241ERS

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Auf ein Bier mit Obama

THE 241ERS aus New York nehmen unsere Welt kritisch zur Seite und das Ergebnis sind erstklassge Folksongs mit Punkspirit. THE FILAMENTS, STOCKYARD STOICS und M.D.C. heißen die Vorläuferbands und Jon Fawkes, Brendan Bekowies (jeweils Gitarre/Gesang), Joe Piglet (Bass/Gesang) sowie Earl Grady (Drums) sind die Namen dahinter. Für das Debüt „Murderers“ (Review #83) holte man sich etliche Freunde ins Studio und mischt seitdem mit aufrührerischen Folk die politisch zahm gewordene Punk-Szene auf. Die Band macht dabei klare Ansagen und definiert sich wie folgt: „Political because the world is too fucked up not to write songs about it and punk because we know no other way.“ Meinen Fragen zu Anspruch und Wirklichkeit nahm sich Joe Piglet via E-Mail gerne an, doch bevor alle Fragen übersetzt waren, trällerten die Spatzen bereits etwas von „längerer Bandpause“ durch die Gassen des Big Apple ...

Die 241ERS haben drei unterschiedliche Vorläufer, die Punk eher von der lauten Seite aus betrachteten. Was ließ euch diese Perspektive ändern?

Du meinst, warum wir solche Waschlappen geword en sind? Wir sind älter und schwächer, als wir dachten, so macht es natürlich Sinn, langsamere Musik zu spielen. Die Band startete mit Jon und mir in unseren Wohnzimmern in Philadelphia. Jon war mächtig in ein Girl aus den Staaten verliebt, so dass er THE FILAMENTS weniger wichtig nahm und seltener in England war. Ich bin wegen der hohen Mieten aus New York weg und meine Band, THE STOCKYARD STOICS, kollabierte leider an ständiger Frustration über den Schlagzeuger. Ich hatte immer auch einige ruhigere Songs, die aber niemals mit den Stoics funktioniert hätten. Jon ebenfalls, und wir spielten die immer auf unseren Akustikgitarren. Irgendwann hatten wir als MW SEPTICS erste lokale Gigs. Einfach nur wir beide mit unseren Gitarren, wir waren schlecht, aber wir hatten eine exzellente Bühnenperformance, vor allem liebten wir unsere Songs, selbst wenn wir sie nicht richtig gut spielen konnten. Nach einigen Monaten entschieden wir uns, besser zu werden, buchten gleich einen Studiotermin. Wir fragten Brendan von den Stoics, der ein wesentlich besserer Musiker ist als Jon und ich, ob er Lust hätte mitzumachen. Er sagte zu und wir verbrachten ganze drei Monate mit dem Aufnehmen von Demo-Songs in unseren Wohnzimmern. Die Songs klangen aber, als ob ihnen das Schlagzeug fehlte, weshalb wir unseren alten Kumpel Ernie aus Alabama ins Boot holten. Mit ihm klangen die Songs nach einer echten Band, natürlich eine viel ruhigere, dennoch ist die Seele der Songs immer noch reiner Punk.

Gleich mit dem Opener „America loves the little children“, legt ihr die inhaltliche Ausrichtung der Platte fest. Welche Ereignisse oder Erfahrungen führten zu dieser Form von Gesellschaftskritik, tragen die Songs autobiografische Züge?

Ich wurde aus politischen Gründen Punk und kann einfach keine Songs über etwas anderes schreiben. Ich denke meistens an Katzen, Essen, Sex und Politik. Und Politik schien mir das relevanteste Thema zu sein, obwohl ich in Zukunft sicher mal ein Katzen-Konzeptalbum schreiben werde, haha. Wir versuchen Politisches über persönliche Erfahrungen zu verarbeiten. „Marching“ zum Beispiel schrieb ich, als Jon und ich an einem verregneten Samstagmorgen an einem schlecht besuchten Antikriegsmarsch teilnahmen. „Bethlehem“ wurde inspiriert durch einen Aufenthalt in einem Flüchtlingscamp in der Westbank, wo US-Waffen gegen Zivilisten eingesetzt wurden. „Supreme trading“ entstand während der Arbeit inmitten eines begehbaren Kühlschrankes und beschreibt meinen Hass auf die Dienstleistungsindustrie. Jon schrieb „Ronald Timbers“ über ein Kind aus unserer Straße, das von der Polizei erschossen wurde, weil seine Mutter um Hilfe rief – unvorstellbar! Unsere Welt ist ein Monster und wir sind alle ein Teil davon, ob wir engagiert sind oder nicht! Punk hat für mich eine motivierende Kraft, die Welt etwas besser zu machen, und ich hoffe, wenigstens ein bisschen mit meiner Musik dazu beizutragen.

Wie nah dran seid ihr mit eurem derzeitigen Sound noch an euren Punk-Wurzeln?

Unser Sound entwickelte sich einfach so, denn uns fehlte die Zeit, um „richtig“ zu proben, so dass wir viel Zeit damit verbrachten, neue Songs nur mit Akustikgitarren zu erarbeiten und diese blieben auch meist akustisch. Die Songs, die wir für die 241ERS aufgenommen haben, waren zur Hälfte für unsere anderen Bands gedacht, aber doch zu „ruhig“ für Punk. Um unseren Sound weiterzuentwickeln, wünsche ich mir in Zukunft mehr Instrumente und würde auch mehr elektrische Gitarrensounds mit einbauen. Mit Freunden an den zusätzlichen Instrumenten zu arbeiten, hat echt Spaß gemacht und wir werden definitiv mit dieser Zusammenarbeit fortfahren. Im Moment stellt sich unsere Situation aber etwas schwierig dar, da Jon wieder zurück nach England gegangen ist, um mit seiner Freundin zusammen zu sein. Wir werden uns also erst mal über tausende Kilometer Songs per Mail schicken, ein paar Mal proben und dann eine Weile auf Tour gehen.

Könnt ihr über die 241ERS alles kanalisieren oder bedarf es irgendwelcher Seitenprojekte für andere stilistische Vorlieben?

Mit der Zeit wird es seltsam, nur akustisch zu spielen, lautes und schnelles Spielen vermisse ich schon. Nach den ganzen Punk-Jahren ist es echt schwierig, die ganze Energie über Akustiksongs zu transportieren. Wenn wir unsere Punk-Songs nur auf akustische Art spielen würden, wäre das aber erst recht seltsam. Ja, Seitenprojekte sind unausweichlich. Ich finde es klasse, dass Punk auf verschiedene Art gespielt werden kann. Ich fürchtete mich immer davor, einer dieser gealterten Punks zu werden, die immer nur ihre acht Songs über den Hass auf Staat und Co. spielen. Mittlerweile habe ich aber realisiert, dass ich auch solche Songs spielen kann, nur eben ruhiger.

Wie fühlt man sich aktuell als Amerikaner mit Obama als neuem Boss?

Komisch, vor allem aus meiner Perspektive. Das System ist natürlich immer noch scheiße und der Kapitalismus mordet immer noch, aber das erste Mal in meinem Leben haben wir einen „Anführer“, mit dem ich mich gerne auf ein Bier treffen würde. Ich bin zwar skeptisch, aber auch angenehm überrascht. Das Frustrierende ist aber, dass ich nicht weiß, was mit den Linken passieren wird, denn es ist wichtig, einen Präsidenten nicht mit echtem Wandel zu verwechseln – haltet den Druck aufrecht! Um der ganzen Skepsis, dass das ganze „Obama-Ding“ bedeutungslos ist, trotzdem etwas entgegenzusetzen, würde ich mir wünschen, du hättest den Morgen nach der Wahl mit mir erlebt. Ich arbeite an einer Highschool in einer extrem armen Gegend, geprägt von Latinos und Afrikanern. Die Kids waren so begeistert – es hörte sich an, als jage ein Wirbelsturm durch die Schule. Selbst wenn sich nichts wirklich ändert in der Politik, der psychologische Effekt ist enorm, denn farbige Menschen denken neu über ihre Möglichkeiten und ihren Platz in der Gesellschaft nach. Und weißt du was? Derzeit bin ich sogar ein wenig stolz auf Amerika, denn unsere beschissene Rassistennation hat einen Schwarzen zum Präsidenten gewählt! Vielleicht wird ja trotz des ganzen imperialistischen Mists ein kleines Stück unseres angeblichen „Amerikanischen Traums“ wahr.