FRONTIER(S)

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ELLIOTT ist vorbei

Was macht eigentlich ... Chris Higdon? Der Sänger und Gitarrist von ELLIOTT, die bis zu ihrer Auflösung Ende 2003 mit „US Songs“ (1998), „False Cathedrals“ (2000) und „Song In The Air“ (2003) drei herausragende Alben veröffentlichten, die für mich bis heute zu den besten im diffusen, nicht genau abgrenzbaren Genre des Post-Hardcores gehören, hat mit seiner neuen Band FRONTIER(S) ein Album veröffentlicht. „There Will Be No Miracles Here“ ist die Fortsetzung von ELLIOTT, und unterstützt wird Higdon von Gitarrist Matt Wieder (war einst bei MOUTHPIECE und THE ENKINDLES), Bassist Bryan Todd und Drummer Eagle Barber. Ich fragte, was zu fragen war.

Was hast du in den letzten paar Jahren so gemacht?

Ich habe gelebt, hatte die Möglichkeit zu reisen und mehr zu sehen als nur Clubs. Habe eine Familie gegründet, ein Haus gekauft, mich mit meiner Frau selbständig gemacht, und so weiter ... All die Sachen, die man nicht machen kann, wenn man die ganze Zeit auf Tour ist.

Wie tot sind ELLIOTT? Stehst du noch in Verbindung zu deinen früheren Bandmitgliedern, und was machen sie heute?

Zu Benny und Kevin habe ich noch Kontakt, mit Jonathan ebenfalls, und Jay sehe ich auch so einmal im Jahr. Kevin ist in einer tollen Band namens WAX FANG und Benny spielt in einer Band, die BROKEN SPURS heißt.

Das Ende von ELLIOTT kam ziemlich plötzlich. War es damals notwendig, dass ihr auseinander gegangen seid, und was waren die guten Seiten an der Auflösung?

Ich denke, wir haben zu einem guten Zeitpunkt aufgehört. Ich hätte nicht mit noch einer neuen Besetzung weitermachen wollen. Solange Kevin und ich dabei waren, hatte ich kein Problem, den Namen ELLIOTT fortzuführen, aber wir hatten keine Lust mehr, jedes Mal wieder von Null anzufangen, wenn wir einen Gitarristen verlieren. Jeder von uns hat irgendwas Neues angefangen und arbeitet jetzt an Projekten, die – wie ich finde – besser zu ihm passen. ELLIOTT war etwas Besonderes, für jeden von uns. Die Band hat uns an Orte gebracht, die wir sonst niemals gesehen hätten.

Was will uns der Bandname sagen, der Singular und Plural des Wortes Grenze beinhaltet? Mir kommen zuallererst Bilder von Stacheldrahtzäunen in den Sinn, ob nun zwischen Israel und Palästina oder zwischen den USA und Mexiko.

Der Begriff FRONTIER(S) ist offen für Interpretationen, es könnte dabei um grenzenlose weiträumige Landflächen gehen, oder eben um den Mangel daran. Er erlaubt einem einen gewissen Raum für eigene Vorstellungen. Du hast allerdings Recht, wir schotten uns ab, mit Grenzkonstruktionen und Technologie – vielleicht tendiere ich deshalb dazu, vor solchen Sachen erstmal zurückzuschrecken.

Deiner Website kriech-higdonphoto.com kann man entnehmen, dass du mit deiner Frau zusammen unter anderem als Hochzeitsfotografen arbeitest.

Ja, wir arbeiten als professionelle Fotografen in Louisville, KY. Wir machen viel im dokumentarischen Stil, im modernen Porträtstil und journalistische Fotografie. Hochzeiten sind toll, aber sehr stressig, du hältst einen der – hoffentlich – wichtigsten Tage im Leben von jemandem fest. Man muss alle möglichen Motive knipsen, die Kleidung der Leute, das Geschehen, das Essen, und das ungefähr sieben Stunden am Stück. Es ist eine Herausforderung, aber es lohnt sich. Ich habe Fotografieren gelernt und studiert, um Fotojournalist zu werden. Im Nachhinein ist mir klar geworden, die Aufregung und das Vergnügen, die wir während der College-Zeit hatten, als wir Bränden, Autounfällen oder anderen Tragödien hinterher gejagt sind, hat mich absolut abgestoßen. Ich wünschte, mich hätte jemand damals beiseite genommen und mir gesagt, wie man das mit einer korrekten Einstellung macht, wie man die Betroffenen mit Respekt behandelt. Nach einer Weile fühlte es sich widerlich an, von Tragödien anderer zu profitieren. Ich schätze, ich profitiere lieber von schönen Dingen. Was meine eigene Arbeit angeht, da hab ich gern Straßenmotive und ich fotografiere auch immer noch lokale Bands, wenn ich die Möglichkeit dazu habe. Die Herausforderung ist für mich, Geldverdienen und Kunst unter unter einen Hut zu bringen, etwas zu tun, das ich liebe. Ich glaube, ich habe echt Glück.

Reden wir über deine Musik: Ich nehme an, bei deiner markanten Stimme und Gitarre ist es normal, dass FRONTIER(S) so ähnlich wie ELLIOTT klingen mussten.

Ich bin nicht anderer Meinung, aber ich denke, wenn es irgendetwas gibt, das einen bei FRONTIER(S) an ELLIOTT zurückdenken lässt, dann, dass es die einzige Platte ist, bei der ich alle Songs geschrieben habe. Ich finde, FRONTIER(S) gehen etwas mehr nach vorne, sind etwas direkter.

Welche Musik, welche Bands faszinieren dich momentan?

Ich höre noch die Bands aus meiner Jugend, JAWBOX, QUICKSAND, FUGAZI, SEAWEED. An aktuellem Zeug liebe ich José Gonzáles, CANCER BATS, GALLOWS, FUCKED UP. Ich habe gerade eine Dokumentation namens „Off The Charts“ gesehen, die mich umgehauen hat. Ich wünschte, ich könnte ein paar dieser seltenen Platten kriegen.

Können wir in nächster Zeit mit deiner triumphalen Rückkehr nach Europa rechnen?

Ich hoffe mal, sie wird triumphal, und es wird wohl 2011 soweit sein.