SOUL CONTROL

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Writing their own history

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in den diesjährigen Best-Of-Listen eine Menge Platten finden werden, die auf Bridge Nine erschienen sind, denn egal, aus welcher Ecke des Punkrock/Hardcore-Mikrokosmos man kommt, das Label veröffentlicht zur Zeit fast ausschließlich absolute Killerscheiben. So haben zum Beispiel SOUL CONTROL aus Rhode Island, Providence ihre 7“-Reihe beendet und sind mit neuem Frontmann und ihrem bleischweren Debütalbum ebenso auf Bridge Nine gelandet. Einerseits lassen sie auch auf „Cycles“ den groovenden, verschrobenen 90er Newschool Hardcore der Marke 108, BURN oder QUICKSAND wieder aufleben, integrieren aber außerdem eine Palette anderer, noisiger Einflüsse in ihre Songs, man denke dabei beispielsweise an Amphetamine Reptile-Bands wie HELMET oder UNSANE. Eine interessante Geschichte also, nicht nur musikalisch, und deshalb mailte ich ihnen einige Fragen, die mir Sänger Rory und Gitarrist Jim beantworteten.

Bezüglich des neuen Albums muss ich sagen, dass ich ein paar Durchläufe brauchte, um mich reinzufinden. Und auch, wenn ich denke, dass es anders geworden ist, kann ich nicht direkt sagen, was, außer dass es um einiges noisiger ist.

Jim: Wir selbst können keine Veränderung feststellen. Wir haben immer nur das aufgenommen und geschrieben, was wir wirklich wollten, es gibt bei uns keine Einflüsse, die wir uns zum Ziel gesetzt hätten. Es ist ja nicht so, dass wir dasitzen würden, uns spezielle Alben anhören würden, und danach unsere Instrumente zur Hand nehmen. Das nächste Album wird eine wirkliche Veränderung mit sich bringen, wir wissen aber noch nicht so genau auf welche Weise.

Auf eurer Website kann man lesen, dass Brian Petersons Buch „Burning Fight“ von „der besten Zeitspanne in der Geschichte des Hardcores“ handelt. Was war besonders in dieser Zeit und was vermisst du am derzeitigen Hardcore?

Jim: Die Bands, die Szene, die Auftrittsorte waren früher einfach besser. Klar, laufen auch heutzutage noch großartige Sachen ab, aber nichts davon wird an die Atmosphäre dieser Zeit heranreichen. Ich schlage euren Lesern vor, das Buch selbst zu lesen und das dadurch nachzufühlen.

Rory: Damals gingen die Leute noch zu Hardcore-Shows, um ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein, anstatt sich an irgendeinem Messageboard anzumelden.

Ihr habt bei der „Burning Fight“-Release-Show mitgespielt, mit einigen der legendärsten Hardcore-Bands. Welchen Bands habt ihr im Vorfeld entgegengefiebert, wie war es, ein Teil davon zu sein?

Jim: DISEMBODIED war die einzige Reunion, der ich persönlich total entgegengefiebert habe, und sie haben mich nicht enttäuscht. Ich war zwar nie ein riesiger UNBROKEN-Fan, aber sich deren Set anzusehen, war wahnsinnig inspirierend. 108 waren der Wahnsinn, ich liebe diese Band! An diesem Wochenende war wirklich jeder extrem gut, aber was mich ziemlich umgehauen hat, war, dass die Leute auch den zur Zeit aktiven Bands, die da ebenfalls gespielt haben, sehr viel Aufmerksamkeit entgegengebracht haben. Vor allem BLACKLISTED, die derzeit beste Band im Hardcore.

Rory: Wirklich aufgeregt war ich wegen GUILT und UNBROKEN, und die beiden haben mich absolut weggeblasen. Wir hätten mit dem ganzen Wochenende nicht zufriedener sein können, alles daran war echt absolut wundervoll.

Obwohl es Leute und Bands gibt, die auch heute noch anderes ausprobieren und versuchen, neue Akzente zu setzen, denke ich manchmal, dass Hardcore doch ein fast anachronistisches Genre ist. Was wird am meisten überstrapaziert?

Jim: Klar, alles ist überstrapaziert und alles ist schon mal in irgendeiner Form da gewesen. Das ist auch wirklich unvermeidlich, man muss nur versuchen, der ganzen Sache seinen eigenen Stempel aufzudrücken.

Euer Bandname, wie auch eure Plattentitel, erscheinen oft einem speziellen Konzept zu gehorchen. Was steckt dahinter?

Jim: Der Bandname ist kein Konzept, es ist der Titel des unveröffentlichten TripHop-Albums von INTO ANOTHER.

Rory: Der Gedanke hinter dem Plattentitel ist, dass Abläufe, das Leben und alles, was es umfasst, in einem Zyklus gefangen ist. Wir sind selbst darin involviert und können dem nicht entkommen. Für uns speziell bedeutet es, dass dieses Album zu schreiben einen neuen Kreislauf für dieses bestimmte Line-up der Band beschreibt.

SOUL CONTROL-Texte sind sehr offen für Interpretationen. Was beeinflusst sie?

Rory: Das Leben ist der einzige Einfluss für meine Lyrics. Ich versuche nicht, über Sachen zu schreiben, zu denen ich selbst keinen Bezug habe. Ich schreibe meine Ideen nieder und diese bauen aufeinander auf, bis ich mehr zusammenhängende Gedanken gesammelt habe, und danach verändere ich diese, bis ich mich mit ihnen wohl fühle und sie mag. Die Leute können und werden sich aussuchen, was sie in meinen Texten sehen wollen, und das ist super. Wir haben nicht alle dieselben Vorstellungen, was eine wunderbare Sache ist. Wenn Leute allerdings meine Meinung dazu haben wollen, können sie sich darüber gerne mit mir auseinandersetzen.

Rory, du singst: „Writing our own histories. We are lovers. We are writers. We are artists.“ Schreibst du Tagebuch, bist du ein sehr selbstanalytischer Mensch? Ist es jede Lebensgeschichte wert, erzählt zu werden?

Rory: Ich würde beiläufige Ideen und Gedanken in einem Notebook nicht direkt ein Tagebuch nennen. Ich schreibe nicht Details alltäglicher Beobachtungen in ein Buch und reflektiere darüber. Aber was ich mache, ist Ideen und Gedanken niederzuschreiben, wenn ich von irgendetwas inspiriert bin, oder wenn ich denke, dass ich mich durch das Schreiben mitteilen muss. Ich bin ein sehr selbstanalytischer Mensch, manchmal sogar ein wenig zu sehr. Ich versuche, ein besseres Ich zu entwickeln, in jeglicher Hinsicht. Ich versuche, einen ehrlichen und leidenschaftlichen Lebensstil zu leben. Ich denke nicht, dass jede meiner Lebensgeschichten es wert ist, erzählt zu werden, was nicht heißen soll, dass andere uns nicht ihre näher bringen sollten.

Ihr tourt ja echt ziemlich viel und ausgiebig. Ist die Band ein Vollzeitjob oder macht ihr sonst noch was?

Jim: Es ist momentan ein Vollzeitjob, wir sind ja schon seit fast drei Monaten auf Tour. Rory hat diverse Jobs, Eric arbeitet auch zwischen den Touren, aber Ryan und ich machen nur die Band und hängen den Rest der Zeit in Providence ab. Meine Frau kümmert sich um mich ... manchmal muss sie sich auch um Ryan kümmern, haha.

Rory: Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich ein paar Jobs habe, ohne die wäre ich vollkommen aufgeschmissen. Wenn man die Energie und Zeit bedenkt, die wir alle in die Band investieren, ist es eigentlich ein Vollzeitjob, aber das bezahlt natürlich nicht unsere Rechnungen. Es ist einfacher, in einem Van zu leben, als Miete in einer Stadt zu bezahlen, in der ich sowieso nicht oft bin.

Letzte Frage: was ist die am meisten unterbewertete Hardcore-Platte?

Jim: „Somnambulists“ von THERE WERE WIRES. Ich liebe die Band, vor allem dieses Album. Sie haben bereits alles gemacht, was ich jetzt machen will, nur ganze sechs Jahre früher.

Rory: Bei mir wäre das „Life Of A Spectator“ von SILENT MAJORITY. Diese Band war die erste, die mir gezeigt hat, wie man ehrlich sein kann, indem man eine Geschichte erzählt, und dadurch jemandes Leben beeinflusst. Ich war und bin noch immer platt, was dieses Album anbelangt. Musikalisch und textlich denke ich, ist es das wichtigste Hardcore-Album meines Lebens.