TACKLEBERRY

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Wütend auf irgendwas, Wahrscheinlich auf sich selbst

Neben SMOKE BLOW und den Black Metallern ENDSTILLE sind TACKLEBERRY mittlerweile Kiels bekannteste Band. Und das zu Recht, schafft es doch kaum eine Band, ihren energiegeladenen Oldschool-Ami-Hardcore live so authentisch rüberzubringen, was der Fünfer auf „Reinventing Appetite For Destruction“ erneut beweist. Grund genug, mit Sänger Hannes per Mail einige nicht nur ernste Themen zu erörtern.

Moin, Hannes und Co, ihr seid gerade mal wieder auf Tour. Wie läuft es?

Genauer gesagt, sind wir gerade wieder zu Hause angekommen. Die Tour war aber klasse. Leider konnten unsere Tourpartner STATIC RADIO nur zwei Konzerte mitspielen, da sie überraschend zurück in die USA mussten. Der Vater des Sängers Mike ist schwer krank geworden und kurz darauf gestorben. Das tut uns natürlich sehr leid für ihn und wir hoffen, dass wir die Jungs irgendwann noch mal unter schöneren Umständen zu Gesicht bekommen. Die Tour haben wir dann allein durchgezogen, was aber auch ziemlich cool war. Der schönste Umstand war sicherlich, dass wir viel im Ausland gespielt haben. Wir waren diesmal in der Slowakei, Ungarn, Österreich, Schweiz, Italien, Frankreich und Belgien. Dort haben wir eine Menge Leute getroffen und auch näher kennen gelernt, Udo aus Luzern haben wir zum Beispiel einfach spontan für eine Woche mitgenommen. Schließlich hatten wir genug Platz im Bus und haben jemanden gebraucht, um Merch zu verkaufen. Highlights der Tour waren definitiv ein Konzert auf einem Skateplatz in einem österreichischen 800-Seelen-Kaff und das Groezrock Festival in Belgien.

Ihr seid ja die mit Abstand fleißigste Live-Band, die ich kenne. Wo bleibt die Doppel-Live-LP aus Budokan?

Oha, das lassen wir mal lieber. Einerseits finde ich Live-Alben zwar ziemlich geil, aber so schlecht, wie wir manchmal live spielen, möchte ich das niemandem antun. Dann lieber ein Unplugged-Album mit einem Orchester und einem Knabenchor. Dirigiert von einem dressierten Affen im Frack und einer Klobürste als Dirigentenstab.

Ihr habt mir ja mal von eurer Begeisterung für Wrestling erzählt, wie passt denn das eigentlich zu eurer offensichtlichen Verarschung des Tough-Guy-Gehabes?

Das passt sehr gut. Wir sehen uns alle gerne Wrestling an. Besonders toll ist das Amateur-Wrestling in unser Heimatstadt Kiel. Dort gibt es den Marathonmann, den Inquisitor oder den Sealord. Das ist so lächerlich, das kann kein Mensch ernst nehmen. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit den Tough Guys auf Hardcore-Konzerten, wobei das im Hardcore natürlich nicht gestellt ist und die Typen wirklich böse und sehr, sehr wütend auf irgendwas sind. Wahrscheinlich auf sich selbst. Fehlt nur ein Typ, der die ganzen Moves kommentiert.

„Call Me Green“ war ja schon großartiger Oldschool-Ami-Hardcore, „Reinventing Appetite For Destruction“ ist leider sehr kurz, aber wieder mit das Beste, das ich in der letzten Zeit aus dieser Richtung gehört habe. Was positiv auffällt, ist der Sound, der einen riesigen Schritt nach vorne gemacht hat.

Bei „Call Me Green“ sollte der Sound ja eigentlich auch richtig gut werden. Schließlich hatten wir nie die Absicht, eine beschissen klingende Platte zu machen. Aber die neue Scheibe klingt echt gut, das muss ich zugeben.

Bei unserem Interview vor ein paar Jahren wart ihr ja alle in der Zivildienst-Phase. Wohin hat es euch denn so im täglichen Leben geführt? TACKLEBERRY als Fulltimejob?

Mittlerweile sind alle außer mir im Studium angekommen und einige sogar schon fast durch damit. Ich stecke in einer Ausbildung zum Erzieher. Als Fulltimejob kann man diese Musik ja nicht machen. Wir hätten auch echt keinen Bock, uns für Kohle bei den Leuten anbiedern zu müssen.

Habt ihr noch was wegen des Mordes an eurem russischen Fan gehört oder ist das im Sande verlaufen?

Wir waren nach dem Mord noch zweimal mit der russischen Band WHAT WE FEEL auf Tour in Deutschland, um Geld für die russische Antifa zu sammeln, was zum Glück auch beide Male ein Erfolg war. Leider hören wir immer wieder von neuen Angriffen und auch Morden, die an russischen Antifas und Leuten, die irgendwie dem alternativen Spektrum zuzuordnen sind, verübt werden. Gerade letztes Jahr, eine Woche nach unser gemeinsamen Tour, kam es wieder zum einem feigen Mord an einem S.H.A.R.P.-Skin. Wir stehen im Kontakt mit den Leuten vor Ort und sind gut informiert. Hoffentlich schaffen wir es, irgendwann noch mal dort zu touren. Einerseits haben wir zwar ein bisschen Angst davor und wollen auch niemanden durch unsere Konzerte gefährden, andererseits wollen wir uns auch nicht unterkriegen lassen.