FRANTIC ROMANTICS

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Kermit und die Hot Rods aus der Mülltonne

Nun, in letzter Zeit drängt sich mir ja durchaus wieder häufiger die Frage auf, inwiefern denn eventuell ein kausaler Zusammenhang bestehen könnte zwischen wirtschaftlich zappendusteren Zeiten wie den momentanen und dem geradezu atompilzartigen „Aus-dem-Boden-Schießen“ von brandneuen und brillanten Punkrock-Bands allerorten. Man betrachte diesbezüglich nur einmal unseren ausgesprochen abgewrackten Moloch, der sich doch allen Ernstes Bundeshauptstadt schimpfen darf: Mochte Berlin im Laufe der Jahrzehnte auch sonst schon immer an fast allem darben, an hochkarätigen Krachkombos jeglicher Couleur litt die ehemalige „wall city“ wenigstens noch niemals einen Mangel. Und so machen eben auch jüngst wieder eine ganze Reihe fantastischer Neugründungen im besten Sinne von sich reden, seien es nun die Rotz’n’Riot-Girls INSERTS, die „Vollgas-in-die-Fresse“-Provocore-Asis von DER FEIND oder die jugendlichen SHOCKS-Epigonen DREIPUNKTBANDE. In diesem Kontext ebenfalls keineswegs außer Acht lassen sollte man die FRANTIC ROMANTICS, die mich nicht nur mit ihrem exzellent gelungenem ersten Vier-Song-Demo buchstäblich aus den Latschen hauten, sondern auch live zunehmend zu begeistern wissen. Stilistisch lässt sich das sympathische Quartett meines Erachtens wie folgt recht trefflich umschreiben: Man stopfe EDDIE & THE HOT RODS, die POINTED STICKS und Kermit den Frosch in eine zerbeulte Mülltonne und trete diese mit Schmackes einen großen holprigen Berg hinunter ...

„Ich hab zwar ehrlich gesagt keine Ahnung, worauf du mit diesem äußerst originellen Kermit-Vergleich anspielen möchtest“, quakt mir dann auch sogleich der charismatische Frontmann und kettenrauchende Asthmatiker Dirk Kranz entgegen, als ich ihn mit dieser Einschätzung konfrontiere, „aber der Vergleich mit den POINTED STICKS ist natürlich super! Meiner Meinung nach hat es nämlich kaum eine Band jemals so gut verstanden, Popmusik auf den Punkt zu bringen, wie eben die.“

„Und EDDIE & THE HOT RODS sind definitiv auch ein sehr schmeichelhafter Referenzpunkt“, pflichtet der 23-jährige Gitarrist Daniel Distraction umgehend bei, und während der Ex-Straight Edger mit einem gut vernehmlichen Ploppen bereits die zweite Flasche Bier öffnet, fügt er fröhlich hinzu: „Speziell im letzten Jahr, nachdem ich im Juli die FRANTIC ROMANTICS gemeinsam mit Phillip und Marius – die übrigens auch noch bei der sehr geilen Strausberger Oldschool-Hardcore-Band MINUS APES aktiv sind – ins Leben rief, hörte ich die ununterbrochen und diese Hot Rods-Komponente in unserem Sound ist auch durchaus so gewollt.“

Na dann passte es ja wohl auch um so besser, dass man sich für den ersten Auftritt die Bühne gleich mit niemand Geringerem als eben jener englischen Pubrock-Legende teilte. „Ja, das war eh klasse, wie flott das alles vonstatten ging“, setzt Daniel die Konversation fort, „im Juli gegründet, im September stieß dann Dirk als Sänger dazu, nachdem ich ihn auf einem SHOCKS-Geheimkonzert im Prenzlberger Bumerang angehauen hatte, und im Oktober dann schon der erste Gig in Dresden ...“

Welcher im Übrigen fast ohne Bandnamen absolviert worden wäre, hätte nicht der Promoter zum Glück eine halbe Stunde zuvor noch schnell angerufen, um zu erfragen, wen er denn nun eigentlich als Support ankündigen dürfe. Da im Bandbus gerade ein schöner Song von den SCIENTISTS lief, war die Entscheidung schnell getroffen und auch wenn die Australier ebenso nicht allzu weit entfernt von den FRANTIC ROMANTICS sind, so möchte Dirk dann doch eher noch die REAL KIDS, Johnny Thunders und Chuck Berry als weitere musikalische Einflüsse ins Felde führen. „Wobei ja Daniel eigentlich für die Musik zuständig ist“, wie der ehemalige DOG FOOD FIVE-Shouter mit einem entschuldigendem Seitenblick zu seinem Kompagnon eilig hinzufügt, „ich mach ja nur die Texte!“

Die allerdings nicht einfach nur lieblos dahingeschludert werden, sondern mit denen man sich auch so gut wie möglich von den gängigen Klischees abzugrenzen versucht, oder etwa nicht? „Nun ja, im Grunde finde ich die Texte am besten, bei denen man sehr lange nachdenken muss, bis man endlich darauf kommt, was eigentlich gemeint ist, und orientiere mich dahingehend an Vorbildern wie Malcolm Mooney von CAN oder Al Jenkins. Also quasi in der Art, dass man zwar ständig mit Sachen zugeknallt wird, mit denen man irgendwas verbindet, aber dennoch zusehen muss, dass man noch den roten Faden findet, sprich: Das Suchen nach dem Sinn des Textes wird zum Sinn des Textes selbst. Aber okay, manchmal sind es auch nur ganz simple Liebessongs.“

Aus durchaus nachvollziehbaren Gründen eher genervt reagieren die „rasenden Romantiker“ im Übrigen auf manch flapsigen Kommentar zu deren doch eher inhomogener Altersstruktur, könnte doch der gute Mr. Kranz mit seinen 41 Jahren sohne weiteres auch der werte Herr Papa seiner jugendhaften Mitstreiter sein: „Ach nö, die sind doch alle hinterm eisernen Vorhang aufgewachsen, so weit hat mein langer Finger nie gereicht, hahaha! Aber in der Tat kommen solche Sprüche meist eh nur von alten Freunden von mir, die schon lange aus der Szene raus sind, den ganzen Tag über einer ‚seriösen‘ Arbeit nachgehen, höchstens ab und zu noch die alten Platten rausholen und sonst nur die Hitparade rauf und runter hören. Das treibt dann gar solch absurde Blüten, dass mir unterstellt wird, ich würde mich bewusst nicht mehr mit hässlichen Leuten meines Alters auf die Bühne stellen wollen und ganz absichtlich nur junge, gut aussehende Typen um mich scharen, um ein klein wenig von deren Glanz zu profitieren. Umgekehrt wird mir dann aber auch bei meiner anderen Band MORDKOMISSION vorgehalten, ich würde mich da absichtlich an die Keyboards begeben, um einer gut aussehenden Sängerin den Vortritt zu lassen ... Was für ein Unsinn, hahahaha!“

Diesem Statement ist natürlich absolut nichts beizufügen und so wäre letztlich für mich auch nur noch von Interesse, was denn in näherer Zukunft so zu erwarten ist von meiner derzeitigen Berliner Lieblingsband? „Also natürlich wollen wir so viel live spielen, wie nur irgend möglich“, meldet sich Daniel nochmals zu Wort, „wobei wir generell die kleineren Clubs bevorzugen, die zwar technisch vielleicht nicht ganz so toll ausgestattet sind, wo aber halt noch so das pure Rock’n’Roll-Feeling rüberkommt.“

Des Weiteren stünde noch vage der Plan einer kleineren Inzesttour mit den MINUS APES und der rotzcoolen ’77-Punkband ABOUT:BLANKS (bei denen, nebst dem frisch hergezogenen Jasper Hood, ebenfalls der FRANTIC ROMANTICS-Gitarrist am Start ist) im Raum und die Aufnahmen für einen möglichst bald erscheinenden Debütsiebenzöller werden wohl auch kaum noch allzu lange auf sich warten lassen.