FATBOY

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Wie ein billiges Motel

Wer sich bei den Wörtern „Rockabilly“ und „Mainstream“ mit Schrecken und Schaudern an das Rockabilly-Seitenprojekt eines gewissen Sasha erinnert, der kann an dieser Stelle beruhigt aufatmen. Die schwedischen FATBOY haben mit alldem rein gar nichts zu tun. Trotz ihrer momentanen medialen Omnipräsenz in der schwedischen Musikpresse, der Nominierung für den schwedischen Grammy und einem zeitweiligen Pop-Faktor, hat man es bei FATBOY mit Helden des subkulturellen Undergrounds zu tun, die seit zwei Jahrzehnten ihrer Liebe für den Sound vergangener Tage huldigen. Berichte über das aktuelle FATBOY-Album „In My Bones“ sind in der schwedischen Musikpresse mit Überschriften wie „From Punk to Sinatra“ oder „... sounds as much like THE CLASH as it sounds like Elvis Presley“ betitelt und beschreiben damit sehr treffend eine interessante musikalische Entwicklung von sechs Männern, deren Liebe für THE CLASH aber auch für THE SMITHS und Morrissey genauso groß ist, wie die Liebe für Roy Orbison. Der hymnische, düstere Titelsong „In my bones“ verzaubert auch Menschen, die das Phänomen Rockabilly nur mit Desinteresse am Rande verfolgen. Grund genug, dem außergewöhnlichem Sänger Thomas Pareigis, dessen Gesang auf verblüffende Weise dem des besagten Roy Orbison ähnelt, mit ein paar kurzen Fragen auf den Zahn zu fühlen.

Thomas, das mediale Interesse für FATBOY ist seit dem Erscheinen von „In My Bones“ in Schweden erstaunlich groß. Eher ungewöhnlich für eine Band, die doch in erster Linie als Underground-Country/Rockabilly-Formation begonnen hat. Wie erklärst du dir diese Entwicklung und was hat es mit „In My Bones“ eigentlich auf sich?

Wir haben immer schon mediale Aufmerksamkeit in gewissem Ausmaß bekommen, egal, was für Musik wir produzierten. Aber es stimmt schon, Rockabilly-Bands bekommen diese Art von Aufmerksamkeit eigentlich heutzutage nicht mehr, nicht seit der STRAY CATS-Ära. „In My Bones“ ist wie ein billiges Motel, der eine bleibt für ein paar Stunden, der andere will für immer bleiben. Viele Musikjournalisten haben das Motel immer noch nicht verlassen, was uns, um ehrlich zu sein, sehr überrascht, aber auch in höchstem Maße zufrieden stellt. Das alles liegt aber wohl nicht an der Qualität des Motels, sondern wohl eher an der Art und Weise, wie die Musikindustrie funktioniert.

Was besonders an „In My Bones“ fasziniert, ist in erster Linie dein Gesang, der einmal eins zu eins nach Roy Orbison klingt, dann wieder mehr nach Chris Isaak. Welcher Vergleich schmeichelt mehr?

Es gibt wirklich nichts, absolut rein gar nichts, das auch nur in die Nähe des Gefühls kommt, den großen Roy Orbison musikalisch anzubeten. Dieser Mann ist über jegliche Vergleiche erhaben.

Stimmt es, dass sich FATBOY während eines STRAY CATS-Konzerts in Stockholm in den späten Achtzigern gründeten? Was passierte damals an diesem mythenumrankten Abend?

Dieser Abend, den du da ansprichst, ist auch als die „Stockholm Syndicate Night“ bekannt. Damals kamen sie alle zusammen, alle möglichen Gestalten, die sich in den schwedischen Wäldern versteckt hatten, um den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Ich rannte an diesem Abend Alfie, unserem Mann am Bass, in die Arme. Ich hatte ihn Ewigkeiten nicht gesehen, nicht seit er mir dereinst seine alte Hillman-61 verkaufen wollte. Und das Erste was er mir an diesem Abend zurief, war erneut, ob ich nicht seine Hillman-61 haben wolle! Keine freundliche Einladung auf ein Bier oder dergleichen. An diesem Abend beschlossen wir, dass die Welt noch eine wirklich gute Rockabilly/Country-Band verkraften könnte. FATBOY waren gegründet.

Wie steht es um Rockabilly als Subkultur in Schweden? Gibt es da Unterschiede zwischen damals und heute?

Ich wuchs im Herzen von Schweden, in Dalarna, in den späten Siebzigern auf. Rockabilly war äußerst beliebt in meinem Umfeld damals. Es existierte eine vitale Subkultur. Die älteren Jugendlichen, zu denen ich mit Bewunderung aufsah, waren allesamt in diese Musikszene involviert und huldigten diesem Rockabilly-Lifestyle, der ja heute wieder ganz populär wird. In Stockholm, wo FATBOY seine Basis hat, wächst heute eine neue Generation an Rockabilly-Kids heran. Eine sehr authentische Szene würde ich meinen, nur mit einer gewissen Verdrehung: man sieht hier zwanzigjährige Frauen, die wie eine tätowierte Doris Day aussehen.

Was ist es, das auch heute noch am Rockabilly fasziniert? Vielleicht die Flucht in eine nostalgische Umgebung von Beständigkeit und Sicherheit, in einer kaum durchschaubaren schnelllebigen und komplexen Welt?

Ich bin der Meinung, dass wir heute mehr denn je ein Verlangen nach Dingen haben, die gewissermaßen von Hand gemacht sind und die Beständigkeit haben. Wir brauchen authentische Musik, Bücher und Filme. Künstlerische Werke, die von Wahrhaftigkeit zeugen und die die Menschen wieder zum Lächeln bringen. FATBOY zum Beispiel.