AVAIL

AVAIL haben nicht nur einen männlichen Cheerleader mit dem obskuren Namen "Beau Beau" in der Band, sondern gehören ganz nebenbei noch zu dem Besten, was das Punk/Hardcore-Genre jemals zu Tage gefördert hat. Nachdem ihre Platten jahrelang auf Lookout Records erschienen sind, stehen sie nun bei Fat Wreck Chords unter Vertrag. Gute Gründe also, um den extrem netten Herren aus Richmond, Virginia mal ein paar Fragen zu stellen. Ich sprach mit ihrem Sänger Tim sowie Beau Beau vor ihrem Auftritt zusammen mit den BOUNCING SOULS und LAGWAGON in der Hamburger Markthalle am 10.10.1999.

Lass uns doch mal mit den Basics beginnen. Wie hat das also alles mit AVAIL angefangen?

Tim: AVAIL gibt es schon seit ungefähr 10 Jahren. Wir haben vier Platten auf Lookout Records rausgebracht, sowie hier und da mal einige Liveaufnahmen. Unser Tourplan sieht auch ziemlich heftig aus. Letztes Jahr haben wir 135 Shows in 14 verschiedenen Ländern gespielt. Wir sind also fast immer unterwegs.

Eine Sache bezüglich eures Line-Ups ist sehr aussergewöhnlich - ihr habt einen Cheerleader. Was steckt also dahinter?

Tim: Es ist irgendwie passiert. Wir hatten nie richtig geplant einen Cheerleader in der Band zu haben. Eigentlich geht die Geschichte in die Zeit zurück, als ich so um 1989 bei AVAIL noch Schlagzeug spielte. Beau Beau stand dann immer in der Nähe um mir zu helfen, wenn bei meinem Schlagzeug während eines Live-Auftrittes mal irgend etwas abfiel oder so. Als ich dann irgendwann anfing zu singen war es ganz normal, dass er weiterhin zur Band gehört. Wie bereits gesagt, es ist einfach passiert. Da steckt nicht viel Überlegung dahinter.

Beau Beau: Und von da an mussten wir das Geld anders aufteilen, hehe.

Auf der "neuen" CD "100 Times", die vor kurzem auf Fat Wreck erschienen ist, sind nur alte Songs zu finden. Warum?

Tim: Das ist sehr einfach. Diejenigen, die AVAIL schon kennen, sind vielleicht ein bisschen enttäuscht, aber es gibt da ganz einleuchtende Gründe. Wir haben also nur einen neuen Song auf die CD gepackt, weil uns hier nur wenige Leute kennen und die Lookout-Distribution in Europa nicht besonders gut ist. Ausserhalb von Deutschland und England kann man unsere Platten einfach nirgendwo finden. Und wenn man sie dann doch mal findet, sind sie viel zu teuer. In einigen Läden habe ich schon CDs von uns für umgerechnet 30 US-Dollars gesehen, und das ist natürlich viel zu viel. Wir wissen, dass viele Leute Geldprobleme haben, genauso wie wir. Und wenn du kein Geld hast kannst du auch keine Platten kaufen. Der einzige Grund, warum wir also von Lookout zu Fat Wreck gewechselt sind, ist die Vertriebssituation. Wir wurden dann auch noch eingeladen auf dieser Tour hier mitzuspielen und dachten, dass es eine gute Möglichkeit wäre, die Leute auf uns aufmerksam zu machen. Daher auch die Songauswahl auf der neuen 6-Song-CD. Wer uns jetzt erst kennenlernt, soll also auch etwas von den Anfängen mitkriegen. Weiterhin soll die CD möglichst billig verkauft werden; es wurden ja auch nur 4.000 Exemplare gepresst - nur für die Tour. Wir verdienen da nichts dran, und FAT WRECK auch nicht. Also eine kleine Einführung für Leute, die AVAIL noch nie gehört haben. Aber ich verstehe natürlich, wenn einige Leute enttäuscht sind. Nächstes Jahr kommt dafür dann auch die neue Platte.

Ihr habt Lookout also nicht im Streit verlassen?

Tim: Nein, nur wegen der Distribution. Wir haben lange Zeit mit Lookout zusammengearbeitet, sie sind gute Freunde von uns und haben wirklich ein verdammt geiles Label, aber die Platten wurden einfach nicht gut vertrieben. Zuerst wollten wir auch gar nicht weg, da sie halt so gute Freunde sind, aber als es dann um die neue CD ging haben wir die Entscheidung gefällt. Und unser Sound wird sich auch nicht verändern. Viele Leute haben schon gefragt, ob wir jetzt mehr wie eine Fat Wreck-Band klingen werden, und die klare Antwort ist nein.

"Fat Wreck-Platten hören sich alle gleich an" - das ist zumindest die Vorstellung von vielen Leuten. Was haltet ihr davon?

Tim: Fat Wreck ist ein grossartiges Label und sie behandeln uns wirklich gut. Ich bin eigentlich ziemlich sicher, dass SICK OF IT ALL nie wie eine typische Fat Wreck-Band klingen werden. Und wie ich schon gesagt habe, wir schreiben AVAIL-Musik bis zu unserem Todestag. Und wenn wir uns menschlich nicht verändern, wird sich unser Sound auch nicht verändern.

Beau Beau: Ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass SICK OF IT ALLs nächste Platte wie MILLENCOLIN klingen wird.

Wenn euch ein Major einen guten Deal vorschlagen würde, würdet ihr ihn dann annehmen?

Tim: Wir hatten schon Angebote und haben sie alle abgelehnt. Einmal haben wir uns aus Spass von einem grossen Label nach New York fliegen lassen und in ein schönes Hotel am Times Square einquartieren lassen. Die haben uns dann ein bisschen Geld und Platten gegeben. Und wir haben sogar die Band THE PRESIDENTS getroffen. Das war einfach nur witzig. Wir hatten also durchaus Möglichkeiten diesen Schritt zu machen, haben es aber einfach nicht getan.

Bands wie HOT WATER MUSIC oder die GET UP KIDS sind im Moment sehr angesagt. Was haltet ihr von diesem ganzen Emo-Ding?

Tim: Ich liebe HOT WATER MUSIC. Ich betrachte sie aber nicht als Emo-Band, sondern als Rockband. Sie sind ausserdem sehr gute Freunde von uns. Die Heimatstadt von denen, Gainesville, und Richmond sind so etwas wie Schwesterstädte. Ihr letztes Album haben sie auch in Richmond aufgenommen, ich hab´ da sogar einen Part gesungen. HWM ist eine der besten Bands derzeit und meiner Meinung nach haben sie auch die beste Platte des Jahres abgeliefert.

Beau Beau: Es gibt nur ganz wenig gute Emo-Bands. Ich meine, es gibt im Moment so viele Bands, die wie AT THE DRIVE-IN klingen, aber nicht gut sind. AT THE DRIVE-IN sind einfach grossartig und daher verstehe ich es natürlich, auch wenn Bands so klingen wollen. Vielleicht sollten die einfach warten, bis sich AT THE DRIVE-IN mal irgendwann auflösen und es dann noch mal probieren.

Wie stark identifizieren sich AVAIL sich mit Richmond, Virginia?

Tim: Nach all den Jahren bringen uns die Leute einfach mit Richmond, Virginia in Verbindung - und wir uns selbst natürlich auch, da es ja unsere Heimat ist. Die einzige Erklärung, die ich dafür habe ist, glaub´ mir, dass wir so viel von zu Hause weg sind. Und wenn du so viel auf Tour bist, denkst du eben auch an zu Hause, deine guten Freunde die du da hast, was so los ist, und das schlägt sich dann halt in den Texten nieder.

Beau Beau: Wir lieben unser Zuhause, und wir vermissen es.

Wie ist das denn so mit Live-Shows bei euch?

Tim: Oh, die sind immer ein ziemlicher Hammer. Da kann man sich wirklich nicht beschweren.

Beau Beau: Die Konzerte machen immer ziemlich viel Spass. Ich meine, wir touren in den USA seit nunmehr 10 Jahren, und Kids, die damals mit 13 auf unseren Konzerten waren, sind heute 23, was so eine familiäre Stimmung aufkommen lässt. Wir treffen dann auch immer gute Freunde aus anderen Bands und so ist das eher Urlaub als Stress.

Und was ist mit der lokalen Punk/Hardcore-Szene? Die beiden einzigen Bands, die ich aus Richmond kenne, sind ANN BERETTA und FUNSIZE.

Beau Beau: Da gibt es noch ein paar mehr - GWAR zum Beispiel. Die Szene ist für so eine kleine Stadt wie Richmond wirklich riesig. Und wir befinden uns in der glücklichen Lage, dass es keine Unterteilung zwischen dem Punkrock- und Hardcore-Lager gibt. Alle gehen zu den gleichen Shows oder Partys.

Tim: Auf so ´ner Party trifft man dann halt alles. Straight Edge-Kids, Punkrocker, alte Szene-Leute oder einfach nur irgendwelche Besoffenen. In einer kleinen Stadt wie Richmond, für die Ostküste sind 194.000 Einwohner nicht besonders viel, ist es einfach schön, wenn jeder mit jedem klar kommt. Jeder kennt da irgendwie jeden. Wir haben auch ein paar politische Organisationen, wie zum Beispiel Food Not Bombs. Und dann ist da noch dieser 40-jährige Metalhead, der auch unser Album aufgenommen hat und auf jeder Party so was von besoffen ist; das ist einfach unglaublich.

Zur Tour: Ist es nicht komisch, für eine so grosse Band wie LAGWAGON den Support-Act zu machen, nachdem ihr all die Jahre allein, und somit als Headliner, auf Tour gegangen seid?

Tim: Ja, das ist schon irgendwie anders. Das hier ist unsere vierte Tour und wir haben sonst immer in besetzten Häusern, Jugendzentren oder kleinen Clubs gespielt. Wir wollten aber noch einmal mit dem "Over The James"-Material auf Tour gehen, und somit passte das hier ganz gut - zumal das ´ne ganz gute Möglichkeit ist, mal auszuprobieren vor so vielen Leuten zu spielen. Und da wir die ganzen Jahre lang fast immer genau die gleiche Tour gemacht haben, ist das jetzt einfach mal was anderes. Und wenn die neue Platte dann irgendwann kommen wird, wir haben jetzt acht Songs fertig, werden wir auch wieder nach Europa kommen. Vielleicht ja mit HOT WATER MUSIC oder einer Band aus Richmond.

Beau Beau: Wir wollten einfach mal was anderes ausprobieren. Nicht dass wir die anderen Touren nicht genossen hätten, aber es wird irgendwann halt langweilig, wenn du im voraus schon weisst, wen du alles treffen wirst. Man freut sich natürlich die Leute zu sehen, aber irgendwann willst du einfach mal etwas Neues probieren.

Eric spielt ja auch bei ALABAMA THUNDER PUSSY. Was hat es damit auf sich?

Beau Beau: Das ist halt eine Southern Rock Heavy Metal-Band, und Eric spielt da Gitarre. Ich finde die auch ziemlich klasse.

Was sind eure ewigen und aktuellen Lieblingsbands?

Beau Beau: MINOR THREAT, YOUTH BRIGADE, UNIFORM CHOICE und die ADOLESCENTS. Aktuell mag ich HATEBREED, SNAPCASE, BLOOD FOR BLOOD und KID DYNAMITE.

Tim: JIMMY ROGERS, JOHNNY CASH, LYNNARD SKINNARD, BILLY BRAGG und aktuell natürlich HOT WATER MUSIC.

Welche Platte habt ihr euch zuletzt gekauft?

Beau Beau: Ich hab die JUVENILE-Platte gekauft. Das ist ´ne HipHop-Band.

Tim: STEVE EARL. Das ist so eine Art politischer Country-Sänger. Er behandelt halt Themen wie zum Beispiel die Anarchistin Emma Goldman oder Malcolm X.

Gibt´s von eurer Seite aus noch irgend etwas hinzuzufügen?

Tim: All power to the people. Free MUMIA ABU JAMAL!

Ok, dann bedanke ich mich für das Interview und wünsche euch noch eine erfolgreiche Tour.