SUNN O)))

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Low frequencies in stereo

SUNN O))) lassen dir die Ohren schlackern, mitunter auch die Magenwände flattern – und sie machen sowieso immer alles ganz anders als der Rest. Zur Information über die Veröffentlichung des neuen Mammutwerkes „Monoliths & Dimensions“ wurde deshalb dieses Mal auch nicht die übliche Promotion-Mühle in Gang gesetzt, sondern die Journaille direkt zur Listening-Session ins Tonstudio geladen. Exklusivität und Privileg vereint im ehemaligen Gebäude des DDR-Rundfunks inmitten der trostlosen Abgeschiedenheit einer Ostberliner Industriebrache. In schönstem Studio-Ambiente sirren einem da dann 50 Minuten lang Feedback-Orgien, Experimente, Klangkaskaden und Sprachbeiträge um die Ohren, die eher an Werke Arnold Schönbergs erinnern, als an in ähnliche Metal-Ästhetik verpackte Soundkonstellationen.

Am Ende der Session wirft ein Kollege ein süffisantes „Immer derselbe Scheiß“ ein. Man könnte ihm sicher beipflichten und es sich gelangweilt in seinem selbstgerechten Gedankenkonstrukt gemütlich machen, doch irgendwie regt sich im Innern Widerstand, denn irgendwie die gerade gehörte Radikalität der Wucht fasziniert, die Kompromisslosigkeit der Andersartigkeit, die latente Intellektualität, die da ständig als Gegenpol zur Unterhaltungsindustrie mitschwingt. Derartige Kompositionen sind eigentlich zu sperrig, als dass sie einem gefallen könnten, vielmehr muss man sie zu verstehen versuchen. Diesen Schritt machen einem die beiden Noisesymphoniker Greg Anderson und Stephen O’Malley mit ihrem neuen Werk auch um einiges einfacher als bei früheren Arbeiten. Die Stücke auf „Monoliths & Dimensions“ wirken sortierter, strukturierter, aufgeräumter, einfacher zugänglich denn je. Was die Schöpfer des Werkes dazu zu sagen haben, taten sie mir in einem entspannten Gespräch im Anschluss an die Session kund.

Zunächst mal muss sich sagen, dass mir die neue Scheibe wirklich gut gefällt, ich finde sie ist viel wärmer, viel zugänglicher als ältere Sachen von euch.

Nun, jeder hat dazu seine eigene Meinung. Wir sind immer interessiert an den Reaktionen der Menschen, aber wir werden das nicht weiter kommentieren. Zum Thema „Wärme unserer Platten“: Das „Black Album“ war schon eher kalt, wir haben aber vorher auch schon „warmes“ Material produziert. Es ist aber auf jeden Fall nie so, dass wir uns hinsetzen und irgendeine bestimmte Temperatur in die Stücke tragen wollen; das wäre Quatsch. Das unterschiedlichen Feeling rührt auch daher, dass wir während der Aufnahmen zum „Black Album“ an ganz anderen psychologischen Punkten in unserem Leben waren als bei diesem Album. Auch jetzt sind wir schon wieder in einem ganz anderem Zustand. Diese unterschiedliche emotionale Qualität schlägt sich halt auch immer in der Musik nieder.

Es gibt eine Menge Gastmusiker auf der Scheibe. Welchen Beitrag haben diese zum Gesamtwerk geleistet? Ich hatte beim Hören nämlich das Gefühl, dass die angesprochene Wärme eben genau von diesen zusätzlichen akustischen Instrumenten kommt.

Aus traditioneller Sicht könnte man natürlich so argumentieren, dass akustische Instrumente mehr Geborgenheit signalisieren als zum Beispiel eine E-Gitarre. Es passiert aber auch enorm viel auf psychologischer Ebene, auf das man gar keinen Einfluss hat.

Aber durften die Gastmusiker denn ihren eigenen Teil zum Album beitragen?

Wir haben bei dieser Platte mit einem Komponisten namens Eyvind Kang zusammengearbeitet. Der tritt aber auch als Musiker in Erscheinung. Er hat basierend auf der Musik, die wir geschrieben hatten, die Arrangements für die Gastmusiker erarbeitet. Er war also das Bindeglied zwischen ihnen und uns. Es gibt aber dennoch einige Stellen auf dem Album, wo die Gastmusiker ihre eigene Interpretationen eingebracht haben. Aber das Meiste ist schon in Eyvinds Absicht entstanden.

Ihr werdet musikalisch oft mit Metal in Zusammenhang gebracht, was ich so gar nicht nachvollziehen kann. Wie denkt ihr darüber?

Wir versuchen gar nicht erst, unsere Musik zu klassifizieren, das schränkt nur ein. Aber wir können sagen, dass wir definitiv Metal-Fans sind. Wir zwei sind uns nur durch Metal begegnet, weshalb das einfach ein sehr wichtiges Stück des Puzzles ist, ein Bestandteil von dem, was wir tun. Auf der anderen Seite ist es jedoch auch so, wie du sagst: diese Klassifizierung simplifiziert das, was wir machen, viel zu sehr. Aber wir schämen uns nicht für Metal, haha! Es ist einfach ein Teil von uns. Vieles von dem ,was in SUNN O))) steckt, ist vom Metal inspiriert: schon allein die Art, wie wir Gitarre spielen.

Ihr habt auch eine gewisse Punk/Hardcore-Vergangenheit ...

Wir sind einfach riesige Musikfans, mögen eigentlich alles Mögliche an Musik. Als Kind war Hardrock angesagt, VAN HALEN, AC/DC, LED ZEPPELIN und so was. Irgendwann kam BLACK SABBATH, dann Punk und Hardcore. Metal wurde damals übersprungen, aber das war ja sowieso so ein Hardrock-Ableger; METALLICA, MOTÖRHEAD, RAVEN. Es gibt da einfach verschiedene musikalische Abschnitte; Jazz, Country ... Man gräbt einfach immer weiter und weiter und stößt auf immer mehr gute Musik.

Würdet ihr sagen, dass es immer noch Spuren von Punk- und Hardcore-Ethik und -Ästhetik in dem gibt, was ihr heute macht?

Ja, irgendwie schon. Auf jeden Fall in Bezug auf den ganzen Business-Kram und das generelle Auftreten. Wir haben zum Beispiel keinen Manager, wir machen alles komplett alleine. Das hat ganz sicher da seinen Ursprung, dass wir in der Punk- und HC-Szene gelernt haben, dass es auch anders geht ...

Wo liegt eurer Meinung nach der Unterschied zwischen der Studioversion von SUNN O))) und einem Live-Konzert?

Es sind beides Teile des selben Gebildes. Es gibt da auch eine enge Verbindung. Bei Konzerten geht es uns auf jeden Fall nicht um die bloße Wiedergabe von einmal aufgenommenem Material. Wir wollen nichts exakt so reproduzieren, wie es aufgenommen wurde. Zum Leben erweckt wird ein Musikstück einfach erst, wenn du es auf der Bühne spielst, und zwar nur genau in diesem Moment.

Warum habt ihr euch eigentlich nach einer Verstärker-Marke benannt? Habt ihr nie rechtlichen Ärger mit der Firma bekommen?

Wir mögen diese Amps einfach – und Amps ganz allgemein. Aber es hat auch was mit dem Planeten Sonne zu tun: wir gründeten SUNN O))) ursprünglich unter sehr starker Beeinflussung von EARTH, weshalb sich dieser Name einfach auch symbolisch und als Huldigung anbot. Der Schriftzug hat einfach eine eigene Identität und eine starke Symbolik, mit visualisiertem Schalldruck. Stress hatten wir mit der Firma nie, denn die existiert ja auch gar nicht mehr, wurde so gegen Ende der 90er an Fender verkauft.