BLACK PRESIDENT

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Wenn Utopien Realität werden

Eigentlich kennt man Charlie Paulson aus einer ganz anderen Band: GOLDFINGER. 1994 war er Gründungsmitglied, zwischenzeitlich mal raus, 2005 kam er zurück, ist bis heute wieder dabei – und hat mit BLACK PRESIDENT aus Los Angeles, die noch zu Bush Juniors Amtszeit und lange vor Obamas Kandidatur gegründet wurden, eine Zweitband im Rennen, in der er ebenfalls Gitarre spielt und sich etwas hinter Mitgründer Christian Martucci versteckt, der zuvor bei CHELSEA SMILES aktiv war sowie vor Jahren in Dee Dee Ramones Band. Bass spielt Jason Christopher, und das jüngst auf People Like Your erschienene Album spielte man mit dem auch schon bei NAUSEA, AMEBIX, SEPULTURA und SOULFLY trommelnden Roy Mayorga ein, der allerdings – auch auf dieser Tour – durch Dave Raun von LAG WAGON und ME FIRST AND THE GIMME GIMMES ersetzt wurde. Ach ja, ein gewisser Greg Hetson war bei der Gründung 2005 auch mit dabei ...

Ein Freitagabend im Juli in der Düsseldorfer Altstadt. Die Massen sind heiß. Nicht nur wegen des schwülen Wetters, sondern auch in Vorfreude der Saufexzesse, die hier allwochenendlich über die Bühne gehen. „Komisches Gefühl, dass man hier mit Bierflaschen in der Hand rumlaufen darf“, stellt Christian von BLACK PRESIDENT fest, als wir vom Pretty Vacant zu den Rheinterrassen laufen. Noch sei das möglich, kläre ich ihn auf, denn das das Düsseldorfer Ordnungsamt sei drauf und dran, Alkoholexzesse nur noch in Kneipen zu dulden. Und wer kein Geld für deren Wucherpreise hat, darf nicht mal draußen bleiben. US-amerikanische Verhältnisse? Brown paper bags für Bierflaschen-Punks bald auch in D-dorf? Aber das beschäftigt Christian nur am Rande – wichtiger ist, dass die Show am heutigen Abend nicht abgesagt wurde, denn ein Gewitter hatte am Nachmittag den Kellerclub unter Wasser gesetzt – bei Elektroschocks für die Musiker hört der Spaß auf. Mittlerweile ist aber wieder alles im Lot, der Keller wieder trocken, das Konzert findet wie geplant statt. Christian freut sich drauf, auch wenn er nicht so aussieht: Eine Grippe zu Beginn der Tour hat ihm zugesetzt.

Wir setzen uns auf die Stufen am Rhein, gegenüber geht die Sonne unter, Schiffe fahren vorbei, und ich frage, was die offensichtliche Frage zu sein scheint: Wie oft hat er es in den letzten Monaten bereut, in einer Band mit den Namen BLACK PRESIDENT zu spielen? „Bereut habe ich das bis heute nicht“, sagt Christian. „Und der Name ist auch kein Aufspringen auf die Popularität von Obama. Charlie und ich waren damals, 2005, so angepisst von den Wahlen und Bushs erneutem Sieg, dass wir uns überlegten, mit welchem Namen man wohl ein maximales Gegenstatement setzen könne. Und so kam es zu BLACK PRESIDENT, als völlige Utopie – damals dachte doch keiner, dass es in den USA ein Schwarzer zum Präsidenten bringen könne. Außerdem macht sich „Black“ als Teil eines Bandnamens doch immer gut, das ist also auch eine Reverenz an BLACK FLAG.“ Der „Black President“ also als Utopie, die von der Realität eingeholt wurde – und kein Grund, den Namen deshalb zu ändern.

Vor Jahren war Christian schon mal in Deutschland, als Musiker in Dee Dee Ramones Band, und er erinnert sich gerne: „Viele meiner besten Konzerte habe ich Deutschland gespielt. Neulich etwa spielten wir mit den BOUNCING SOULS in Wien, und du wusstest nach einem Blick ins Publikum einfach, dass die Leute nicht da sind, weil sie so cool sind, sondern weil sie Musik lieben. Die gingen vom ersten Lied an total ab, und so was ergibt eine direkte Rückkopplung auf die Band. Wenn die Leute nur rumstehen und zuschauen, ist das anstrengender.“

Im Herbst 2008 erschien dann das erste Album von BLACK PRESIDENT – jenes Werk, das mit einer gewissen Verzögerung hierzulande von People Like You veröffentlicht wurde: „Wir sind in den USA auf Cobra Music, das ist der Label-Ableger der Leute, die auch das Riot Fest veranstalten, ein großes Punk-Festival in Chicago mit einer großartigen Bandauswahl. Auf People Like You kamen wir dann, weil viele unsere Freunde mit ihren Bands bei denen sind, und wir sind glücklich da – vor allem auch, weil sie Vinyl gemacht haben.“

Und wie sieht es mit neuen Aufnahmen aus? „Nach dieser Tour kommt eine Split-Single mit den ASHERS, der anderen Band von Mark von UNSEEN, und an einer gemeinsamen Tour durch die USA arbeiten wir auch. Und dann schreiben wir auch schon wieder neue Songs, mit uns ist also zu rechnen.“ Klingt gut, und klingt so, als müssten Frau und Kind in nächster Zeit noch die ein oder andere Woche mehr auf Christian warten, der schon vor einer Weile von L.A. nach Portland zog, dort auf der Farm der Schwiegereltern lebt und sich auch mal mit Jobs im sozialen Bereich durchschlägt.

Die Zeit drängt, wir machen uns auf den Rückweg zum Club. Der Junggesellenabschiedspöbel ist aggressiver geworden, die 300 Meter sind ein Minenfeld für normalempfindliche Menschen, doch dann ist die Oase erreicht. Viertel vor elf entern die Kalifornier die Bühne, der Boden ist immer noch feucht von der nachmittäglichen Überschwemmung, und dann wird Vollgas gegeben: Straighter Punkrock, alter Hardcore, die Meute hat gut getankt, die Band gibt Vollgas, saugt das letzte bisschen Sauerstoff aus dem schwülen Kellerloch und zeigt: Ein schwarzer Präsident ist auch gut für Deutschland.