Kurt Ballou

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... über Godcity, CONVERGE und den ultimativen Sound

Redet man über CONVERGE, hat jeder sofort Jacob Bannon im Sinn, ihren Sänger, der zudem als Betreiber von Deathwish Records aktiv ist und dessen markantes Artwork diverse Alben sowohl der eigenen wie befreundeter Bands ziert. Kurt Ballou hingegen steht immer etwas im Hintergrund, sowohl als Gitarrist von CONVERGE wie als Betreiber des renommierten Godcity-Studios und als Produzent. Er ist verantwortlich für den Sound von Bands wie KVELERTAK, 108, HAVE HEART, MISERY INDEX, THE HOPE CONSPIRACY, DISFEAR, PAINT IT BLACK und unzähligen anderen, und das macht ihn wohl zu einem der wichtigsten und einflussreichsten Hardcore-Produzenten der Gegenwart. Ich interviewte Kurt vor dem Auftritt von CONVERGE in Bochum im Juli 2010.

Kurt, wie wurdest du zum Produzenten?

Ich sehe mich eher als Toningenieur denn als Produzent. Bei den meisten Platten, die ich aufnehme, steht nicht genug Zeit zur Verfügung, als dass ich mich als Produzent einbringen könnte. Ein Produzent spielt eine aktivere Rolle, etwa bei der Auswahl der Songs und deren Arrangement, er formt den Sound einer Band. Die meisten Bands, die ich aufnehme, haben aber entweder nicht genug Zeit für so eine Arbeitsweise oder sind nicht daran interessiert, dass jemand anderes sie formt. Nicht, dass mir das nicht Spaß machen würde, aber die Gelegenheit dazu bietet sich selten. Die Bezeichnung „Produzent“ wird auch sicher öfter verwendet, als sie angemessen ist.

Und wie kamst du zu dieser Tätigkeit?

Als CONVERGE einst anfingen aufzunehmen, fühlte ich mich in Aufnahmestudios immer etwas verloren und wollte mehr wissen über den Aufnahmeprozess, denn mir war klar, dass dieser integraler Bestandteil des Sounds einer Band und ihrer Songs ist. Mir war klar, dass der Sound genauso wichtig ist wie das Songwriting, und so wollte ich genau wissen, wie das alles funktioniert, um besser vorbereitet zu sein, wenn wir ins Studio gehen. Und so fing ich an, Demos meiner eigenen Band aufzunehmen mit einem geliehenen 4-Spur-Tonbandgerät – einfach um eine Idee von dem jeweiligen Song zu bekommen, aber auch, um den technischen Aufnahmeprozess nachvollziehen zu können. Dein Verständnis eines Songs, den du selbst aufgenommen hast und den du dir immer wieder vorspielst, ist ein ganz anderer. Ich sehe das Verständnis des Aufnahmeprozesses als wichtiges Songwriting-Werkzeug an.

Wie ging es weiter?

Ich hatte irgendwann, das war so Mitte der Neunziger, genug Geld gespart für ein 8-Spur-Gerät, um damit CONVERGE-Demos aufzunehmen, und dann kamen befreundete Bands und fragten mich, ob ich nicht auch ihr Demo aufnehmen könne. Die erste Aufnahme, die für eine Platte verwendet wurde und die vielleicht auch jemand kennt, ist eine 7“ von FIT FOR ABUSE. Deren Sänger, Matt Kelly, ist heute übrigens der Drummer der DROPKICK MURPHYS. Und er spielte auch Schlagzeug bei DIVE, mit denen CONVERGE oft spielten. Er wusste, dass ich mir im Keller meines Elternhauses ein kleines Studio eingerichtet hatte, und so nahm ich die Songs für ihre 7“ auf. Das bekamen natürlich ein paar Leute mit, und bald nahm ich nicht nur die Bands von Freunden auf, sondern auch die von Leuten, die ich vorher nicht gekannt hatte, und nahm dafür fünf oder zehn Dollar die Stunde. Ich sparte das Geld und kaufte mir davon weiteres Equipment. Damals war ich zu Beginn noch an der Uni und hatte dann einen ganz normalen Job, ich hatte nie den Plan, eine „Karriere“ als Betreiber eines Studios zu machen. Aber es war ein schönes Hobby, es machte mir Spaß, ich steckte das Geld, das ich verdiente, in immer weitere Ausrüstung, wurde immer professioneller, und zu der Zeit, als CONVERGE „Jane Doe“ veröffentlichten, das war 2001, hielt mich das Studio schon ganz gut auf Trab. Ich hatte auch einen Teil von „Jane Doe“ aufgenommen, und zu der Zeit wurde ich dann von meinem Arbeitgeber entlassen. Ich arbeitete als Medizintechniker, beispielsweise an Stents, also künstlichen Blutgefäßen. Aber das Projekt, an dem ich arbeitete, wurde gecancelt, und meine Firma stellte mich bei voller Bezahlung für acht Monate frei. Das war genau zu der Zeit, als „Jane Doe“ erschien, und so gingen wir ausgiebig auf Tour und ich beschäftigte mich mit meinem Studio. Irgendwann waren die acht Monate dann vorbei, ich kehrte nicht in meinen „normalen“ Job zurück und habe bis heute auch nie wieder in einem „normalen“ Job gearbeitet. Ich kaufte dann irgendwann ein Haus, baute darin mein Studio, brachte alles auf ein professionelles Level und habe bis heute Spaß daran, Platten zu machen und Konzerte zu spielen.

Hast du jemals eine richtige Ausbildung genossen als Toningenieur? Heute gibt es diverse Einrichtungen, in denen man so was studieren kann, wenn man reiche Eltern hat.

Ich habe so was nie gemacht. Für viele ist so was doch nur ein Versuch, das Erwachsenenleben möglichst weit nach hinten zu verschieben, oder weil sie denken, sie müssten so was „richtig“ lernen, weil sie sich nicht zutrauen, das eigenständig zu erlernen. Kaum jemand, der auf so einer Tontechnik-Schule war, ist wirklich gut. So eine Ausbildung ist eine Abkürzung, das ist wie Gitarrenunterricht zu nehmen. Du kaust dann nur wieder, was jemand anderes dir beigebracht, anstatt dein Gehör selbst zu schulen. Ich wollte ja nie Toningenieur werden, ich bin da reingerutscht und habe mir alles selbst beigebracht, indem ich Sachen ausprobiert habe, im Internet recherchierte, Bücher las. So hat es vielleicht länger gedauert, bis ich das draufhatte, was ich können muss, aber da ich alles selbst herausfand, konnte ich auch meinen eigenen Sound entwickeln, meine eigene Ästhetik. Wenn man dazu eine normale Ausbildung macht, lernt man viel mehr die handfesten Aspekte dieser Tätigkeit, während meine Stärken im Umgang mit Menschen liegen. Dazu kommt, dass ich als Songwriter von CONVERGE her weiß, wie Musiker denken, ich sehe den Aufnahmeprozess also eher aus der Position eines Musikers als aus der des Tontechnikers: Wie ist ein Song wirklich aufgebaut? Das verstehe ich mehr vom Gefühl her als rein technisch von den Harmoniestrukturen her. Ich habe immer den Song als Ganzes im Blick.

Das Aufnehmen eines Albums ist also ein extrem komplexer Vorgang.

Ja, und man braucht wirklich lange, um zu verstehen, was da passiert. Ich lerne auch immer noch dazu. Man muss seine musikalischen Instinkte immer weiter verfeinern, nicht nur was das Musizieren, sondern eben auch das Zuhören und Aufnehmen anbelangt.

Angesichts dieses Wissen machst du dich selbst klein, wenn du davon sprichst, dass du meist ja nur der Toningenieur seist und gar nicht der Produzent.

Ich kann der Produzent sein! Aber es ist eben so, dass in neun von zehn Fällen, in denen ich als „producer“ auf dem Backcover eines Albums aufgeführt bin, ich in Wirklichkeit zwar gerne der Produzent gewesen wäre, die Band aber nicht wollte, dass ich diese Aufgabe auch ausführe. Sie wollten aber dennoch meinen Namen auf der Platte stehen haben. In den meisten Fällen, in denen also meine Name auf einer Platte steht, war ich nur der Toningenieur. Und ich will auch nicht Credits für etwas beanspruchen, was ich nicht geleistet habe. Nimm als Beispiel nur mal KVELERTAK, die wirklich ein cooles Album gemacht haben. Ihre Songstrukturen sind aber sehr komplex und verworren, und ich habe lange mit denen diskutiert und versucht sie davon zu überzeugen, ihre Songstrukturen zu vereinfachen. Das wollten die aber nicht, und so ist das zwar ein gutes Album geworden, das meiner Meinung nach aber noch viel besser sein könnte, wenn sie auf mich gehört hätten. Ihre Lieder folgen alle dem Prinzip Intro-Chorus-Bridge-Chorus-Bridge-Verse-Verse-Other Bridge-Outro. So eine Struktur ist nicht einprägsam, zumindest für meine Ohren, und ich versuchte sie zu überzeugen, die Songs umzuarrangieren, aber das wollten sie nicht. Sie haben das gemacht, was auch andere Bands zu Beginn ihrer Karriere machen: Sie verbringen sehr viel Zeit damit, ihre Songs sehr detailliert auszuarbeiten, aber sie sind nicht dazu in der Lage, sie mal aus der Position eines Außenstehenden zu betrachten. Das hat zur Folge, dass Bands zwar sagen, sie wollen einen Produzenten, aber nicht bereit sind, sich auch darauf einzulassen, das sich der auch wirklich einmischt. Die sind dann recht beratungsresistent – „No, we like it this way“ ist da die Standardantwort. Oder du hast die Situation, dass der Text exakt auf die Musik zugeschnitten ist, es jedoch Sinn machen würde, an dem Song etwas zu ändern. In dem Moment passt aber der Text nicht mehr, und dann ist einfach nicht genug Zeit, einen Song im Studio noch zu ändern. Auch in so einem Fall bin ich dann eben nicht mehr als der Toningenieur, und meine Rolle als Produzent beschränkt sich darauf, den Vorschlag zu machen, an einer Stelle mal eine Telecaster- statt einer Les Paul-Gitarre zu verwenden.

Hast du denn subtile Strategien entwickelt, auf eine Band einzuwirken, wenn du siehst, dass die auf dem falschen Weg ist?

Ich bin kein Psychologe, aber ich bekomme natürlich mit, was da im Studio passiert. Manchmal kommt man mit einem Stück einfach nicht weiter, oder einer aus der Band wird immer feindseliger, und dann ist es an mir, dem eine Pause vorzuschlagen oder mit einem anderen Song weiterzumachen. Oder ich zeige am Schlagzeug oder an der Gitarre, wie ich mir vorstellen könnte, dass es weitergeht. Ich versuche immer, eine möglichst entspannte, ruhige Atmosphäre zu schaffen. Es ist wichtig, das Gefühl zu vermitteln, dass nicht alles, was sie tun, extrem wichtig ist. Klar, die müssen ernst nehmen, was sie tun, aber sie sollten sich nicht stressen. Gerade junge Musiker machen den Fehler, die Menge an Zeit, die sie in die Ausarbeitung einer Idee gesteckt haben, mit der Qualität dieser Idee gleichzusetzen. Die denken, je länger man an einem Riff, einem Song gearbeitet hat, desto besser sei der, aber das Problem ist, dass man dann irgendwann total darauf fixiert ist und nicht in der Lage, das mal mit etwas Distanz zu sehen oder gar zu akzeptieren, dass er gar nicht verwendet wird. Die sind total stolz, spielen das ihrem Drummer vor, und der sagt nur „It sucks“ und kapiert nicht, wie viel Zeit da investiert wurde. Ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, und mit dem Alter habe ich auch gelernt, so eine Reaktion zu akzeptieren. Aber junge Bands machen eben oft den Fehler, nicht danach zu entscheiden, was am besten für den Song ist, sondern wie viel Zeit darin investiert wurde. Und die versuche ich dazu zu bringen, nur den Song zu hören, nicht sich selbst.

Nun ist es aber so, dass Menschen auch oft resistent sind gegen Hilfe von außen.

Es gibt durchaus auch die Situation, dass man aufgibt und sich sagt, dass das nächste Album dieser Band sicher besser wird. Die lässt man dann einfach machen, wie sie wollen. Aber ich habe auch gelernt, solche Situationen zu vermeiden. Als ich mein Studio eröffnete, hatte ich einen riesigen Berg Schulden und nahm jeden Auftrag an. Heute nehme ich Aufträge, bei denen ich das Gefühl habe, dass es Schwierigkeiten gibt, die Songs nicht gut sind oder dass die Band an sich keine solide Einheit ist, gar nicht erst an. Schließlich fällt es auch auf mich zurück, wenn ein Album gut ist oder nicht. Je besser die Bands sind, die du aufnimmst, desto besser sind auch die Anfragen, die man bekommt. Außerdem lerne ich ja auch ständig dazu, und hin und wieder rutscht eben auch mal eine Band durch. Die Band eines Freunds etwa, die doch nicht so gut ist, oder das Label eines Freundes drängt mich dazu, eine Produktion einer Band zu machen, die nicht wirklich gut ist. Oder eine Band kommt mit einem richtig miesen Demo an, das es mir nicht erlaubt, sie wirklich zu beurteilen und wo ich dann erst im Studio herausfinde, was sie wirklich kann: „Oh shit, was habe ich mir denn da eingebrockt?“ Aus so einer Situation kommt man dann nur schwer wieder raus, und da würde ich mir manchmal wünschen, ich könnte auch ein richtiges Arschloch sein. Aber auf dem Level, auf dem ich arbeite, ist das nicht drin. Hätte ich einst GUNS N’ ROSES aufnehmen dürfen und die Macht gehabt, Steven Adler zu feuern, das wäre cool gewesen.

Inwiefern reflektiert der Sound von CONVERGE deine sich verbessernden Fähigkeiten als Produzent?

Mit den Jahren steigern sich deine Fähigkeiten als Musiker, deine musikalische Ausdrucksfähigkeit, du wirst besser darin, dich selbst durch dein Songwriting auszudrücken. Du lernst, wie man beim Aufnehmen bestimmte Aspekte besser erfassen kann, der Songwritingprozess wird immer besser, weil wir uns immer besser kennen. Und ich kenne mein Studio, meine Mikrofone immer besser, meinen Sänger, meinen Drummer, meinen Bassisten. Und dennoch überraschen sie mich immer wieder, obwohl ich eigentlich weiß, was ich von ihnen erwarten kann, was ihre Stärken und Schwächen sind. Wenn mir ein Riff einfällt, weiß ich recht schnell, ob sich das mit unserer Band umsetzen lässt, und wenn nicht, spare ich mir das für eine andere Gelegenheit auf. Ich arbeite an den meisten Sachen alleine für mich, und mein Beitrag in Sachen Studioarbeit ist mit den Jahren kontinuierlich gewachsen. Bei „Jane Doe“ nahm ich ein paar Drum- und Gitarrenparts auf, einen Teil des Gesangs und die meisten Bass-Parts. Den Mix konnte ich nicht selbst machen, aber ich war dabei und passte genau auf. Bei „You Fail Me“ nahm ich alles auf, nur den Mix machte ich nicht selbst. Und bei „No Heroes“ nahm ich alles auf und machte den Mix. Ich übernahm also nach und nach die Kontrolle, so wie das Vertrauen meiner Bandkollegen in mich wuchs und auch mein eigenes Vertrauen in meine Fähigkeiten. Das Letzte, was ich will, ist ein CONVERGE-Album, das unter seinen Möglichkeiten bleibt, nur weil ich womöglich der Meinung sein könnte, ich müsste alles selbst machen. Es brauchte einfach seine Zeit, bis ich das Selbstvertrauen entwickelt hatte, mir das zuzutrauen.

CONVERGE ist eine sehr einflussreiche Band. Inwiefern ist dir das bewusst, wenn Bands bei dir aufnehmen und du feststellen musst, dass da eine Band eurer sehr nacheifert? Ich denke, dass es durchaus Bands gibt, die auch aus genau dem Grund bei dir aufnehmen wollen.

Ich denke, das ist kein Problem, und wenn ich mal überlege, fällt mir auch höchstens CRAWL UP AND DIE ein, und die habe ich vor acht Jahren oder so aufgenommen. Generell will ich auch nicht mit Bands arbeiten, die wie CONVERGE klingen. Natürlich wird alle Musik durch meine Ohren gefiltert und so mag es an meinen Produktionen immer einen gewissen CONVERGE-Aspekt geben, aber ich versuche vor allem, die Band da im Studio zu verstehen und sie klingen zu lassen wie sie selbst.

Wenn eine Band bei dir aufnehmen will, was sind da wichtige Voraussetzungen?

Zuerst einmal haben Freunde immer Vorrang gegenüber Leuten, die ich nicht kenne. Und ich will Spaß haben, wenn ich zehn Stunden am Tag im Studio mit einer Band arbeite. Ich kann es auch nicht leiden, wenn ich den Eindruck bekomme, dass jemand bei mir aufnehmen will, weil er meinen Namen auf seiner Platte stehen haben will und nicht, weil ihm meine Arbeit gefällt. Solche Situationen versuche ich möglichst zu vermeiden. Ich bekomme auch viele Anfragen aus Europa von Bands, deren Aufnahmen ich abmischen soll, aber da habe ich oft das Gefühl, dass mein Name als Marketing-Tool dienen soll, dass es denen darum geht, den „richtigen“ Namen auf dem Cover stehen zu haben. Vor ein paar Jahren habe ich mal vier von dreizehn Album-Songs einer Band aus Europa gemixt, und als sie mir dann ein Album schickten, war da auf dem Cover ein großer Aufkleber, der deutlicher lesbar war als der Name der Band, auf dem stand „Mixed by Kurt Ballou of Converge“, und das CONVERGE-Logo hatten sie dafür auch noch verwendet. Na ja, mir stößt es manchmal einfach auf, wie Musik vermarktet wird, denn ich denke, dass die Musik für die Band sprechen sollte. Klar, ich verstehe schon, dass der Wettbewerb im Musikbereich sehr hart ist und jeder versucht, irgendwie auf sich aufmerksam zu machen, aber mit der Musik, in die ich involviert bin, will ich mich solchen Marketingmaßnahmen aber nicht unterwerfen müssen. Für mich ist es auch nicht von Belang, wie viele Platten eine Band verkauft, die ich aufnehme, wichtig ist mir, dass der Aufnahmeprozess mir Spaß macht und alles gut läuft.

Was muss eine Band denn an Geld investieren, wenn sie bei dir aufnehmen will?

Ich nehme 500 Dollar pro Tag, zwei Wochen Studio liegen also bei 7.000 Dollar, plus Material – Tonband ist sehr teuer geworden – und Miete für weitere Geräte. Mit diesem Preis bewege ich mich im Mittelfeld, und ich denke, es ist ein guter Deal dafür, was man geboten bekommt und weniger, was man woanders bezahlt. Für Europäer ist es sogar oft billiger, bei mir aufzunehmen als in Europa, sogar wenn man die Flüge und die Hotelübernachtung einbezieht.

Und wie viel Zeit sollte eine Band mitbringen? Sind zwei Wochen ein guter Durchschnitt oder bekommt man das auch in fünf Tagen hin?

Das hängt von der Band und ihren Erwartungen und Zielen ab, aber auch davon, wie eingespielt sie ist, wie gut ihre Songs sind. Ich habe schon ganze Alben in zwei oder drei Tagen aufgenommen, aber manchmal dauert so was auch einen Monat. Und die Zeit für den Mix kommt auch noch dazu, im Falle von KVELERTAK war das eine ganze Woche. Das passe ich aber ganz individuell auf die Band und ihre Möglichkeiten und ihr Budget an. Wenn mich eine Band musikalisch anspricht, ist natürlich auch das Interesse größer, in der gegebenen Zeit das Maximale rauszuholen. Und wenn eine Band live aufnimmt, geht es auch immer schneller, aber meine Möglichkeiten, mit den Aufnahmen zu arbeiten, sind auch viel geringer. Bei KVELERTAK beispielsweise wurde alles sehr präzise aufgenommen, bei den Aufnahmen wurde auf Perfektion geachtet, und da hast du beim Mix dann viel mehr Optionen, kann man in sehr viele verschiedene Richtungen gehen. Mein Bandkollege Nate hingegen nahm mit den DOOMRIDERS das erste Album live auf, alle zusammen in einem Raum, und dann ist das, was du aufnimmst, das, womit du arbeiten kannst. Außer einer gewissen Soundoptimierung ist da nicht viel möglich, denn du arbeitest ja an dem Bandsound als Ganzem und nicht an einzelnen Instrumenten, da überlagert sich alles. So eine Platte hat man dann auch innerhalb von fünf Tagen fertig.

Inwiefern beeinflusst die krisenhafte Entwicklung im Musikgeschäft mit zurückgehenden Albumverkäufen und entsprechend auch kleineren Studiobudgets deine Arbeit?

Ich habe immer noch viel zu tun, aber ich merke auch, dass die Leute kürzere Studiosessions buchen. Und ich bekomme vermehrt Anfragen, wo ich bereits bestehende Aufnahmen nur noch mixen soll. Manche dieser Alben sind dann auch echt gut, manche nicht, ich bin da eben dem Material ausgeliefert, das man mir zur Verfügung stellt. Auch da versuche ich also sorgfältig auszuwählen. Außerdem kann ich ein Album, das ich aufgenommen habe, in zwei Tagen mixen, während ich mich durch die Aufnahmen anderer erst durchwühlen muss, und dann dauert der Mix vier oder fünf Tage. Es ist viel mehr Arbeit. Grundsätzlich hat der Konkurrenzdruck im Musikgeschäft in den letzten Jahren zugenommen, das ist jetzt viel stärker zu spüren als zu der Zeit, als ich anfing Musik zu machen. Das hat aber auch zur Folge, dass eine gute Aufnahme, eine gute Produktion, heute viel wichtiger ist als früher, als die Leute Platten noch blind kauften, weil sie den Namen der Band kannten. Heute musst du einen massiven Sound haben, der dir direkt ins Gesicht springt, sobald ein Song im MySpace-Player läuft. Jeder hat heute so viel und schnellen und einfachen Zugang zu Musik, und wenn etwas auf MySpace nicht innerhalb von 20 Sekunden deine Aufmerksamkeit erregen kann, ist es durchgefallen. Und die paar Platten, für die du noch Geld ausgeben kannst oder willst, die müssen dann auch gut sein.

Früher war das mal anders ...

In den Neunzigern gab es in der Folge von NIRVANA, PIXIES und Co. all diese Singer/Songwriter-Bands. Die hatten keine besonders guten Aufnahmen, aber sehr gute Songs, und wenn man sich mal an die Songs gewöhnt hatte, spielte die Aufnahmequalität keine Rolle mehr.

SEBADOH, PAVEMENT, GUIDED BY VOICES – solche Bands hätten es heute sehr schwer.

Die hätten keine Chance. GUIDED BY VOICES waren großartig, aber heute würden die untergehen. Die haben eben nicht vier superlaute Songs mit Hooks direkt am Anfang, die im MySpace-Player mit all den anderen Bands mithalten können, mit so einer Band und ihrem Album muss man sich beschäftigen. Klar, es gibt auch noch richtige Musikfans, die sich viel Zeit nehmen, um sich mit Bands zu beschäftigen, aber die Hauptzielgruppe neuer Musik ist jung. Was ich mit all dem sagen will: Unterm Strich ist diese ganze Entwicklung gut für mich, denn die Bands brauchen Aufnahmen, die gut klingen. Klar kann man in seiner Garage und mit Pro Tools eine Aufnahme selbst machen, aber das wird nie ausreichen, um an die Bands heranzukommen, an die du herankommen willst. Andererseits ... sind die Bands, die sich so viele Gedanken darüber machen, ob und wie sie mit anderen mithalten können, nicht gerade die, mit denen ich gerne arbeite. Unterm Strich ist mein Geschäft in den letzten drei Jahren trotz all der Entwicklungen im Musikgeschäft wie in der restlichen Wirtschaft stabil geblieben. Ich bin glücklich.

Kurt, besten Dank für das Interview.