LOW ART MAGAZINE

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This Is Dresden Not L.A.

Abseits des Mainstreams entwickelte sich in den späten Siebzigern in Los Angeles eine alternative Kunstrichtung, welche später von Robert Williams als „Lowbrow Art“ einen allgemein umfassenden Namen bekommen sollte. Seither erfreut sich diese Kunstrichtung auch in unseren Breitengraden wachsender Beliebtheit, nicht zuletzt wegen der Grenzen überschreitenden Verwirklichungen der jeweiligen KünstlerInnen. Im Jahre 2006 machten es sich die beiden Dresdener Low-Künstler Mario M. Kafka und Danny F. Criminal zur Aufgabe, ein Magazin auf den Markt zu bringen, welches Interessierten abseitiger Kunstformen einen Einblick in diese für die meisten noch unentdeckte und charmant naive Szene gewährleisten soll – eben ein Magazin von Kunstliebhabern für Kunstliebhaber. Seit Ausgabe vier versucht man nun, seine Leser über den Flughafen- und Bahnhofsbuchhandel zu finden. Grund genug, den beiden Herausgebern ein paar Fragen zu stellen, und dieses herausragende Magazin unseren LeserInnen ans Herz zu legen.

Ehrlich gesagt hätte ich fast nicht mehr damit gerechnet, jemals wieder eine neue Ausgabe eures Magazins in den Händen zu halten. Gab es bei der Fertigstellung der aktuellen Ausgabe nennenswerte Probleme, immerhin ist die Ausgabe drei ja nur im Internet erschienen?

Mario: Klar, Probleme gibt es immer wieder, das kennt man ja. Dass die dritte Ausgabe nur im Internet erschienen ist, hatte einen ganz einfachen Grund: Wir wollten sie nicht unaktuell werden lassen. Und dann war da natürlich noch das Problem der „Investoren“, na ja, sagen wir lieber, die Suche nach Leuten, die unser Projekt gut finden und bereit sind, es finanziell zu unterstützen. Nachdem das alles erledigt war, konnte es losgehen in Richtung Flughafen- und Bahnhofsbuchhandel. Und rückblickend muss ich sagen, dass ich mir das auch alles einfacher vorgestellt hatte. Was man bei einer Erstellung solch eines Magazins alles Neues lernt, ist schon enorm.

Was war eure Intention, das Risiko einzugehen und eure Lektüre im herkömmlichen Sinne auf Papier herauszubringen? Eigentlich hättet ihr ja nach der dritten Ausgabe weiterhin das Low im Web veröffentlichen können.

Mario: Wir sind von uns selbst ausgegangen, und wir müssen solch ein Magazin einfach anfassen und umblättern können und, ganz wichtig, auch mitnehmen können – in den Park, aufs Klo, in die Küche. Ein weiterer Grund ist natürlich, dass gedruckte Bilder immer noch einen größeren Charme haben, als digitale Nachpixelungen auf dem Bildschirm, oder hast du schon mal mit einem Finger über ein Bild auf dem Bildschirm gestrichen, um zu schauen, wie es sich anfühlt? In einem gedruckten Heft macht man das einfach mal, und fühlt dann einfach das Papier und die Struktur. Ist einfach ein viel schöneres Gefühl.

Danny: Außerdem bin ich davon überzeugt, dass die wenigsten Leute längere Texte und Artikel auf Computerbildschirmen komplett lesen. Das Lesen macht nicht wirklich Spaß am Computermonitor, mir zumindest nicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass die meisten Internetnutzer das Internet zur schnellen Information nutzen. Mit dem Low Magazin wollen wir mehr bieten als nur eine schnelle Informationsplattform. Lesen auf bedrucktem Papier ist eine feine Sache: Langlebig, komfortabel und praktisch.

Ihr habt im Gegensatz zu den ersten beiden Ausgaben nun ein recht außergewöhnliches Format. Da ihr nun auch in jedem gutsortierten Zeitschriftenladen erhältlich seid, fiel es mir, ehrlich gesagt, schwer, das Low Art Magazine ausfindig zu machen, da die anderen standardformatierten Hefte eures überlagerten. Ist das quadratische Format eine Anlehnung an die alten Rolling Stone-Ausgaben, die ja damals meines Wissens nach im LP-Format erschienen?

Mario: Die eigentliche Überlegung war wirklich erst einmal, dass es gut und außergewöhnlich aussehen soll. Man sollte das Magazin in die Hand nehmen und merken: Hey, das ist sein Geld ja schon wegen seines Formats und seines guten Papiers wert. Daraus entstand die Idee des quadratischen Designs, welches uns gleich auch richtig angesprochen hat, weil – und jetzt hast du fast ins Schwarze getroffen – es sich wie eine LP gestalten lässt. Aber an die alten Rolling Stone-Ausgaben hatten wir da gar nicht gedacht.

Danny: Nicht immer ist die Größe entscheidend, um aufzufallen. Wo es in dem einem Laden untergeht, weil es hinter den Großen steht, so fällt es doch in einem anderen umso mehr auf, wenn es zum Beispiel vor den Großen steht. Sicher ist es schade, wenn das Zeitschriftensortiment im Laden lieblos angeordnet ist. Aber das betrifft auch Magazine im größeren Format, die oft so weit in den Hintergrund gestellt werden, dass man sie kaum noch findet. Darauf hat man leider keinen Einfluss. So ist das Low Art Magazin sicher auch etwas für Entdecker.

Wie wählt ihr eure Interviewpartner aus, ist es überhaupt noch möglich „schillernde Persönlichkeiten“ ausfindig zu machen?

Mario: Ich glaube, es ist nicht immer unbedingt nötig, eine „schillernde Persönlichkeit“ zu finden, viel wichtiger ist, dass erstens die Kunst ansprechend ist und zweitens natürlich die Geschichte des Künstlers. Natürlich wäre es immer gut, einen Künstler zu haben, der durchgeknallt ist oder der auf irgendeine Art und Weise was richtig Krasses zu berichten hat, aber so ist das eben oft nicht. Ist ja in der Musik bei Bands nicht anders, und trotzdem lesen es die Leute: Wann tretet ihr auf, was plant ihr demnächst, wie habt ihr es so weit geschafft und so weiter und so fort.

Danny: Was wir uns zudem auf die Fahnen geschrieben haben, ist, dass wir den Bildern großen Raum einzuräumen haben. Das ist ja oftmals das wirklich Interessante an einem Künstler – sein Werk. Das gerät in heutiger Zeit ganz oft in Vergessenheit, bei all dieser Selbstprofilierung und gekünstelten Darstellung in der Kunst- und Kulturwelt. Viele Künstler tun sich heutzutage schwer, sich über ihre Kunst zu definieren. Oft scheint mir das nur als Werkzeug, um laut das Signal zu setzen: „Hallo ich bin da, ich bin wichtig, beachtet mich, liebt mich!“

Hier in Düsseldorf sollte man eigentlich meinen, eine lebendige Kunstszene vorzufinden. Viele Galerien und die alteingefahrene Kunstakademie sprechen aber leider eine etwas biedere Sprache. Würdet ihr sagen, dass es in Deutschland allgemein noch Nachholbedarf gibt, sich anderen künstlerischen Ausdrucksformen zu öffnen?

Danny: Ich glaube, viele Galerien stehen einfach zu sehr unter finanziellem Druck, um ganz eigene Schritte zu wagen: Die Galeriemieten müssen bezahlt werden, die Mitarbeiter und der Galerist möchten auch ein wenig essen und in den Urlaub fahren können. Da wirft man sich natürlich gern in den Schlund des großen Kunstmarktes und folgt seinen Trends. Sicher ist es oft auch so, dass Galeristen zu tief und schon sehr lange bis zu den Ohren im intellektuellen Kunstsumpf stecken und Künstler, die einfachere Sprachen sprechen, nicht mehr verstehen können. Man hebt ab in ferne Galaxien und beweihräuchert sich gegenseitig bei Lachsschnittchen und Rotwein. Aber ich will nicht zu sehr schimpfen und zynisch sein. Natürlich gibt es auch viele Ausnahmen unter den deutschen Galerien und auch in den Kunstakademien des Landes, nur hört man von denen eher wenig, weil die lauten und aufgeblasenen Künstler und Galerien sie übertönen und übertünchen. Man muss nur genau hinhören oder vielmehr hinschauen.

Ihr beide seit ebenfalls als Illustratoren/Designer tätig. Erzählt doch bitte kurz eure Einsatzgebiete außerhalb des Low Art Magazines.

Danny: Das Zeitschriftenmachen nimmt einen voll ein, vor allem in so einem kleinen Team. Offiziell biete ich mich kaum noch als Illustrator oder Designer an. Die Zeit lässt es einfach nicht zu. Ansonsten hat mich meine künstlerische Entwicklung zum Maler – nicht Anstreicher! – werden lassen. Das ist ein harter und ausfüllender Job, wenn man es ernst meint. Nicht um Geld zu verdienen, sondern um sich selbst zu genügen. Das ist eine sehr persönliche Geschichte und gehört inzwischen zu meinem Leben wie Essen, Trinken und Atmen.

Mario: Wie Danny schon sagt, außerhalb des Low Art Magazines gibt es zur Zeit nichts mehr, vielleicht werde ich später, wenn sich unser Team vergrößert hat, mal wieder was machen, zur Zeit zählt aber nur das Low. Also frag mich einfach in zwei Jahren noch mal.

Ist es heute überhaupt noch möglich, als kreativer Mensch von seiner Kunst zu leben? Immerhin kann ja jeder Hinz und Kunz auf einem Computer mal eben schnell selber was via Photoshop basteln.

Danny: Wenn der Herr Hinzundkunz das, was er da im Photoshop gebastelt hat, noch auf möglichst überdimensioniert großer Leinwand abmalen kann, ein wenig Erfahrung und Talent in Selbstdarstellung besitzt und für das, was er da getan hat, auch noch eine gute Ausrede mit sehr, sehr vielen Fremdwörtern verfassen kann und zudem noch gute Beziehungen zu anderen Blendern der Branche pflegt, dann hat sogar ein Herr Hinzundkunz gute Chancen, unter dem Etikett „zeitgenössische Kunst“ von seiner Kunst leben zu können. Kunst sollte sich nie unter dem Druck des Kommerzes entwickeln – das nimmt ihr die Selbstverständlichkeit. Daneben bleibt halt noch die Arbeit als Illustrator oder Grafikdesigner. Da lässt es sich bestimmt von leben, wenn man wirklich gut und talentiert ist und sich marketingtechnisch gut durchkämpfen kann.

Mario: Also Hinz und Kunz haben ja schon immer versucht, Kunst zu machen, das fällt denen jetzt bestimmt nicht leichter durch Photoshop. Fehlen einem das Auge dafür und wenigstens ein klein wenig formales Wissen, hilft auch kein Photoshop. Außerdem, wer sagt, dass er „Kunst macht“, ist bei mir sowieso schon meist untendurch, das sollten ja wohl andere beurteilen als der Künstler selbst. Die besten Künstler sind immer noch die, die nebenher noch ein Handwerk beherrschen – das kann heutzutage natürlich auch Photoshop sein – und mit diesem dann etwas schaffen, was andere Menschen als Kunst bezeichnen. Und das dürfte Hinz und Kunz eben schwer fallen.

Auch ein ganz großes Thema: Die Weltwirtschaftskrise und im Falle der Musikindustrie speziell die zunehmende Digitalisierung des musikalischen Outputs, wodurch insbesondere CoverkünstlerInnen im gleichen Zusammenhang betroffen sind. Wie wirkt sich das nun auf die Lowbrow-Szene eurer Meinung nach aus? Welche Abstriche/Alternativen müssten Künstler/Illustratoren/Designer in Kauf nehmen?

Danny: Die Kreativen der Bewegung suchen sich einfach andere Wirkungsgebiete. Nachdem die Schallplatte totgesagt wurde, entstand eine lebendige Konzertplakatszene. Und auch jetzt, wo selbst die CD mit samt ihren künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten durch formlose Computerdateien in Mitleidenschaft gezogen wird, machen sich die Designer und Illustratoren auf, neue Schlachtfelder zu erobern: Vinylspielzeuge, Skateboards, Fashion oder das Internet. Für mich ist das eher eine erschreckende Entwicklung hin zu den temporären Scheinwelten des Internets. Daneben entstand auch in der Lowbrow-Szene so etwas wie ein Kunstmarkt, auf dem noch mit echten Bildern gehandelt wird. Dort dürften inzwischen einige Galerien und Künstler ganz ordentlich verdienen.

Mario: Ein Künstler schafft sich ja immer seinen eigenen Markt, das darf man dabei ja nicht vergessen. Ich merke gerade, Danny scheint ein bisschen Probleme zu haben mit der „Scheinwelt“ Internet. Mir geht das nicht so, es ist einfach mal wieder ein Umbruch, genau so wie es Radio und Fernsehen waren, da wurden ja die Zeitungen auch schon totgesagt. Es gibt neue Möglichkeiten, neue Horizonte, man muss sie eben nur sehen und vor allem nutzen. Und nebenbei gesagt, glaube ich nicht, dass das Cover ausstirbt, es wird jetzt erst einmal wieder den richtigen Stellenwert einnehmen, denn nicht jeder hat dann eins.

Siebdruck im Speziellen und „Rock’n’Roll“ im Allgemeinen passen offensichtlich wie „Pech und Schwefel“ zusammen. Auf Webseiten wie gigposters.com kann man sich davon tagtäglich selber überzeugen. Woher rührt diese harmonische Beziehung eurer Meinung nach und welchen Stellenwert nimmt Musik in eurem täglichen Alltag ein?

Danny: Beidem hängt der Mythos des Handgemachten an. Man möchte etwas Pures und Authentisches schaffen. Rock’n’Roll steht dabei als Synonym für unangepasste handgemachte Musik, die sich dem Fortschritt verwehrt. Ähnlich steht es mit dem Siebdruck und dem Rock-Plakat: Ein mit Muskelkraft bedrucktes Blatt, das sich den Konventionen und dem Fortschritt des modernen Kommunikationsdesigns und seinen Drucktechniken und Regeln zu entziehen sucht. Beidem liegt auch die Do-It-Yourself-Mentalität vergangener Tage – Rock’n’Roll, Punk und so weiter – zugrunde. „Unabhängigkeit“ ist hier wohl das Zauberwort. Rock’n’Roll wie auch Siebdruck lässt sich in der heimischen Garage betreiben.

Was sind eure zukünftigen Projekte im Bezug auf das Low Art Magazine? Kann man jetzt mit einer regelmäßigen Veröffentlichung rechnen?

Mario: Das Low Art Magazine soll in Zukunft viermal im Jahr erscheinen. Hoffen wir mal, dass das funktioniert und sich noch mehr Leute dafür begeistern. Dieses Jahr gibt es ja erst mal nur zwei Ausgaben, wir müssen erst abschätzen, wie gut es angenommen wird. Also jetzt erst mal die fünfte Ausgabe abwarten und dann sehen wir weiter.