OTHER

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Blut tut gut

„New Blood“ ist der Titel des neuen Albums der Kölner Fiendrocker THE OTHER, und etwas neues Blut fließt tatsächlich durch die Adern der Band um Fiendforce-Labelboss Thorsten, der hier allerdings maliziös grinsend aus dem Booklet blickt und auf den Namen Rod Usher hört, wenn er sich seinen Gelüsten von ein bisschen Horrorshow hingibt. Waren THE OTHER zu Beginn – 2004 erschien das Debüt „They’re Alive!“ – noch die Ursprünge in einer MISFITS-Coverband anzuhören, so trat dieser Einfluss über die Jahre immer mehr zugunsten klassischer Goth-Rock-Klänge in den Hintergrund, und das neue Werk ist sicher das bisher ausgereifteste der Kölner – aber auch eines, das etwas gen Mainstream schielt und auch nicht mehr auf Fiendforce erscheint.

Thorsten, du bist jemand, der eine klare Idee hat von dem, was er macht. Wie lautet das Konzept für euer neues Album, und was davon habt ihr exakt so umsetzen können, wo waren, wo sind die Grenzen? Es gibt ja auch immer so was wie ein Budget ...

Glücklicherweise hatten wir diesmal erstmals ein Budget für Aufnahmen und Artwork, so dass wir viel von dem umsetzen konnten, was wir wollten. Zugegeben hatten wir diesmal etwas weniger Zeit, am grafischen Konzept zu arbeiten, und haben unserem Fotografen und Layouter „Heilemania“ relativ freie Hand gelassen und nur ein paar Ideen geliefert. Wichtig war uns, dass wir trotz des „blutigen“ Albumtitels kein Splatter-Artwork à la CANNIBAL CORPSE haben, sondern eher mit klassischem Horror arbeiten. Mehr Schatten als direkter Horror, mehr Andeutung als Guts & Gore. Wir möchten wie Figuren aus einem klassischen Horrorfilm der Dreißiger bis Fünfziger wirken, und ich finde, das ist uns gut gelungen. Und trotzdem sollte klar sein, dass THE OTHER mit Teenie-Horror wie „Twilight: New Moon“ nichts zu tun haben, daher eben „New Blood“. Wir zeigen Blut, Sex und Gewalt, nicht FSK-12-Romantik-Vampir-Scheiß.

Wie hat sich dieses Konzept über die Jahre verfeinert?

Wir haben über die Jahre immer mehr an unseren Charakteren und der Präsentation gearbeitet. Mittlerweile haben wir zum Beispiel eine recht schick-gruselige Bühnendeko, haben einen Videoclip gedreht, der sich sehen lassen kann, unser erster Comic ist erschienen, wir haben großartige Layouter und Designer, mit denen wir Merchartikel realisieren und wir wissen ziemlich genau, was zu THE OTHER passt und was nicht. Die Hörer merken einfach, dass wir das THE OTHER-Konzept wirklich leidenschaftlich betreiben und leben und es einfach mehr als „nur“ Musik ist. Aber noch immer sind wir natürlich nicht an einem Punkt, wo man auch nur ansatzweise seine Ideen komplett umsetzen kann. Wenn wir könnten, würden wir ein ganzes Gruselkabinett auf die Bühne bringen, mit zusätzlichen Darstellern und Spezialeffekten, außerdem würde es Sammelfiguren geben, einen Kinofilm, einen Roman mit uns als Protagonisten und ein Horror-Computergame. An Ideen mangelt es nicht ...

Ihr hattet als Produzent Waldemar Sorychta, der bislang weniger mit Punkbands als eher mit Düsterrock-Bands wie THE GATHERING oder LACUNA COIL gearbeitet hat. Wie kommt’s?

Das liegt natürlich auch zum Teil an unserer Metal-Erziehung. Waldemar war unter anderem für MOONSPELL verantwortlich, die ich auch heute noch sehr schätze. Und schon damals habe ich den Sound der Portugiesen, aber auch von THE GATHERING oder LACUNA COIL – obwohl musikalisch nicht so meins – sehr geschätzt. Und schon beim ersten THE OTHER-Album habe ich immer gesagt, dass ich gerne mal mit Waldemar arbeiten würde. Und jetzt hat es endlich geklappt. Und so kam es, dass wir direkt beim ersten Mix von ihm total begeistert waren. Er hat uns auch im Studio viele Tips gegeben, wie man mit kleinen Spielereien, Tönen und Melodien den Sound viel breiter und moderner macht. THE OTHER klingen dank dieser Einflüsse weniger nach Drei-Akkorde-Punk, sondern viel atmosphärischer.

Musikalisch verlassen THE OTHER das Horrorpunk-Genre auf dem neuen Album immer wieder. „The lovesick mind“ etwa ist synthielastiger, bombastischer Goth-Rock.

Klar, das „Wir wollen hundertprozentig wie die MISFITS klingen“-Thema ist schon lange durch. Das machen mittlerweile so viele von den Bands, die neu anfangen und ihr erstes Clownweiß kaufen. Obwohl wir als Coverband angefangen haben, wollen wir Vorreiter für die neue Generation von Horrorpunk sein, und dafür muss man sich nun mal eine eigene Identität schaffen. Dazu gehört es, auch mal über den Tellerrand hinaus zu blicken, eben auch gerade, weil unser Sound von Anfang an ja auch von düsterer Musik beeinflusst war. Gothic ist doch toll, jedenfalls wenn wir von Bands aus den Achtzigern oder mit Achtziger-Sound reden, nicht von Dunkel-Schlager oder Schwarz-Techno. Das hat mit Gothic nichts zu tun. Wir haben ja zuletzt auch mit Bands wie THE CULT oder FIELDS OF THE NEPHILIM gespielt und treten im Sommer mit SISTERS OF MERCY auf. Und wir finden, dass wir da auch gut reinpassen. Genau wie auf ein Punk-Festival zum Beispiel.

Dem steht das deutschsprachige „Hier kommt die Dunkelheit“ entgegen – das erinnert mich an die legendären DER FLUCH.

Interessant, den Vergleich hab ich noch nicht gehört. Ich hoffe, du beziehst das nicht auf den Text, denn die von DER FLUCH sind ja doch bewusst trashig. Aber es muss generell was dran sein, denn nicht nur textlich kommt „Der Fluch“ im Song vor, sondern wir wollten auch eigentlich unseren guten Kumpel Deutscher W. als Gastsänger bei dem Stück dabei haben. Leider hat es unser straffer Studiozeitplan nicht möglich gemacht. Vielleicht können wir das live realisieren, denn Deutscher W. unterstützt uns ja immer mal wieder als Gastsänger bei Shows. Ansonsten haben mir schon ein paar Leute gesagt, dass das Stück nach DIE TOTEN HOSEN klingt, was ich ebenfalls nicht raushöre. Dafür ist der Song viel zu düster.

Mit „Love song“ gibt’s auf der Bonus-CD ein Cover von THE DAMNED – ich hatte da ja eher was aus deren „Düster-Phase“ erwartet. Warum dieser Klassiker?

Da hast du völlig Recht, wenn wir die völlige Freiheit gehabt hätten, hätte ich gerne „Shadow of love“ von der genialen „Phantasmogoria“ oder „Ignite“ von „Strawberries“ genommen. „I just can’t be happy today“ oder „Wait for the blackout“ standen allerdings auch noch zur Debatte. Allerdings sollte der Song eigentlich für die Compilation „Tribute To The Real Punk“ von Roger Miret von AGNOSTIC FRONT sein, wo Bands wie AGNOSTIC FRONT, IGNITE oder wir Punk-Klassiker covern, daher natürlich der ultimative Klassiker von THE DAMNED. Ich hoffe einfach, dass ein paar Kids auch mal diese geniale Band antesten, die gerade in ihrer absoluten Spätphase mit „Grave Disorder“ ihr bestes Album gemacht haben!

Ihr seid nach Jahren auf deinem Label Fiendforce jetzt zum alteingesessenen Hardrock-Label Steamhammer gewechselt. Rein vom Bandumfeld her ist doch Fiendforce die logischere Basis, oder?

Wir haben ja drei Alben auf unserem eigenen Label veröffentlicht, aber im letzten Jahr sah es einfach so aus, als würde mit Fiendforce möglicherweise nicht mehr viel passieren. Gleichzeitig wusste ich, dass wir mit THE OTHER einen weiteren Schritt gehen mussten, um andere Möglichkeiten zu bekommen. Das Interesse an der Band wurde immer größer, wir spielten immer fettere Festivals und Gigs, aber sparten uns trotzdem Studio-Kohle oder Benzin vom Mund ab. Wir brauchten eben jemanden, der die Möglichkeit hat, in die Band zu investieren. Allerdings sind wir da nicht wirklich aktiv vorgegangen, sondern durch den persönlichen Kontakt zu Olly von SPV kam das Gespräch darauf. Und nach vielen Wochen haben wir uns dann dafür entschieden. Eine Rolle spielte dabei natürlich, dass jeder von uns zig Steamhammer-Releases im Schrank stehen hat – ob MOONSPELL, TYPE O NEGATIVE, KREATOR, JUDAS PRIEST, MÖTLEY CRÜE, Alice Cooper oder viele weitere – und die Möglichkeit, mit einem solch renommierten Label zu arbeiten, ist natürlich eine Ehre. Wir hatten ein Budget wie nie zuvor, plötzlich viele neue Möglichkeiten und ein großes Team an Profis im Hintergrund, die nur für das Label arbeiten und nicht wie ich ein Label mit einem Nine-to-five-Job finanzieren müssen.

Von wegen Fiendforce: Was steht da in nächster Zeit an? Zwischenzeitlich war es ja eher ruhiger geworden, jetzt kommen ein paar Releases am Stück.

Das hat verschiedene Gründe. Erstens war mein Kollege Paddy für fast zwei Jahre ziemlich abgelenkt, weil er sich ein berufliches Standbein erarbeiten wollte, denn Fiendforce hat niemals einen Cent abgeworfen, sondern alles wurde für Promo und Abrechnungen ausgegeben. Zweitens war ich gleichzeitig auch ziemlich mit vielen anderen Projekten und meinem Hauptjob als Redakteur beschäftigt. Drittens gingen weltweit die Verkaufszahlen von CDs und LPs total in den Keller. Da setzte eine ziemliche Resignation ein, auch weil sich ein paar alte Freunde und Anhänger vom Horrorpunk abgewendet haben, weil es ihnen einfach „zu groß“ oder „zu kommerziell“ wurde. Total lächerlich natürlich, wenn man Abrechnungen und Verkaufszahlen kennt ... Gut, dafür kamen viele neue Hörer dazu, aber es schmerzt halt immer, die zu verlieren, die am Anfang dabei waren. Als wir dann mit THE OTHER zu Steamhammer gewechselt sind, konnte ich endlich etwas Verantwortung abgeben und wollte diese Zeit nutzen, um es mit Fiendforce noch mal richtig wissen zu wollen. Und Paddy hat genauso gedacht.

Was steht für die nächsten Monate auf dem Plan?

Dieses Jahr erfüllen sich einige Träume für uns oder auch Dinge, mit denen wir nie gerechnet hätten. Wir spielen auf dem Wacken Open Air mit IRON MAIDEN, SLAYER, MÖTLEY CRÜE, WASP und anderen und werden einziger Support für Alice Coopers einzige Headliner-Show in Deutschland am 21.06. in Bonn sein. Das wird der Wahnsinn! Schon die Gigs mit Bela B. oder THE CULT waren ja der Über-Hammer, aber das setzt dem Ganzen natürlich die Krone auf. Wenn wir jetzt noch irgendwann mal als KISS-Support spielen würden, könnte ich mich danach zur Ruhe setzen. Um Halloween rum spielen wir wohl wieder ein paar Shows in Clubs, vielleicht mit BLITZKID und anderen Horrorpunk-Bands. Und im Frühjahr/Sommer 2011 soll es zum zweiten Mal in die USA gehen, wo wir schon letztes Mal wirklich gut ankamen. Über die Hälfte der Mails an uns kommt aus den USA, also bin ich gespannt, was uns drei Jahre nach dem ersten Trip dort erwartet.