TRAVIS CUT

Nur bei der Erwähnung des Begriffes Poppunk wenden sich mittlerweile viele entsetzt ab, besonders wenn es um die amerikanische Bubblegum-Variante geht. Aber halt, hiergeblieben, denn TRAVIS CUT aus London sind anders. Stellt euch vor, THE UNDERTONES hätten sich mit DAG NASTY in einem Akt körperlicher Anstrengung vereinigt und würden jetzt als "three piece" Musik machen. Zack, hier ist er, der TRAVIS CUT-Sound. Glaubt ihr nicht? Nachzuhören auf etlichen Tonträgern, die leider bei uns nie die ihnen gebührende Würdigung erfahren haben. Ich sprach mit Chris (Gitarre und Gesang) und Mac (Bass und Gesang) über Wie, Weshalb, Warum.

Ok, dreimal dürft ihr raten, was die erste Frage sein wird.


Chris:
"Woher kommt der Name?"

Mac:
"Welche Schuhgrösse habt ihr?"

Chris: "Wie lange gibt es euch schon?"

Genau! Und die restliche Bandgeschichte bitte auch noch, schliesslich werden euch nicht allzu viele in Deutschland kennen.

Chris: "Gegründet haben wir uns am 19.11.1993. Und zwar waren wir an dem Tag Vorgruppe von DOA im Londoner Garage, d.h. gegründet haben wir uns schon sechs Wochen vorher, das war dann aber unser erster Gig und wir waren ziemlich fürchterlich. Wir hatten erst sechs Songs zu dem Zeitpunkt, spielten aber ´ne ganze halbe Stunde, naja jetzt spielen wir in der gleichen Zeit zwölf oder mehr Songs, haha."

Ihr habt es fertig gebracht, auf diversen Labels 16 7"s zu veröffentlichen. Wie kam´s dazu?

Chris: "Wir haben halt genug Leute angebettelt, das für uns zu machen. Wir nehmen immer mal wieder Songs auf und haben dann aber meistens nicht genug Material für ein ganzes Album, so dass wir eben die Songs für Singles hergeben. 7"s herauszubringen ist nicht so schwer, 500 bis 1000 Stück wirst du meistens los und es ist halt ein Hobby von vielen, Singles rauszubringen und auch zu sammeln. Die ersten zwei 7"s haben wir noch selbst rausgebracht, aber auch die anderen Labels, mit denen wir dann zusammenarbeiteten, waren alle ziemlich DIY-orientiert."

Die erste Platte war noch auf Damaged Goods. Warum seid ihr dort nicht geblieben?

Chris: "Ja ähm, wir sind dort irgendwie "hinausgefallen", aber jetzt ist wieder alles in Ordnung. Der Typ, der Damaged Goods hauptsächlich betreibt, wohnt bei mir gleich um die Ecke und wir sehen uns auch öfters bei Leyton Orient, einer East Londoner Division 3 Profimannschaft, und wir kommen so auch gut miteinander aus, aber damals war das eine Art Missverständnis."

Du erwähnst gerade Leyton Orient...

Chris: "... ja, aber wir sind natürlich Arsenal-Fans. Definitiv. Mac und ich hatten beide Dauerkarten und ich hab immer noch eine. Naja, aber ich wohne in East London und so guck ich mir ab und zu Leyton auch noch an."

Mac: "Ich wohne jetzt in Leicester, was natürlich auch das Proben nicht gerade einfach macht."

Chris: "Was du heute abend auch hören und sehen wirst."

Ihr habt auch gerade eine neue Platte aufgenommen, für Them´s Good, wie man so hört.

Chris: "Das ist der Plan. Also wir haben die Platte zumindest für die aufgenommen, aber so ganz in trockenen Tüchern ist das noch nicht. Aber die veröffentlichten ja auch schon die Singles-Compilation."

Ich hab gedacht, die war auf diesem japanischen Label...

Chris: "Snuffy Smile. Ursprünglich ja, und Snuffy Smile waren auch diejenigen, von denen die Initiative für die Compilaton ausging, aber als die dann veröffentlicht war, fanden Them´s Good die Platte auch ziemlich gut und brachten sie für den europäischen Markt noch mal neu raus. Und die neue Platte haben wir jetzt eben auch für Them´s Good aufgenommen. Und soll ich dir was sagen, sie klingt genau so wie alles andere von uns auch, haha. Nein, ich denke, das ist das Beste, was wir bis jetzt gemacht haben."

Über Them´s Good gehen ja Gerüchte rum, dass die eigentlich ein Major Label sind und niemand darf die Headquarters sehen. Was könnt ihr dazu sagen?

Mac: "Also ich hab das Gerücht aufgeschnappt, dass sie eigentlich sogar ´ne Cleaning Company sind."

Chris: "Ah du liest das Fracture-Fanzine. Also, wenn die wirklich ´n Major wären, wo ist dann das ganze Geld? Die halten deswegen die HQ-Adresse geheim, weil sie ganz einfach keine Leute in ihren Büros haben wollen, die nur im Weg stehen. Es arbeiten nämlich auch nur drei Leute dort und die kümmern sich auch noch um drei andere Non-Punk-Labels, die sich jeweils dem Ambient, Techno und Psychedelia verschrieben haben. Und dann machen die auch noch die SPACEMAN 3-Reissues. Also die haben genug um die Ohren als sich um kleine Punkbands zu kümmern, die ständig vorbeikommen und mehr Kohle sehen wollen."

Ihr konntet Dave Smalley als Produzenten für euer zweites Album gewinnen. Wie habt ihr das gemacht?

Mac: "Nun, die erste Tour, die wir je gemacht haben, war zusammen mit DOWN BY LAW, und nach ein paar Tagen sind wir viel mit denen abgehangen und Dave hat immer wieder gesagt, wenn ihr wieder was aufnehmt, sagt bescheid, das würde ich gerne produzieren. Erst haben wir gedacht, das sagt er nur so, aber dann haben wir ihn damit konfrontiert und er hat´s gemacht. Er hat sogar Brian Baker mitgebracht, der dann auch ein wenig Heavy Metal für uns einspielte."

Chris: "Yeah! Brian war grossartig, er war gerade mal ´ne halbe Stunde da und spielte ein paar top Sachen ein und hat dann auch Credits dafür bekommen. Ausserdem lieh er uns einen Amp von sich, den ich auch gleich mal in die Luft jagte. Wir waren zwei Wochen in DC zum Recorden, und gleich am ersten Tag, Freitag, hab ich das Ding hingerichtet, wollte es ihm aber nicht sagen, weil ich dachte, ich könnte es reparieren, aber leider hatte kein Guitar Shop Zeit dafür, das übers Wochenende zu tun . Ich hab dann auch gedacht, das hätte mit dem Reparieren geklappt, aber als wir Montag morgen wieder loslegten, ging das Ding wieder in Flammen auf nach den ersten Chords. Also haben wir ihn an dem Tag, an dem er sowieso kommen sollte, angerufen und versucht, ihm klarzumachen, dass wir wohl seinen Amp ruiniert haben. Brian meinte aber nur: "Ach, macht euch da mal keine Gedanken, ich hab ´ne Menge von den Dingern. Hey, ich spiel´ bei BAD RELIGION, ich geb´ das mal meinem Techniker, der wird sich schon drum kümmern." Jedenfalls kam er dann vorbei, spielte ein wenig Heavy Metal und ging wieder."

Eben jenes zweite Album sollte ja auch nicht, wie dann geschehen, auf Karma Records aus New York rauskommen, sondern eigentlich...

Chris: "... auf Fluffy Bunny, die es jetzt ja auch nicht mehr gibt. Der Typ hatte auch ein paar schöne Sachen gemacht mit Bands wie SNUFF, LEATHERFACE oder der ersten CHINA DRUM. CHINA DRUM haben dann das Label verlassen und wir wurden wohl als Art Ersatz verpflichtet."

Mac: "Er hatte dann auch noch ein paar andere Bands, keine Punkbands, sondern mehr so Alternative Pop Sachen und er hat dann sein ganzes Geld für diese Bands rausgeschmissen. Einmal hat er für einen Video-Dreh ein Schaf gekauft, das dann letztlich fünf Sekunden zu sehen war. Und er stand dann mit dem Schaf da, schliesslich hatte er es ja gekauft, anstatt es nur zu leihen."

Wo wir gerade bei unglaublichen Dingen sind, können wir ja glatt mal euer Drummer-Problem ansprechen. Ihr bezeichnet euch ja auch selbst als die SPINAL TAP des Punkrocks.

Chris: "Oh ja, Tony, der jetzt seit ein paar Wochen dabei ist, ist mittlerweile Drummer No. 6"

Mac: "Nach Konzerten fragen uns die Leute oft "Warum habt ihr denn den Song nicht gespielt?" und uns bleibt dann nur zu antworten, dass wir den Song erst noch unserem Schlagzeuger beibringen müssten, was aber eh keinen Sinn hat, weil er wahrscheinlich nicht lange genug dabei sein wird, dass sich die Mühe auch lohnt."

Chris:
"Der Beste von allen war zweifelsohne Drummer No. 2, Bud North aus Athens, Georgia, der Heimatstadt von REM, wo auch heute noch Michael Stipe wohnt. Er lebte zwar mit uns in GB, aber nachdem sein Visum abgelaufen war, musste er von GB kurzzeitig zurück in die USA. Nach drei Monaten kam er zurück und behauptete, dass er in der Zwischenzeit von Michael Stipe adoptiert wurde und sein Nachname jetzt nicht mehr North, sondern Stipe wäre. Erst haben wir da nur drüber gelächelt, aber dann fing er an zu behaupten, dass die Songs auf dem neuen REM-Album über ihn wären. Das war kurz vor den Aufnahmen zum zweiten Album. Er flog dann auch schon zwei Monate vor uns in die Staaten und ich konnte ihn nirgendwo erreichen bis zwei Wochen vor dem Studio-Termin, obwohl ich ihm überall Nachrichten hinterlassen habe. Wir kamen dann in Athens an, wo er uns auch abholte und dann auch gleich zu erzählen anfing, dass Michael Stipe schon vieles für uns arrangiert hätte, wir könnten bei ihm wohnen, proben und er würde uns auch nach DC zum Studio fliegen. Tatsache war natürlich, dass wir mit ein paar Punks abgestürzt sind und in einem Motel übernachten durften. Nach ein paar Tagen erzählte er immer noch, dass Michael Stipe alles regeln würde, als natürlich offensichtlich war, dass er einfach keine Kohle für den Flug nach DC hatte. Er erzählte, dass Michael Stipe ihm via MTV Nachrichten übermittelt, weil er diesen Sender kontrollieren würde. Das gipfelte darin, dass in einer Rap-Show erst ein Song übers Fliegen und dann einer über Freitag gespielt wurde. Damit war für ihn klar, dass friday = fly day ist und das Michael Stipe ihm jetzt wohl ein Ticket kaufen wird. Wir sind dann ohne ihn mit dem Bus losgefahren, letztendlich hat er es dann aber doch geschafft nachzukommen, wenn auch mit dem Bus. Nachdem er seinen Teil eingespielt hatte, stieg er wieder in den Bus Richtung Georgia ein und wir haben ihn nie wieder gesehen, worüber wir auch nicht unglücklich sind."

Mac: "Bud war nur zwanzig Minuten allein im Studio mit Don Zientara, während wir noch im Haus von Joe Lally von FUGAZI waren, um von ihm ein paar Sachen zu borgen. Als wir zurückkommen fragt Don: "Also wann kommt Michael Stipe denn eigentlich jetzt?" Zwanzig Minuten und Bud hatte Don schon die ganze Stipe-Story reingedrückt. Das war so peinlich und auch irgendwie befremdlich."

Wie habt ihr Bud denn eigentlich getroffen?

Chris: "Haha, durch ne Kleinanzeige im Maximumrocknroll. Eines Tages waren wir betrunken und sahen im MRR diese Kleinanzeige "Drummer sucht Band in England". Wir haben dann dort angerufen, hatten allerdings nur seine Mutter am Apparat, und bevor wir ihn irgendwie stoppen konnten, war er auch schon auf dem Weg nach England, um in die Band einzusteigen"

Ihr seid eine der letzten wenigen Punkbands, die John Peel öfter mal auf Radio 1 spielt und habt auch schon eine Session für Radio 1 aufgenommen.

Mac: Ja, stimmt und die nächste Session nehmen wir nächste Woche auf. Ich meine, die Show ist immer noch gut, auch wenn er mehr Punk spielen sollte."

Wie läuft das dann ab bei den Sessions? Hattet ihr auch die Möglichkeit, John mal zu treffen?

Mac: "Ah, das ist total unglamourös. Du wirst in ´nen total grauen Betonbunker gebeten und hast einen Tag Zeit, um vier Songs aufzunehmen und abzumischen und John haben wir auch nie getroffen. Aber es ist natürlich cool, wenn dann deine Songs im Radio laufen und von John Peel kommentiert werden. Als die erste Session übertragen wurde, sass ich schon total gespannt im Schlafzimmer vor meiner Stereoanlage um rechtzeitig auf Record zu drücken, um mir das auf Tape zu ziehen, und dann ging bei unserem ersten Song das DAT kaputt. Letztendlich haben die es dann aber doch geschafft, das Ganze über die Bühne zu bringen."

Ihr seid eine der wenigen UK-Bands, die ihre Sachen auch mal Richtung Kontinent schickt, zwecks Review usw. Wie sieht´s in Europa mittlerweile für euch aus?


Chris: "Flight 13 helfen uns jetzt ein wenig mit dem Vertrieb und das sind auch wirklich top guys. Also ich verschicke schon relativ viele CDs und freu mich immer wenn da irgendwie Feedback kommt, wie z.B. ´ne ganze Ox-Ausgabe. Bei manchen Zines kommt zwar gar nix, aber was soll´s. Zur Zeit überlegen wir, ob wir nicht was mit GERM ATTACK und KICK JONESES machen sollten, die, denke ich, beide ziemlich gut sind. Also ein paar Shows hier und ein paar Shows in Deutschland. Bisher haben wir nämlich nur in Belgien, Frankreich und in der Schweiz gespielt."

Vielen Dank für das Interview.