JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE/WORLD DOWNFALL

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Vegan, Illegan, Scheißegan

JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE aus Essen glänzen besonders durch ihren Einfallsreichtum, der sich in sehr guten, kritischen und witzigen deutschen Texten, sowie musikalisch in einer eigenständigen Mischung aus Grindcore und Punk äußert. Die Kölner WORLD DOWNFALL haben hingegen weniger den Anspruch, textlich und musikalisch das Rad neu zu erfinden. Aber sie wissen, wie Grindcore der besseren Sorte im Studio und auf der Bühne zu funktionieren hat. Beide Bands verbinden, neben den furchtbaren Frisuren der jeweiligen Sänger, teilweise recht ähnliche Vorstellungen wie beispielsweise über D.I.Y. oder „Political Correctness“. Das Split-Interview fand am 05.12.08 mit Kather und Bony von den „Jakas“ und Lohm von WORLD DOWNFALL im Sonic Ballroom zu Köln statt.

An die „Jakas“: Vor kurzem ist eine DVD von euch erschienen, „Japanische Kampfspielfilme“. Was spricht dafür, sich diese DVD zu kaufen?


Bony: Die DVD ist anders als jede andere DVD. Auf anderen DVDs findest du Aufkleber mit „5.1 Surroundmix“ und „Mit acht Kameras gefilmt“. Bei uns ist alles schön mit einer Kamera aufgenommen worden und „surround“ ist bei uns 0.0. Inhaltlich sind das 180 Minuten, die die gesamten ersten zehn Jahre JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE abdecken.

Kather: Es gibt darauf aber viele Handyfilmereien von Fans. Wir haben also schon mehrere Schnitte und Kameraperspektiven.

Lohm: Ich habe die DVD auch schon gesehen. Und was ich super finde, das sind die Anekdoten dazwischen. Die Live-Sequenzen von euren Konzerten habe ich eigentlich immer vorgespult.

Beide Bands haben sowohl in der Metal- als auch in der Punk/HC-Szene Anhänger. Was für Bezüge habt ihr selbst zu den beiden Szenen und wie wichtig ist es euch, was für ein Publikum ihr mit eurer Musik ansprecht?

Kather: Also ich höre, seitdem ich nicht mehr zu Hause wohne, überhaupt keinen Metal mehr, sondern nur noch französische Pornomusik und Chansons. Metal ist das, was ich praktiziere. Unser Publikum besteht auch mehr aus 16- bis 18-Jährigen, die zu Hause ihre Eltern noch auf irgendetwas hinweisen müssen.

Bony: Wir machen uns aber nicht großartig Gedanken darüber, wer unsere Musik hört. Denn sobald man anfängt, Musik auf ein gewisses Publikum abzustimmen, wird es schon scheiße.

Lohm: Also ich höre ausschließlich Metal und ich will auch nur Metalheads bei mir auf den Konzerten haben.

Bony: Es sind halt auch nicht immer Besucher auf den Konzerten, die einem gefallen. Wir hatten zum Beispiel mal ein Shirt an unserem Merchstand, auf dem stand „Vegan, Illegan, Scheißegan“. Seitdem, und insbesondere heute, kommen immer sehr viele Leute, manchmal auch zwei Minuten, bevor wir anfangen zu spielen, und fragen mich, ob wir dagegen sind, wenn jemand vegan lebt. In so etwas sehen Leute immer irgendeine Message. Viele denken auch aufgrund unserer ansatzweise kritischen Texte, wir seien jetzt unfehlbare Menschen, die Fairtrade-Kaffee trinken. Diese Leute müssen wir leider immer wieder enttäuschen.

Kather: Also Metal ist Provokation, und wenn es keinen mehr gibt, den man provozieren kann, weil sowieso alles im Fernsehen kommt, dann muss man die eigene Szene provozieren.

Beide Bands haben ihre spezielle Art, sich in irgendeiner Weise „anstößig“ oder „polarisierend“ zu präsentieren, entweder durch eben genannte Merchartikel oder durch ein „prolligeres“ Bühnenverhalten. Was für Erfahrungen habt ihr mit dem Vorwurf gemacht, nicht politisch korrekt zu sein?

Bony: Ich hatte mal bei einem Konzert in Bielefeld so ins Schlussgeplänkel hinein gesagt: „Grindpunk, ihr Fotzen!“ Und damit meinte ich alle Anwesenden, also Männer und Frauen. Das gab ein riesiges Getratsche hinterher im Internet. Und zwar insbesondere von Leuten zwischen 19 und 21 Jahren, die die Welt retten wollen, aber am falschen Punkt ansetzen.

Und wie reagiert ihr auf entsprechende Vorwürfe?

Bony: Ich glaube, die geilste Reaktion ist einfach, nicht darauf zu reagieren. Wenn wir zum Beispiel in einem Antifa-Jugendzentrum in Rostock spielen und den Veranstalter fragen, wo hier ein McDonalds ist, und dann kommt: „Das meinst du jetzt aber nicht ernst, oder?“, dann sage ich, dass ich das natürlich ernst meine, weil manche von uns essen bei McDonalds. Ich finde es löblich, wenn jemand sagt, dass er keinen Alkohol trinkt, keine Zigaretten raucht oder sonstiges nicht macht. Aber er muss es nicht wie eine Berufung vor sich hertragen.

Lohm: Das sehe ich ähnlich. Ich würde niemals zu McDonalds gehen, aber deshalb ist ein Mensch, der das macht, kein Untermensch.

Welche Bedeutung haben die Songtexte für euch?

Kather: Für mich machen die Songtexte fünfzig Prozent bei der Band aus – wenn nicht vielleicht sogar noch mehr.

Lohm: Dann muss ich ehrlich mal sagen: „Alle Achtung!“ Denn ich denke, dass von den Leuten, die uns hören, vielleicht gerade mal fünf Prozent an den Texten interessiert sind. Glaubst du wirklich, dass der Inhalt eurer Texte irgendjemand interessiert? Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Fans singen Song-Passagen zwar vor der Bühne mit, raffen aber nicht, was ihr meint.

Kather: Was man damit meint, ist Interpretationssache, die jeder für sich selbst ausmachen kann. Wir haben auch viele Fans zum Beispiel aus dem Poetry-Slam-Bereich, die mit der Musik überhaupt nichts anfangen können und sich nur für die Texte interessieren.

Lohm: Wir haben im Vergleich dazu vielleicht etwas plakativere, sozialkritische Texte. Viele denken von uns auch, wir wären eine extrem politische Band. Ich selbst schreibe kaum Texte; das machen Kevin oder Sven. Ich mache dafür die coolen Ansagen, hehe. Aber Texte sind uns schon wirklich sehr, sehr wichtig. Das, was wir machen – gegen Nazis, gegen das Establishment, und so weiter, – das ist nichts Neues, aber das sind Dinge, die mir sehr wichtig sind und das möchte ich weiterhin plakativ und blöd durchziehen.

Zeitlich mit den CD-Veröffentlichungen der beiden WORLD DOWNFALL-Alben, habt ihr eure Songs im Netz gratis zum Download angeboten. Was waren die Hintergründe dafür und wie finanziert ihr euch die Aufnahmen?

Lohm: Die Band ist ein Hobby – und wir brauchen die Kohle nicht, denn wir verkaufen genug Platten, um unsere Kosten decken zu können. Fans werden sich immer das Original kaufen und nicht damit zufrieden sein, wenn sie sich irgendetwas herunterladen. Uns geht es auch nicht darum, dass wir mit der Musik Kohle verdienen. Wir kommen viel in Deutschland herum und das ist doch schon wunderbar.

Bony, was denkst du, wenn plötzlich während eines Konzertes eine nackte Frau auf die Bühne kommt, wild um dich herumtanzt und dies niemanden außer dich zu wundern scheint? Stichwort: Deathfest 2008 ...

Bony: Ich hatte zuvor noch die Ansage gemacht: „Kommt, wir drehen einen Porno, ich hoffe, ihr habt alle eure Videokameras dabei.“ Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass diese Frau nackt auf die Bühne springt, was mir hinterher natürlich keine Sau geglaubt hat. Ich stand da einfach nur und habe meine Kreiselheadbanger-Show abgezogen und sah plötzlich, dass da irgendjemand mit nackter Haut stand. Das Erste, was ich in diesem Moment gedacht hatte, war nur: „Lass es bitte keinen Mann sein!“ Das war auf jeden Fall eine Überraschung, muss aber nicht unbedingt noch mal sein.

Und was dürfen wir von den „Jakas“ und WORLD DOWNFALL 2009 erwarten?

Kather: Von uns kommt eine Split-CD mit EISENVATER raus sowie ein neues Album.

Bony: Und vielleicht gehen wir acht, neun Tage mit einer größeren Band auf Europatour, aber das ist noch nicht spruchreif.

Lohm: Wir schmeißen Sven raus!