STARVIN HUNGRY

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Man ist nie zu alt, um eine Band zu gründen ...

... und kaum jemand würde sich als Kronzeuge für diese These besser eignen als John Milchem, der treibenden Kraft hinter STARVIN HUNGRY aus Montreal, die 2007 mit „Cold Burns“ ein dreckiges, kleines, in Schweiß, Rotz und Whiskey gebadetes Biest auf die Hörerschaft losließen, welches zudem ohrenscheinlich ganz vom Geiste solch illustrer Persönlichkeiten wie den Herren Asheton, Sage und Reed beeinflusst zu sein scheint. Ende letzten Jahres erschien die Platte dann endlich auch in Deutschland (siehe Review in Ox #81), Grund genug also, dem sympathischen Mittvierziger, der erst im fortgeschrittenen Alter von 29 Jahren anfing, ernsthaft Musik zu machen, und sich ansonsten als Koch in einem spanischen Restaurant verdingt, mal ein paar Fragen zukommen zu lassen. Die gegenwärtige Besetzung von STARVIN HUNGRY rekrutiert sich übrigens aus John Milchem (Gitarre und Gesang), Dave Lavoie (Bass) und Spencer Warren am Schlagzeug.

John, zunächst würde mich ein kurzer Abriss der Bandgeschichte interessieren. Aus der Kurzbiografie auf der Labelseite geht hervor, das die Band bereits 1995 gegründet wurde. Wie kommt es, dass es ganze neun Jahre bis zum ersten Album dauerte und dann noch mal weitere vier bis zu „Cold Burns“? Hattest du noch andere Projekte vor beziehungsweise während STARVIN HUNGRY?


Nun, meine erste Band hatte ich tatsächlich erst im Alter von 29. Es handelte sich um eine Zwei-Mann-Garage-Combo namens RUGBURN, die ich 1992 mit meinem Kumpel Rose Kallal in Toronto gründete. Abgesehen von einem Tape in 50er-Auflage, gibt es darüber nichts Besonderes zu erwähnen. Mit besagtem Freund spielte ich 1998 noch mal in einer experimentellen Pop-Band zusammen, aber auch mit dieser veröffentlichten wir nur ein Tape. In der Tat fing ich mit STARVIN HUNGRY bereits 1995 an, aber zunächst handelte es sich dabei nur um eine One-Man-Band – nur ich, billige, unterschiedlich verzerrte Gitarren und ein Verstärker. Ich nannte mich STARVIN HUNGRY, weil ich schon immer zur Völlerei neigte, sei es nun in Bezug auf Essen, Trinken, Rauchen etc. Eine Zeit lang spielte ich unter diesem Namen dann auch gemeinsam mit meinem Zwillingsbruder Glenn, der ein sehr bekannter Schlagzeuger in Toronto ist und mich auch recht bald wieder verließ, da seine eigentliche Countrypop-Band BLUE RODEO in Kanada immens erfolgreich und dementsprechend zeitaufwändig ist. Wir nahmen allerdings ’99 ein niemals veröffentlichtes Album miteinander auf. Es ist quasi eine Art Frühfassung von „Damnesty“ und einige, die es hörten, meinten, es sei besser als die später tatsächlich erschienen Platten. Anno 2000 zog ich der Liebe wegen nach Montreal und nach einem Jahr Pause befand ich, dass es an der Zeit wäre, STARVIN HUNGRY zu reanimieren, da ich die Songs für gut genug und würdig hielt, auch außerhalb Torontos gehört zu werden. Nach ein paar Jahren wuchs mein Projekt endlich und tatsächlich zu einer richtigen vierköpfigen Band an und wir gingen ins Studio, um „Damnesty“ aufzunehmen; die Platte erschien 2004 auf als „Canada only“-Release auf Grenadine Records. Diverse Line-up-Wechsel folgten, wir tourten so viel, wie irgend möglich, und nach ein paar weiteren Jahren hatten wir endlich das Geld beisammen, um „Cold Burns“ aufnehmen zu können. Leider beging ich den Fehler, vorher keine Demo-Aufnahmen gemacht zu haben, und war dementsprechend unzufrieden mit den Basic-Tracks. Es dauerte das ganze Jahr 2006 über, um an den Aufnahmen so herumzubasteln, bis ich mit dem Ergebnis endlich komplett zufrieden war und die Platte dann 2007 auf Signed By Force erscheinen konnte. Noch mal ein weiteres Jahr dauerte es schließlich, bis das Label endlich einen Vertrieb in Europa hatte ...

„Cold Burns“ wirkt auf mich wie eine gelungene Mischung aus den hypnotisch-monotonen und unablässig nach vorne peitschenden Gitarrensounds früher STOOGES-Alben und dem subtilen Songwriting der WIPERS; in ruhigeren Momenten fühle ich mich zudem irgendwie an Lou Reed erinnert. Würdest du dem zustimmen?

Es freut mich, dass du Lou Reed erwähnst, denn ich verehre ihn sehr! Er ist ein großer Einfluss, auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass man das so deutlich raushört. Auch Greg Sage und die WIPERS sind eine wichtige Inspiration für mich, obwohl ich sie erst vor ein paar Jahren für mich entdeckt habe. Jedenfalls habe ich während der Aufnahmen die ersten drei WIPERS-Platten sehr häufig gehört, genauso wie das „Too Much Guitar!“-Album von REIGNING SOUND; keine Ahnung, inwieweit sich das auf „Cold Burns“ niedergeschlagen hat.

Wie zufrieden bist du mit „Cold Burns“, auch im Vergleich zum Vorgänger „Damnesty“?

Schwer zu sagen, ich war eigentlich nur froh, als die Aufnahmen endlich vorbei waren, bei so etwas bin ich echt immer unerträglich. Frag nur mal Jace, von den BESNARD LAKES, der es produziert hat und mich ständig ertragen musste. Aber Jace ist ein großartiger Kerl, ein absolut hervorragender Sound-Engineer und überdies auch fabelhafter Musiker und Songwriter. Im Vergleich der beiden Platten hat „Damnesty“ eher einen „klassischen“ Rocksound. Jon Cummings, ein weiterer großartiger Kerl, der bei BIONIC spielt, produzierte es und hatte im Sinn, dass es irgendwie klingen sollte wie „Southern Harmony And Musical Companion“ von den BLACK CROWES, nur leider fehlten uns ein paar Hunderttausend Dollar, um es entsprechend hinzubekommen. „Cold Burns“ war hingegen deutlich rauher konzipiert, wobei meines Erachtens nach einige Stellen immer noch ziemlich nach „classic rock“ klingen, andere hingegen „pretty punk“ – das sind meine Lieblingsparts – und hier und da scheint es, als hätten wir nicht mitgekriegt, dass die Neunziger schon längst vorbei sind ...

Was steht in nächster Zukunft an für STARVIN HUNGRY? Ist vielleicht eine Europatour geplant, um „Cold Burns“ auch hier zu promoten? Und falls dem so sei, was dürfen wir dann von einer typischen Show von euch erwarten?

Wir haben in Europa bislang mehr mediales Feedback bekommen als zu Hause oder in den USA, also würden wir wirklich gerne rüberkommen. Momentan warten wir, ob uns die guten Reviews tatsächlich dabei helfen werden, ein paar Platten bei euch zu verkaufen, was es uns natürlich leichter machen würde, Shows zu buchen und die Reise zu finanzieren. Und wir sind natürlich eine Live-Band! Wir versuchen einfach nur, laut, schnell und tight zu spielen, mit einer Menge Energie und ohne Lightshow, Theater und lästiges Gequatsche zwischen den Songs.