ANOTHER DAY

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Weinst du oder ist es der Regen?

Heutzutage gibt es wenige deutsche Bands, die Emocore der dritten Welle spielen und bei denen das Durchschnittsalter bei circa 30 Jahren liegt. ANOTHER DAY haben ihre jugendliche Energie nicht verloren, es aber im Laufe der Zeit geschafft, ihrem Sound eine klare Linie zu verleihen und ein Händchen dafür zu entwickeln, ausgereifte Songs zu schreiben. Zehn Jahre hat es gedauert, bis die Neuwieder endlich ihr Debütalbum („und für immer“) auf Unter Schafen Records veröffentlicht haben. Einige andere Bands der fünf Herren – wie zum Beispiel RISE ANEW, ANGRY NERDS, KCK und THE SWAT – haben in dieser Zeit überwiegend nicht nur das Licht der Welt erblickt, sondern schon wieder das Aus erlebt. ANOTHER DAY waren all die Jahre immer präsent und haben fleißig an sich gearbeitet. Diese Band ist etwas ganz Besonderes und ihr neues Album ist einfach nur „ultra gut“. Also genügend Anreize für die Durchführung eines Interviews, welches Ende Oktober per E-Mail mit Bassist Christoph geführt worden ist.

Seit eurer Bandgründung sind tatsächlich genau zehn Jahre vergangen, bis ihr das erste Album veröffentlicht habt. Mindestens dreimal wart ihr zuvor im Studio und habt wirklich gute Songs aufgenommen, diese aber nie verwendet. Wie ist es zu erklären, dass „und für immer“ nun den Weg ins Presswerk gefunden hat?

Manches braucht eben Zeit zum Reifen. Bei uns war das so wie in einer guten Beziehung: Zu Beginn wird viel gefickt und das Blaue vom Himmel gelogen. Und eigentlich erst nach ein paar Jahren merkt man, ob die Schmetterlinge immer noch fliegen. Also bei uns gibt es immer noch Sex, immer noch Himmelsflüge und vor allem immer noch Schmetterlinge. Und so haben wir uns mit unserem ersten Baby Zeit gelassen. Dafür ist die Kleine aber auch sehr schön geworden. Zu Recht trägt unser Debütalbum daher auch den Namen „und für immer“. So naiv das auch klingen mag, aber diese drei Worte fassen komplett das zusammen, was wir uns mit der Band wünschen: auf ewig zusammen Musik zu machen.

Musikalisch erinnert euer Album sehr an die Zeit, in der die Band gegründet worden ist: Die dritte Emo-Welle hat mit JIMMY EAT WORLD, THE GET UP KIDS oder KNAPSACK einige neue Hörer erreicht und größere Clubs gefüllt. Inwiefern stehen ANOTHER DAY in der Tradition solcher Bands und was für ein Publikum wird 2009 mit solcher Musik noch angesprochen?

Das sind definitiv Bands, auf die wir gerne und reichlich getanzt haben. Demnach könnte man behaupten, dass wir uns in unserem musikalischen Tun auf jeden Fall haben beeinflussen lassen. Nur unterscheidet uns von den Bands ganz eindeutig, dass wir auf Deutsch singen. Genau da ist der springende Punkt. Viele Bands singen auf Englisch von Liebe, Freundschaft, Gefühlsduseleien, Herzschmerz , finden aber Schlagersongs oder Texte von bekannten deutschen Pop-Interpreten peinlich oder schnulzig. Und das finden wir nicht. Ganz einfach deswegen, weil alles, was man täglich fühlt und erlebt, nun einmal häufig Sachen wie Verliebtsein, Nicht-Verliebtsein, Verliebtsein-Wollen, Leute-Umboxen und so weiter bedeutet. Scheiß drauf, wenn das jetzt schnulzig klingt oder nicht! Und wenn davon hübsche oder weniger hübsche Frauen angesprochen werden, und die dann auch bei Konzerten mitsingen und abgehen, können wir auch mit gut gefüllten kleineren Clubs gut und gerne leben. Zudem: wer weltverbessernde Texte lesen oder hören will, soll sich die dementsprechende Musik und Literatur zulegen, die mögen wir ja schließlich auch.

Der Ventil Verlag veröffentlichte vor kurzem das Buch „Emo. Porträt einer Szene“. Darin lautet ein Vorwurf von Jessica Hopper, dass Frauen in heutigen Emo-Songs keine Namen mehr haben: „Frauen reißen Wunden in Jungenherzen, aber hinterlassen sonst keine Spuren. Ihre Existenz, ihre Handlungen sind ausschließlich porträtiert in den Ausschmückungen der neurotischen Verwirrungen der Sänger ...“ In vier von neun Songs geht es bei euch um Mädchen, die von euch verletzt worden sind oder mit denen ihr eine schöne Zeit verbracht habt. In welcher Hinsicht hat dieser Vorwurf eurer Ansicht nach eine Berechtigung?

Na ja, wenn eins dieser gebrochenen Jungenherzen anschließend zum Stift oder zur Gitarre greift und einen Song aus seinem Gefühl macht, ist das doch verdammt viel „Spur hinterlassen“. Das kann doch jeder für sich selbst entscheiden, ob er den Namen der Freundin, der Verehrten, des Freundes oder des Kindes erwähnt oder nicht. Respekt und Intimsphäre spielen hierbei auch eine große Rolle – und die Frage, wie nackt willst du dich der Welt präsentieren. Seelenstriptease oder Heiratsantrag? Die Personen, die wir besingen, wissen jedenfalls, wer, wann und was überhaupt gemeint ist.

Lässt man das Durchschnittsalter von ANOTHER DAY unberücksichtigt, stellt sich manchen die Frage, was die Band inhaltlich und musikalisch von zum Beispiel ECHT unterscheidet.

ECHT kennen wir echt nur vom Namen her. Wir haben gehört, die schreiben auch Liebeslieder auf Deutsch. Das wäre dann eine Parallele. Natürlich wäre das auch die Tatsache, dass wir ebenfalls aus Deutschland kommen. Aber die Band soll ja seit 2002 tot sein. Das sind wir nicht, ganz und gar nicht. „Inhaltlich“ bezieht sich für uns jedenfalls nicht nur auf die Texte oder „musikalisch“ nicht ausschließlich auf die Anzahl der Akkorde und beats per minute, sondern auf die gesamte Bandzusammensetzung, auf die Typen, auf den Hintergrund, auf die Herkunft. Daher glauben wir schon, dass wir uns ganz erheblich von denen unterscheiden. Wir sind schließlich ANOTHER DAY und machen ganz offensichtlich unsere eigene Musik – lieblich, ehrlich und amüsant.

Ihr habt einige Besetzungswechsel und vielleicht auch ebenso viele Hoch- und Tiefpunkte hinter euch. Gibt es weitere Anhaltspunkte als das neue Album, dass ihr nun mit der Band endlich durchstarten werdet?

Die Besetzungswechsel waren alle im Freundeskreis und ausschließlich aus zeitlichen Unvereinbarkeiten der ehemaligen Bandkollegen resultierend. Unser größter Fan ist beispielsweise der Schlagzeuger der Urbesetzung, Gionno Tonno. Dessen Zwillingsbruder Fabio spielt mittlerweile schon seit Jahren bei uns Gitarre. Unser Sänger Björn ist ebenfalls jüngerer Bruder eines ehemaligen Schlagzeugers. Wir bleiben also irgendwie schon unter uns – und für immer, versteht sich. Unser Ziel für die Zukunft heißt Weitermachen in allen Belangen: Aufnehmen, Konzerte, Liebe machen, Nachwuchs in die Welt setzen und so. Neue Songs sind schon in der Mache und es wird bestimmt ein zweites Album geben, denn Ideen, Bock und Freundschaft sind genug vorhanden. Damit werden wir auch definitiv nicht so lange brauchen wie für „und für immer“.