MOLTEN UNIVERSE / LIME SPIDERS

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Tales From The Australian Underground

Die LIME SPIDERS aus Sydney, Australien gründeten sich 1979, waren bis 1990 aktiv und in dieser Zeit einer der erfolgreichsten (Post-)Punk-Rock-Exporte von Down Under. 2002 fanden sie sich für kurze Zeit zusammen, seit 2007 sind sie wieder so richtig aktiv, spielen Weihnachten 2008 drei Konzerte – und haben nebenher auch noch mit MOLTEN UNIVERSE ein Sideproject aus aktuellen und einstigen LIME SPIDERS-Musikern laufen. MOLTEN UNIVERSE veröffentlichten Ende 2008 eine EP auf Off The Hip, mit dem früheren Bassisten Tony Bambach als Frontmann. An der Gitarre findet sich zumeist Gerard Corben (Gitarre), dessen Sohn Tom Corben (Drums, spielt auch bei den „neuen“ LIME SPIDERS), sowie Gitarrist Richard Jakimyszyn, der einst auch bei den Spiders spielte. Eine Familienangelegenheit durch und durch also, und das Ergebnis macht ausgesprochen viel Spaß, klingt wie eine roughe Mischung als alten LIME SPIDERS, EASTERN DARK und COSMIC PSYCHOS. Ein guter Grund für ein Interview mit Tony Bambach.

Tony, stell dich bitte mal vor.

Ich bin jetzt 48 Jahre alt und lebe mit meiner Frau und zwei Kindern an der Küste Australiens, etwa eine Stunde nördlich von Sydney. Mein Geld verdiene ich als Vertriebsmanager in der Elektroindustrie. Mit acht Jahren habe ich angefangen, Klavier zu lernen, später habe ich dann noch in einem Kirchenchor gesungen und in Schulgottesdiensten Orgel gespielt. Das ist ein ungewöhnlicher und wenig spektakulärer Beginn für eine spätere Karriere als Rockmusiker, aber so habe ich mir schon eine Menge Theoriewissen angeeignet.

Was hat dir dann den entscheidenden Stoß in die richtige Richtung gegeben?

Ausschlaggebend war unter anderem das Video zu „Rock and roll all night“ von KISS. Als ich das im Fernsehen gesehen habe, war ich total hingerissen von der Theatralik und der Energie, die in dem Clip steckt. Meine ersten Platten waren Alben von KISS, den Stones, David Bowie und Lou Reed. Mit 15 habe ich mir dann einen Bass gekauft und angefangen, mir das Spielen selbst beizubringen.

Wie lief es mit deinen ersten Bands?

Die erste Band, mit der ich auch wirklich aufgetreten bin, hieß THE WIPEOUTS. Wir haben Surfpunk gemacht und hatten keine besonders hohen musikalischen Ansprüche. Unsere Setlist bestand zum größten Teil aus Coversongs, allerdings hatten wir mit „Beachcombing boy“ auch einen richtig guten selbstgeschriebenen Song. Meine nächste Band waren THE MOST. Geprägt vom Rock der 60er und 70er Jahre haben wir zum Beispiel die ROLLING STONES, THE YARDBIRDS und Iggy Pop gecovert, über das Fanzine 48 Crash aber auch eigene Songs auf Kassette veröffentlicht. Unser Sänger war eine sehr charismatische, Brille tragende Mischung aus Mick Jagger, David Bowie und Iggy Pop. Eine Zeit lang lief es richtig gut und wir konnten als Support für Bands wie THE SUNNYBOYS, THE SCIENTISTS oder THE CHURCH spielen.

Und wie bist du dann letztendlich bei den LIME SPIDERS gelandet?

Mit THE MOST sind wir regelmäßig im Southern Cross Hotel aufgetreten. Eines Tages gab es da einen Bandwettbewerb und wir mussten im Finale gegen die LIME SPIDERS antreten. Die hatten mich schon vorher beeindruckt durch Mike Bloods markerschütternde Stimme und Gitarrist Richard Jakimyszyn, der dem Ganzen durch seine Spielweise eine richtig kantige Härte verlieh. Die Spiders haben übrigens gewonnen. Etwas später wollten Mick und Jacko das Spiders-Line-up dann ändern und in gemeinsamer Freund von uns empfahl mich bei Mick. Als Drummer schlug ich Richard Larson vor, mit dem ich schon bei THE MOST gespielt hatte – dann waren wir komplett und haben schon bei der ersten Probe gemerkt, dass das richtig was werden kann. Richard und ich bildeten eine gute Rhythmusfraktion, die dem ursprünglichen Line-up einfach gefehlt hatte. Die „Slave Girl“-Single schlug ein wie eine Bombe und hat unserer Karriere den ersten richtigen Schub gegeben.

Was hat euch den Start so leicht gemacht?

Wir hatten Glück, dass es zu unserer Zeit eine sehr lebendige Musikszene in Australien gab. Antiautoritär eingestellte Bands mit Punkrock-Attitüde, wie RADIO BIRDMAN und THE SAINTS beispielsweise, hatten für ähnlich gesinnte Gruppen wie THE HARD-ONS, THE CELIBATE RIFLES oder THE PSYCHOTIC TURNBUCKLES den Weg geebnet. Wir konnten in Australien vor richtig großem Publikum spielen, so wurde dann Virgin Records auf uns aufmerksam und hat uns einen Vertrag über drei Alben angeboten. Nach einer US-Tour im Jahr 1987 kamen wir 1988 nach Nordeuropa und spielten damals auch eine legendäre Show auf dem Roskilde-Festival.

Die LIME SPIDERS waren zeitweise sehr stilprägend, sind heute aber nahezu vergessen – gerade in Europa, wo sie in den Achtzigern recht bekannt waren.

Es versteht sich von selbst, dass unsere Popularität gesunken ist, seitdem wir dort nicht mehr aufgetreten sind und auch nichts Neues mehr veröffentlicht haben. Letztes Jahr haben wir jedoch auf Nicotine Records mit „Live At The Esplanade“ ein Live-Album herausgebracht – jetzt scheint es wieder aufwärts zu gehen. Die CD hat genauso wie die MOLTEN UNIVERSE-Platte recht gute Kritiken bekommen und wurde teilweise sogar im Radio gespielt. Es überrascht uns immer wieder, wie viele international bekannte Bands unseren Namen nennen, wenn es um Einflüsse auf ihre Musik geht. Das sind nicht nur Gruppen wie THE ANGRY SAMOANS oder THE NEW BOMB TURKS, sondern auch Stadionrocker wie THE GOO GOO DOLLS, die uns sogar covern.

Was macht ihr momentan, wie ist es um die LIME SPIDERS bestellt?

Wir spielen noch, aber eher selten. Unser langjähriger Drummer Richard macht jetzt elektronische Musik und hat die Band verlassen, um sich seiner Solokarriere zu widmen. Stattdessen ist Tom Corben, der Sohn unseres Gitarristen Ged, eingestiegen. Er ist ein großartiger junger Schlagzeuger, der frischen Wind in die Band bringt. Wir machen einfach so weiter wie bisher, es gibt immer noch viele Leute, die zu unseren Konzerten kommen. In den letzten Jahren wurden einige retrospektive Achtziger-Aussie-Garagerock-Sampler veröffentlicht, die wieder für ein gesteigertes Interesse an Musik aus dieser Richtung gesorgt haben.

Und wie entstand MOLTEN UNIVERSE?

Als Mick Blood 1985 auf Reisen ging und die Spiders für eine Weile verließ, haben die verbliebenen Bandmitglieder als Dreiercombo unter dem Namen ADOLPHUS weitergemacht. Wir schrieben drei Songs, die mit Ausnahme von „No love around“ auf dem LIME SPIDERS-Album „The Cave Comes Alive“ landeten. Jahre später haben wir noch mal ein paar Auftritte gespielt. Statt Richard Lawson stieß CELIBATE RIFLES-Gründungsmitglied Phil Jacquet als Drummer zu uns. Das Ganze hat so viel Spaß gemacht, dass wir im Tardis Studio ein par Stücke aufgenommen haben. Zwei Songs habe ich zusammen mit meinem Sohn Damien gemacht. Dann kam uns die Idee, das alles auf eine CD zu packen und unser zusammengewürfeltes Musikerkollektiv MOLTEN UNIVERSE zu nennen. Mir gefiel das Konzept eines wechselnden Line-ups und es hat Spaß gemacht, sogar unsere Söhne dabei zu haben.

Soweit ich die Spuren der MOLTEN UNIVERSE-Mitglieder zurückverfolgt habe, könnte man gut von einer Art Zweitexistenz der LIME SPIDERS sprechen. Ist da was dran?

Ja, aber obwohl gleich drei Leute der LIME SPIDERS hier mitmischen, führt MOLTEN UNIVERSE definitiv sein eigenes Dasein.

Eure EP klingt wie eine Mischung aus LIME SPIDERS, EASTERN DARK und COSMIC PSYCHOS – oder habe ich was vergessen? Wollt ihr überhaupt mit diesen Namen in Verbindung gebracht werden?

Ja, das wollen wir schon – das sind drei tolle Bands und wir haben die besten Seiten jeder Einzelnen übernommen. Beispielsweise den rauhen, aggressiven Sound der frühen Spiders oder den melodischen Gesang von EASTERN DARK.

Wie liefen die Aufnahmen zu „No Love Around“?

Richard und Ged waren beide langjährige LIME SPIDERS-Gitarristen, kamen jedoch nie dazu, gemeinsam aufzunehmen. Das haben wir jetzt endlich mal ausprobiert – und das Resultat ist ein ungewohnt harter Gitarrensound. Wir haben die Songs sehr schnell aufgenommen und wenig nachbearbeitet. Durch das analoge Equipment der Tardis Studios haben wir einen sehr warmen Sound erreicht, der den rauhen, energischen Charakter der Platte noch weiter verstärkt.

Gibt es so etwas wie ein festes Line-up oder wird die Band den Charakter eines Projektes behalten?

Momentan spielen wie ein paar Shows, bei denen Ged, Damien, Phil und ich auf der Bühne stehen. Im September ging Damien jedoch mit seiner anderen Band DEATH MATTEL in Europa auf Tour, danach wird er zurück nach London ziehen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass Richard Jakimyszyn wieder einsteigen wird.

Habt ihr neben den sechs Songs auf der EP noch weiteres Songmaterial? Wie macht ihr weiter?

Wir schreiben gerade an Songs für ein neues Album, werden bald mit den Aufnahmen beginnen und wollen die Platte dann nächstes Jahr veröffentlichen. Es ist geplant, immer nur einen oder zwei Songs über einen Zeitraum von mehreren Monaten aufzunehmen, genau wie bei „No Love Around“. Dadurch ist sichergestellt, dass wir immer frisch und voller Energie an die Sache herangehen können. Unser „Freedom of choice“-Cover auf „No Love Around“ ist sehr gut angekommen, also werden wir auch für das neue Album ein paar Punkrock-Klassiker einspielen.