CHURCH OF CONFIDENCE

Foto

Hey-ho , let’s go reject yourself!

So in etwa könnte das Credo der Berliner „Kirche des Vertrauens“ lauten. Der bisherige Werdegang von CHURCH OF CONFIDENCE (COC) im musikalischen Haifischbecken ist demnach einer gegen den Strom – und fortwährendes Desinteresse seitens der „Szenepresse“ nur zusätzliches Wasser auf diese Mühlen. Aber Erfolg ist relativ. Mit „Takin’ Over“ erschien Anfang 2009 das nunmehr fünfte Album der Berliner (Review #83), das zu hundert Prozent im Do-It-Yourself-Prinzip geschmiedet wurde und besten „Alte-Schule-Punk“ mit viel Glam und Rock’n’Roll bietet. Das Echtheitsprädikat haben COC sowieso gepachtet und schon viele Trends kommen und erst recht gehen sehen. Das folgende Interview soll demnach nicht nur die neue Scheibe aus allen Blickwinkeln beleuchten, sondern vielmehr die unbändige Motivation hinter COC thematisieren und zeigen, dass man dieser Kirche vertrauen kann. Stilgemäß zum revolutionären 1. Mai – dem Tag der Arbeit! – entwickelte sich, trotz regen Andrangs an der Theke des von Uli betriebenen Kreuzberger Punk-Clubs Wild at Heart, ein lockeres Gespräch.

Uli, du sprachst im letzten Interview in Ox #74 davon, dass es dein musikalisches Ziel sei, eine Scheibe abzuliefern, die „hundertprozentig stimmig ist“. Ist dir das mit „Takin’ Over“ gelungen?

Zum Glück nicht! Denn ansonsten müsste ich ja mit dem Musikmachen aufhören, haha. Richtig einschätzen kann ich das aber meist erst nach einem Jahr. Es braucht diesen Abstand, denn kurz nach der Veröffentlichung steckt man selber einfach noch zu sehr drin, vor allem wenn man wie ich alles selber macht. Ich werde wohl aber noch eine Platte machen müssen, obwohl die Reaktionen bisher eigentlich alle durchweg gut waren. Schlechte Besprechungen hat es noch keine gegeben. Was sich durch alle Kritiken zieht, ist ein gewisser roter Faden, also RAMONES, CLASH und immer wieder SOCIAL DISTORTION werden genannt. Obwohl ich lange kein so guter Sänger wie Mike Ness bin, aber der Vergleich freut mich schon! Irgendwie schreiben aber alle doch das Gleiche, richtig anhören tun sich die Scheibe nur wenige. Ich meine, dass auf der neuen Platte auch eine ganze Menge an Glamrock zu hören ist, denn das ist die Musik, die ich hörte, bevor ich zum Punk kam. Aber egal, der Promozettel scheint ja den meisten zu genügen. Ich bin jedenfalls mit dem Album sehr glücklich, ein paar gute Songs sind mir schon gelungen und die Leute brauchen einfach eine Schublade. Schade eigentlich, obwohl ich ja auch ein wenig mit diesen ganzen Klischees spiele, haha. Was mich aber richtig freut, ist, dass COC klar als Do-It-Yourself-Band wahrgenommen wird. Es dauert ohne größeres Label, Agentur etc. im Rücken wesentlich länger, ein Album aufzunehmen und unters Volk zu bringen. Apropos, diesen „tollen“ Vertrag durfte ich vor etlichen Jahren auch unterschreiben, gebracht hat es recht wenig. Auch bin ich skeptisch, ob gute Kritiken wirklich etwas bringen. In den 1980ern waren wir mit KGB mal „beste Single“ und sogar „Album der Woche“ in der Bravo! Unterm Strich hat es aber nichts gebracht und ich habe seitdem meine Erwartungen an „gute Presse“ heruntergeschraubt ...

Bleiben wir bei der neuen Platte. Welcher Song ist dir textlich am wichtigsten? „Rejected“ zum Beispiel hat ja schon eine gewisse Tragweite. Auch „Incurable madness“ scheint dir aus dem Herzen zu sprechen.

Textlich weiß ich das gar nicht so genau, alle sind ja irgendwie persönlich. Im Nachhinein ehrt es mich aber, wenn ich einen stimmigen englischen Text hinbekommen habe, der auch von dem ein oder anderen „Native Speaker“ vor der Bühne mitgesungen wird. „Rejected“ ist durchaus aber etwas Besonderes. Anfangs ist mir der Song gar nicht so aufgefallen. Nun eröffnet er die Platte, obwohl er eigentlich erst kurz vor Abschluss der Aufnahmen entstand. Es hat keine fünf Minuten gedauert, plötzlich machte es klick und ich dachte: „Oh, der ist aber gut!“ Das sahen viele ähnlich und deshalb ist es nun der erste Song des Albums. Solche Glücksfälle gibt es nicht allzu oft, mit „Pray“ ist mir das damals ebenso geglückt, aber planen kann man so etwas natürlich nicht. Eigentlich habe ich, wenn ich eine Platte mache, sowieso kein starres Konzept. Bei „Takin’ Over“ war es aber so, dass ich irgendwie dachte, elf Songs sind einer zu wenig, deshalb musste ich noch einmal ran, haha. Autobiografisch sind alle Songs sowieso, insofern: kein echter Favorit.

Bist du trotz allem, und da denke ich zum Beispiel an das Zitat auf dem Backcover von Hunter S. Thompson, zufrieden mit eurem Standing in der Szene? Ich nehme an, aufgeben gilt nicht!

Ich dachte, Thompson sei bekannter, ich bin sicher nicht der Einzige, der dieses Zitat benutzt hat. Der hat zum Beispiel viel für den Rolling Stone gemacht, ich werde wirklich von vielen Leuten darauf angesprochen. Ich bin mir unseres Status’ schon bewusst, habe den in gewissem Maße bewusst gewählt. Ich bin nun seit über 30 Jahren im Business, habe vom Roadie übers Booking bis zur Stagehand alles gemacht, was irgendwie mit Musik zu tun hat. Ich habe viele Facetten kennen gelernt, mit dem Alter sieht man vieles aber entspannter. Mein Verstärker muss nicht mehr der größte sein, haha. Ich befinde mich heute mit COC in einer für mich angenehmen Position und nehme an der ganzen Competition nicht mehr teil. Ich sehe mich eher als Beobachter und lehne mich relaxt zurück. Ich verfolge das Geschehen, aber ich muss mich nicht mehr streiten, wann ich auftrete, oder die Produktion neuer Platten immer weiter perfektionieren. Ich gehe mit vielen Dingen, die die „Szene“ betreffen, nicht konform – ich beobachte lieber und entscheide dann, was für mich richtig ist. Was mich echt ärgert, sind die vielen Bands, die auf CD einen Monstersound haben, live davon aber nichts hinbekommen. Die Seele ist denen irgendwie verloren gegangen. Heute machen viele Kids ihre Musik ja am PC, um das gemeinsame „Muggen“ geht es da gar nicht mehr. Teilweise ist es fast schon so, als gäbe es einen „Industriestandard“ für Punkrock, inklusive der perfekten Riffs und Melodien. Irgendwann gibt es eine Software, die dir die richtigen Songs selber schreibt. Egal, für mich darf Musik ruhig „Fehler“ haben, Hauptsache man macht es mit Herzblut. Ich habe ja auch ein Studio und da fragen seit geraumer Zeit wieder vermehrt junge Bands an, die genau mit dieser „alten“ Technik da aufnehmen wollen. Das freut mich, denn mit Bandmaschine aufnehmen ist etwas Besonderes mit eigenem Flair. Vor allem muss es sitzen, wenn man alles zusammen live im Studio aufnimmt. Auf der Bühne stehen ist dann kein so großes Ding mehr.

Der Durchlauf an frischen, unverbrauchten Bands im Wild At Heart ist groß, die Gefahr des „Am-Erfolg-Vorbeischrammens“ noch größer! Welche Acts sind dennoch hängengeblieben?

Definitiv zu viele. Zurzeit ist es ja eigentlich so, dass über das Live-Geschäft viel mehr Umsatz gemacht wird als über CDs etc., aber für uns – als „Szene-Club“ – gilt das absolut nicht. Die Leute kommen einfach nicht mehr, nur um mal zu schauen und sich überraschen zu lassen. Unbekannte Bands haben es da natürlich sehr schwer, überhaupt bekannt zu werden. Wir machen das Wild At Heart jetzt seit über 15 Jahren, versuchen, den Leuten immer ein gutes Programm zu bieten. Wir müssen aus der Flut von Bands auswählen und von den vielen Bands, die uns ihre Demos schicken, halten live nur die wenigsten, was sie vorgeben – warum, hatte ich ja bereits erwähnt. Die Leute können unserem Geschmack schon vertrauen, aber der Markt ist einfach zu. Wir versuchen Kompromisse so gering wie möglich zu halten, aber es ist eben nicht einfach, drei leere Abende mit einem vollen zu bezahlen. Den eigenen Idealen treu zu bleiben hat definitiv seinen Preis! Was mich freut, ist, dass seit kurzem wieder einige richtig geile Bands aus den 1980ern aktiv sind, THE FREEZE oder CHANNEL 3 zum Beispiel. Das ist noch eine ganz andere Musikkultur. Echt geiler, intensiver HC-Punk. Es lohnt sich, die anzuschauen, es gibt aber zwar auch viele gute neue Bands, an den Charme der alten kommen sie aber selten heran ...

Das Ox feierte unlängst zwanzig Jahre „Punkrock, Hardcore und R’n’R“, Mike Ness „Thirty Years of Underground R’n’R“. Was hast du mit COC dieses Jahr zu feiern?

Natürlich die neue Platte! Vier Jahre hat es doch gedauert, ist also für mich ein echter Grund zu feiern. Ich habe mir damit einiges vom Tisch geschafft. Das ist ein gutes Gefühl und ich kann mich nun wieder aufs Livespielen konzentrieren. Ich fühle mich zur Zeit echt befreit und vielleicht machen wir dieses Jahr mal wieder eine kleine Tour. Ich freue mich aufs Rebellion-Festival in Blackpool, denn da spiele ich echt gerne, auch wenn es eine deutsche Band da viel schwerer hat. Generell versuche ich auch immer, etwas Besonderes zu finden, habe zum Beispiel eine kleine Tour durch Norwegen gemacht. Zwei Wochen irgendwo auf Tour mit zwei, drei vollen Abenden finde ich nicht mehr spannend, auch für die Veranstalter ist das oft ernüchternd. Ich habe keine Agentur im Rücken. Wenn aber jemand mit ehrlichem Interesse anfragt, umso besser. Mir geht es darum, Spaß zu haben, und Gigs sind auch immer eine Art Urlaub. Ich komme raus und kann abschalten.

Kommen wir zum U.R.P. – dem „Unique Rocking Point“: Was unterscheidet COC von den unzähligen Mitstreitern?

Hm, ich denke, der Hauptfaktor ist, dass ich mich mit COC mittlerweile etwas außerhalb der ganzen „Szene-Competition“ sehe. Ich bin auch leider kein Ellenbogen-Mensch, der sich um die Running-Order oder so streiten muss. Es gibt viele Bands, die damit kurzfristig die Nase im Wind haben. Mit zunehmendem Alter verschieben sich aber Interessen, Bands zerbrechen, man sieht die Dinge anders und entspannter. Ich bin damit zufrieden, wie es momentan läuft, und mache einfach mein Ding.

Eine Frage sei noch erlaubt: Welches Zitat wird wohl die nächste COC-Scheibe zieren?

Haha, vielleicht keines! In erster Linie sollen die Platten ja mir, meiner Frau und auch ein bisschen der Verwandtschaft gefallen, haha. Natürlich ist es angenehm, wenn man für das, was man tut, auch Lob bekommt. Ich hoffe einfach, noch viele Jahre mein Ding genauso weitermachen zu können.