DIE ART

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„Ich trage immer schwarz.“

Seit 1986 sind DIE ART aus der Gegend um Leipzig schon aktiv und konnten sich mit schwer nach britischem Goth-Rock/Dark Wave klingenden Songs noch zu DDR-Zeiten einen Namen machen. Nach der Wende ging es für die Band aber erst so richtig los, es folgten hunderte Konzerte, sowohl im Inland wie auch in Nordamerika, und bis zum Split 2001 wurden neun Alben veröffentlicht. Unter dem Namen WISSMUT machte Frontmann Makarios weiter, und dann 2007 die Reunion, zwei weitere Alben – und 2009 nun eine Best Of-CD, besser gesagt „Das Beste von“, denn die Band entschied sich, hier ausschließlich Favoriten mit deutschen Texten zu sammeln. Zeit für ein Interview mit einer Band, deren Vorbilder wohl vor allem bei BAUHAUS, KILLING JOKE und Co. zu finden sind. Makarios beantwortete meine Fragen.

Vor zwanzig Jahren endete die DDR. Wie hätte die Geschichte eurer Band wohl ohne den Mauerfall ausgesehen?

Das ist schwer zu sagen, von Verbot bis Indie-König war ja alles drin. Ich glaube aber, die Band hätte nicht zwanzig Jahre durchgehalten, wir waren schon nah dran an dem, was in der DDR für eine Band wie DIE ART möglich war, und dann hätte es keine Entwicklungsmöglichkeit mehr gegeben. Glücklicherweise kam der Mauerfall, und DIE ART lief nie Gefahr, sich verbiegen zu müssen.

Und wie lautet euer Resümee dessen, was durch den Mauerfall für euch möglich wurde, wie etwa Konzerte in Nordamerika?

Zuallererst sind es ja unsere Alben, die wir machen konnten. Das ist wohl für jeden Musiker das Salz in der Suppe und dieses hat ja in der DDR gefehlt. Wir haben zwar mit dem Medium Kassette eine Art Ersatz gefunden, aber unsere erste richtige echte Schallplatte war dann doch etwas ganz viel mehr Beeindruckendes. Natürlich kommen die Möglichkeiten, mit der Band auf Tour zu gehen, gleich danach. Wir haben wirklich viel erleben dürfen, waren in halb Europa und in Nordamerika, das ist schon wie ein Geschenk.

Apropos: Sind sich Menschen aus englischsprachigen Ländern der Tatsache bewusst, dass euer Name nichts mit den englischen Worten „Sterben“ und „Kunst“ zu tun hat?

Nein, nein, die denken als Erstes an „Stirb Kunst!“ und finden das ganz toll. Die Erklärung, wie DIE ART zu übersetzen ist, ist ja auch nicht ganz einfach und ich sage dann immer, es ist egal, wie unser Bandname interpretiert wird.

Ich fing Mitte der Achtziger mit Bands wie JOY DIVISION, TUXEDOMOON, SISTERS OF MERCY, THE JESUS & MARY CHAIN an, „düstere“ Musik zu hören, wobei das für mich immer nur eine andere Form von Punk war. Wie war das bei euch?

Ähnlich, nur dass es in der DDR diese Musik erst nicht gab. Ich bin schon 1977 auf Punk gestoßen, habe nachts heimlich die englische Version von Radio Luxemburg gehört und war sofort infiziert. Ich weiß noch, mein Lieblingssong war „Love and a molotov cocktail“ von THE FLYS. Die zweite Zündung kam dann mit JOY DIVISION, und damit bekam Punk für mich auch eine andere, seelentiefere und musikalischere Bedeutung.

Wie hat sich euer Geschmack über die Jahre verändert, welche Einflüsse sind geblieben, was kam neu hinzu?

Eigentlich hat sich mein Geschmack nicht verändert, nur ist das Spektrum breiter geworden. Ich bin immer noch eher britisch orientiert. Die tollen deutschen Düsterpunk-Sachen hab ich erst recht spät für mich entdeckt, weil mir deutscher Punk immer zu funny erschien. Inzwischen ist das aber alles kein Thema mehr, es gibt ohnehin zu wenig Musik, die mir richtig nahe geht.

2001 war Schluss mit DIE ART, es ging weiter mit WISSMUT. Warum?

Das lag einfach daran, dass die Bandmitglieder nicht mehr miteinander konnten. Bis es zur Auflösung kommt, vergeht ja ein langer Prozess, den ich auch wahrgenommen und lange zu verhindern versucht habe. Irgendwann ist die Kraft aufgebraucht und man muss etwas Neues wagen. WISSMUT gründete sich noch vor dem Ende von DIE ART, als Alternative, die es dann doch nicht wurde.

Und noch mal warum: Was fehlte euch, so dass ihr dann 2007 entschieden habt weiterzumachen?

Ganz im Ernst, ich hatte nicht vor, DIE ART wiederzubeleben. Ich hatte mit der Geschichte abgeschlossen und sah das auch eher als museal an. DIE ART war Kult und so sollte es auch bleiben, ohne dass man dem noch neue Impulse geben muss. Leider erwies sich die Alternative WISSMUT nicht als solche, rückte immer näher heran an das, was DIE ART war, ohne es zu sein. Fans und Medien und Veranstalter verstanden das gleichermaßen nicht, forderten immer wieder das Original. Und auch meine Bandmitglieder, zum Teil ja mit DIE ART-Erfahrung, litten unter diesem Zustand, bis es zu einer Art Palastrevolution kam. Dazu kam, dass alle Gründe, die zur Auflösung von DIE ART geführt hatten, nicht mehr bestanden: die Band verstand – und versteht – sich menschlich und musikalisch besser denn je, und so war die Forderung nach dem alten Namen die logische Konsequenz. Im Nachhinein kann man WISSMUT als eine Episode von DIE ART betrachten, wie ein Roman, der noch eine Nebenhandlung einschließt. Und inzwischen gibt es Stimmen, die fragen, wann es was Neues von WISSMUT gibt. Ist das nicht paradox? Erst will man WISSMUT nicht, weil es nicht richtig DIE ART ist, jetzt hat man DIE ART, will aber WISSMUT dazu.

Letztes Jahr kam euer Album „Funeral Entertainment“, nun eine „Best Of“ nur mit deutschsprachigen Stücken. Wie kam es dazu?

Es war eine Notwendigkeit, dieses Album zu machen. Seit der Wiederbelebung von DIE ART sind ja auch viele neue, jüngere Fans dazugekommen oder Fans zurückgekehrt, die uns aus den Augen verloren hatten. Die fragten nun gezielt nach den Alben „Still“ und „Das Schiff“, aber die sind vom Markt verschwunden. So blieb als Ausweg eine „Best Of“. Dass es eine deutschsprachige Platte wurde, lag daran, dass die Rechtsfrage bei einigen Alben ungeklärt war. Insbesondere sind das die ersten drei DIE ART-Produktionen von 1990 bis 1993, die die englischen DIE ART-Klassiker beinhalten. Inzwischen ist da aber Licht am Horizont.

Wo seht ihr euch innerhalb des Gitarren-Undergrounds? Für mich hat ja der Ganzjahres-Halloween, wie er von Postillen wie Zillo und Co. seit den frühen Neunzigern veranstaltet wird, nichts mehr mit dem zu tun, was mich einst an Goth-Rock/Punk interessierte – und ungeschminkt darf man in diesen Kreisen ja sowieso nicht verkehren. Mir scheint, ihr seid Bands wie FLIEHENDE STÜRME oder EA80 ähnlicher. Leider gibt es heute ja nur sehr wenige Bands, die Musik noch ganz klassisch im Stil des Dark Wave der Achtziger spielen.

Deine Einschätzung trifft es ziemlich genau. Ganz egal, wie nuanciert man das Musikalische betrachtet, vieles in der Gothic-Szene ist nicht nur nahe am Kitsch, es ist weit drüber. Und die Maskerade brauche ich nicht, um gute Musik zu machen. Ich muss mich nicht schminken und schwarz auflegen, ich trage immer schwarz. Und tatsächlich sehe ich zu FLIEHENDE STÜRME und EA80 mehr Verwandtschaft. Wir sind sozusagen Grenzgänger, die sowohl im Punk zu Hause sind, weil wir nun mal von da kommen, als auch düster genug sind, um für Gothics interessant zu sein. Aber es gibt auch in diesem Mischbereich doch gute Entwicklungen. Neue Bands, die sich aus dem Gefühl der frühen Achtziger speisen, haben ja durchaus Erfolg, wie EDITORS oder INTERPOL, und irgendwo da bewegt sich DIE ART auch.