir haben es mal wieder geschafft. Der Abstand zwischen den Alben wird immer größer ... 2003 kam die letzte Platte.

Beppo: Mit jedem Kind und jedem neuen Job, hahaha. Ich bin gespannt, was mit der neuen Platte passiert, denn wir sind ja keine Band, die ständig auf Tour sein kann. Also geben wir diesmal etwas mehr Geld für Promotion aus, wir haben ein Video gemacht und sind gespannt, ob das was bringt.

Ich habe die Lieder ja schon gehört, und da sind überraschenderweise auch welche mit deutschem Text dabei – das klingt beinahe schon wie WALTER ELF ... Wie kam’s dazu, und warum nicht eine neue Platte unter dem alten Namen?

Jürgen: Ja, unsere Herkunft lässt sich eben nicht verleugnen, aber 15 Jahre songwriterische Weiterentwicklung auch nicht. Hier und da haben wir mit dem Gedanken einer neuen Platte unter altem Namen durchaus gespielt, aber wenn man das machen würde, müsste man auch die ganzen alten Sachen immer wieder spielen ...

Beppo: KICK JONESES gibt es halt auch schon so lange, und wir sind zwar nicht vom Erfolg verfolgt, aber wir machen dann doch lieber unter dem Namen neue Platten. Ich finde aber gar nicht, dass die Lieder, vom deutschem Gesang abgesehen, nach WALTER ELF klingen. Und das mit dem den deutschen Text hat sich halt einfach so ergeben.

Welchen Status hat die Band heute für euch? Ist das ein liebgewonnenes Hobby?

Beppo: Genau. Die Band hat für mich mehrere Funktionen: Erstens komme ich so auch als Familienvater mit drei Kindern mal raus und lerne neue Leute kennen, zweitens treffe ich so regelmäßig meine Bandkollegen, die auch meine besten Freunde sind, aber in verschiedenen Städten wohnen, und drittens brauche ich einfach was, um mich kreativ betätigen zu können, kann mit einer neuen Platte die ganzen Lieder abladen, die sich in der Schublade angesammelt haben.

Jürgen: Für mich ist das ähnlich – ohne den Freundschafts- und Spaßfaktor würde es die Band nicht mehr geben.

Und was sind die weiteren Pläne?

Beppo: Erst mal kommt das KICK JONESES Album 2009, und dann wird es nächstes Jahr wohl auch ein neues SPERMBIRDS-Album geben.

Ich bin gespannt.