JIM JONES

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Wirklich coole Verlierer – von THEE HYPNOTICS zu THE JIM JONES REVUE

Die USA im Jahre 1989: Punk’n’Roll gab es einfach nicht. Aus Hardcore-Bands wurden Metal-Bands. BON JOVI, „Hair Metal“ und aufgeblasene Wichtigtuer waren das Gebot der Stunde. Dann kam von der Westküste etwas Wundervolles herübergeschwappt: Wilde Haudegen mit kreischenden, fuzzigen Gitarren, die uns an ein fast vergessenes Erbe erinnerten: die USA waren einst die Brutstätte für THE STOOGES, RAMONES, BLACK FLAG und unzählige andere Vertreter sozialkritischer Musik, die Otto Normalbürger völlig um den Verstand brachten. Die Vorhut dieser räudigen Horde waren MUDHONEY, THE MELVINS, L7 und THE FLUID – die letztendlich alle als Schoßhündchen von Kurt Cobain endeten. Ein echtes Trauerspiel, war Grunge doch völlig an den Mainstream angepasst. HOOTIE AND THE BLOWFISH wurden in jeder Schülerdisco gespielt, die ganzen Loser in L.A. tauschten ihre Spandexhosen gegen schluffige Jeans und versuchten, irgendwie noch auf den fahrenden Zug aufzuspringen ... und NIRVANA waren natürlich das Maß aller Dinge. Das alles war so überflüssig wie ein Kropf, und es schien, als würden die Deppen absolut die Überhand gewinnen. Taten sie aber nicht. Die Generation X war geboren, dennoch kam es zur lautesten Revolution seit Patty Smith und den SEX PISTOLS. Auch diesmal fand sie auf beiden Seiten des Atlantiks statt, und natürlich war London die Stätte dieser unflätigen Geburt: THEE HYPNOTICS.

Unglaublich cool, talentiert und schmissig gekleidet, passten sie einfach nicht ins stereotype Schema der Grunge-Invasion. Waren sie zu früh oder zu spät dran? 1969 hätten sich MC5 beim Anblick der HYPNOTICS wohl schnell unter ihren protzigen Autos verkrochen, während sich heute die skandinavischen Retrobands vor Angst in ihre Höschen machen würden. THEE HYPNOTICS hatten die Flinte leider schon ins Korn geworfen, bevor die HELLACOPTERS überhaupt angefangen hatten, und wurden, als nach dem Erfolg von NIRVANA die große Profitgier umging, wie so viele Grunge-Bands nach einem vorschnellen Majordeal bereits nach kurzer Zeit wieder gekündigt. Der Drummer brach sich das Becken auf einer ihrer ersten US-Touren und die Band schien trotz ihres Talents vom Pech verfolgt zu sein. Aber Jim Jones ist eben kein Kind von Traurigkeit. Seit einiger Zeit ist er nach dem Ende seiner Bands HYPNOTICS und BLACK MOSES zurück – mit einer lauten Rock’n’Roll-Combo, die eher an Little Richard oder den frühen Elvis erinnert, als an Jims eigene Vorgängerbands. THE JIM JONES REVUE ist eine Hommage an den wahren Geist des Rock’n’Roll: mutig, dreckig und unbarmherzig. Ich sprach mit Jim Jones, um mehr über die Geschichte seiner Bands zu erfahren ...

Wie ging es damals los mit den HYPNOTICS?

Unsere erste Aufnahme hieß „Love in a different vein“. Ein Typ, der manchmal zu unseren Auftritten kam und in einem Plattenladen arbeitete, meinte, dass wir unbedingt mal eine Single aufnehmen sollten. Wir sind in die Cherry Studios gegangen, die von Dave Goodman betrieben wurden, der auch die alten SEX PISTOLS-Demos gemacht hatte. Nachdem wir kurz danach unseren Bassisten austauschen mussten, haben wir die „Justice And Freedom“-12“ aufgenommen. In dieser Besetzung mit Mark Thompson an den Drums, Ray Hanson an der Gitarre und Will Pepper am Bass hatten die HYPNOTICS dann auch ihre produktivste Zeit.

Es scheint, als wären die Leute noch gar nicht bereit für euch gewesen, als ihr angefangen habt. Wie habt ihr selber das damals gesehen?

Ich hatte das Gefühl, dass wir ziemlich alleine dastanden, aber das war an sich gar nicht so schlecht. Wir betrachteten uns als etwas Besonderes, wussten von Dingen, die andere Leute gar nicht kannten. Unsere Musik war beeinflusst von BLUE CHEER, THE STOOGES und besonders Jimi Hendrix, den ROLLING STONES und MC5 – das waren Sachen, über die damals nahezu niemand mehr Bescheid wusste. Ich habe vor ein par Jahren mal mitbekommen, wie jemand in einem Plattenladen das MC5-Album „Babes In Arms“ kaufte. Als ich 18 war und diese Platte haben wollte, musste man schon zig Leute kennen, um irgendwie an die Kopie einer Kopie dieser richtig seltenen Kassette zu kommen – und jetzt kriegt man sie als Luxusausführung in Vinyl. Wie gesagt, wir haben uns damals sehr elitär dabei gefühlt, als wir unser Weed geraucht und diese Musik gehört haben. Altmodische Gitarreneffekte und Wah-Wah-Pedale wurden einem förmlich nachgeworfen, weil das Zeug sowieso keiner kaufen wollte.

Habt ihr euch eigentlich etwas deplatziert gefühlt, als für euch dann doch die Gunst der Stunde kam, Sub-Pop euch in den Staaten veröffentlichte und ihr dort auf Tour gingt? Ich meine, ihr habt euch stark vom alten Detroit-Sound beeinflussen lassen und ihn dann auf eurer Tour in die USA zurückgeschleppt. Haben die Amerikaner das damals eigentlich zu schätzen gewusst?

Wir waren so froh darüber, durch die Staaten touren zu können, dass wir uns darüber gar keine Gedanken gemacht haben, ich zumindest nicht. Es war einfach fantastisch, dort zu sein – da, wo die Musik herkommt, die uns wirklich interessierte. Ich weiß nicht, ob die Leute es begriffen haben, aber uns wurde zumindest von fachkundigem Publikum bescheinigt, dass wir „Die Fackel des Rock’n’Roll“ hochhalten und viel eher den Geist und die Ursprünge des Ganzen verkörperten – im Gegensatz zu beispielsweise MUDHONEY. Da stand uns natürlich der Mund sperrangelweit offen vor Staunen. Wir waren einfach jung und sehr glücklich, richtige Fans zu haben!

Euer Schlagzeuger hatte dann aber einen schlimmen Unfall.

Das war in Minneapolis, auf dem Weg zur Westküste, wo noch einige Gigs auf uns warteten. Ein betrunkener Fahrer rammte unseren Van und unser Drummer brach sich das Becken und mehrere Rückenwirbel. Der Rest von uns kam mit leichten Verletzungen davon. Es bedeutete das Ende der Tour, wir waren am Boden zerstört. Aber Jahre später wurden wir dann an der Westküste doch noch begeistert empfangen und konnten dort fantastische Gigs spielen.

Hat es euch sehr deprimiert, dass euer letztes Album „Very Chrystal Speed Machine“ überraschenderweise floppte?

Eigentlich war das eher Pech. Das Lustige an den HYPNOTICS ist, dass alles mit unserer Faszination für Bands begann, die wir für wirklich coole Verlierer hielten, wie zum Beispiel THE STOOGES. Wir waren fasziniert von diesem Verlierertum – und dann hat es uns auch erwischt. Aber immerhin haben wir unser Ziel erreicht, coole Loser zu werden. In der Woche, als unsere Platte auf American Recordings veröffentlicht werden sollte, bekam das Label rechtliche Schwierigkeiten und hat seine ganze Energie dann in diesen Rechtsstreit gesteckt. Außer deren Hauptbands wie DANZIG, THE BLACK CROWS und ein paar Sachen von Rick Rubin war alles andere plötzlich außen vor. Promotiongelder und Supportbands für die Tour wurden gestrichen, und das war’s dann.

Haben sich eure Wege in Freundschaft getrennt?

Es hatte sich alles etwas auseinander gelebt und ich hatte ein Kind, um das ich mich kümmern musste. Es lief einfach nicht mehr richtig und ich wollte keine halben Sachen machen. Ich habe gespürt, dass das ganze Projekt dem Untergang geweiht war.

Und jetzt hast du mit THE JIM JONES REVUE eine neue Band am Start. Sollte deren Sound absichtlich so dreckig werden?

Man erntet, was man sät – das ist das Geheimnis, das hinter dieser Art von Musik steckt. Unsere erste Platte ist an gute Live-Alben angelehnt. Ich liebe zum Beispiel „T.V. Eye“ von Iggy Pop, weil es genauso klingt, als würde man vom Sound der Verstärker erschlagen, es gibt diese einmalige Verzerrung und Kompression. Wir haben versucht, diesen Klang auf die Platte zu bringen. Im Radio wurde den Hörern gesagt, dass unser Album so laut ist, dass der Pegel statt um die im Radio üblichen zwei Dezibel gleich um zehn Dezibel gesenkt werden musste!

Wann und wie ist die Band entstanden?

Als wir uns zum ersten Mal getroffen haben, haben wir viel über die frühen Elvis-Platten, Little Richard und Jerry Lee Lewis gesprochen, und dass so etwas doch eine Grundlage für ein gutes Projekt wäre. Wir wollten keine Punkrock-Version von Little Richard, aber etwas mit der entsprechenden Energie und dem nötigen Biss. Im Proberaum haben wir mit „Hey hey hey“ von Little Richard angefangen, und wussten sofort, dass das richtig was werden kann! Als wir einem Freund, der selber in einer Band spielt und ein paar Clubs in London betreibt, unsere Demoaufnahmen vorgespielt haben, war der sofort Feuer und Flamme und hat uns sozusagen gezwungen, am kommenden Wochenende in einem seiner Läden zu spielen, obwohl wir eigentlich noch gar nicht so weit wahren. Das Konzert lief dann aber richtig gut, die Mädchen haben getanzt und wir haben den Abend als Ansporn genommen weiterzumachen. Bis zum ersten Auftritt sind ganze drei Wochen vergangen, sechs Monate später haben wir dann aufgenommen. Unglaublich!

Spielt ihr oft in Londoner Pubs?

Ich glaube, es ist geschickter, so etwas in Deutschland zu machen. Wir probieren das jetzt zum ersten Mal aus. Davor waren wir nur mal beim Reeperbahn Festival in Hamburg. Eine tolle Atmosphäre, so etwas Ähnliches haben wir in Austin mit dem SXSW auch.

Wie war die Resonanz, die ihr auf eure Shows in Deutschland bekommen habt? Sind die Leute nicht komplett ausgerastet?

Es hat den Leuten gefallen, aber komplett ausgerastet sind sie nicht unbedingt ...

Schreibt ihr an neuem Songmaterial, wie weit seid ihr mit dem neuen Album?

Dafür bleibt uns nicht immer genug Zeit. Wir haben jetzt sechs Stücke fertig, von denen einige sehr nach dem alten Album klingen und manche eine etwas andere Richtung einschlagen, sich aber immer noch im gleichen Fahrwasser bewegen. Wir treten so häufig auf, dass wir meistens schon für die nächsten Shows üben müssen, sobald wir uns mal zum Proben treffen!

Also wisst ihr schon, wie es weitergeht?

Ich glaube, wir beschäftigen uns mit einer tollen Musikrichtung, und wir nähern uns ihr auf eine sehr einzigartige und erfrischende Weise. Rock’n’Roll zu spielen ist, wie ein altes Auto anzuwerfen. Am Anfang macht es ein paar Probleme, aber wenn’s erst mal richtig läuft, kann dich dann nicht mehr viel aufhalten!