MADBALL

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Renaissance-Irgendwas

„Legacy“, „Infiltrate The System“ und „Empire“ heißen die letzten drei Alben von MADBALL. Allesamt Titel, die vor Selbstbewusstsein und Kampfgeist strotzen. Oder ist das nur eine stereotype Zurschaustellung einer stumpfen NYHC-Macho-Band? Viele wollen in MADBALL und Frontmann Freddy eben genau dieses Bild sehen. Ich wollte es genauer wissen und mailte Sänger Freddy Cricien einige Fragen.

Euer neues Album heißt „Empire“. Passend dazu findet sich auf eurer MySpace-Seite folgendes Statement: „We have the feeling that we’ve built a little empire for ourselves with our band, brand, and different endeavors.“ Ist das etwa der MADBALL-Masterplan? Erst hinterlasst ihr ein Legat, dann infiltriert ihr das System und nun baut ihr euer eigenes Imperium?

Du hast es erraten! Das ist unser Plan, haha. Aber hinter dem Titel steckt noch eine tiefere Bedeutung. Es geht um das, was wir mit MADBALL aufgebaut und erreicht haben und noch weiter ausbauen werden. Der Titel ist außerdem eine Hommage an unsere Familien und alle Leute, die uns unterstützen in dem, was wir tun und sind.

Als ich das erste Mal hörte, dass Erik Rutan euer neues Album produzieren würde, war ich skeptisch. Von einem Mitglied von HATE ETERNAL und MORBID ANGEL, die ja einen gänzlich anderen Sound spielen als ihr, hätte ich ein deutlich „metallischeres“ Ergebnis erwartet.

Erik hat sich als echter MADBALL-Fan entpuppt. Deshalb verstand er auch ganz genau, wie wir auf dem neuen Album klingen wollten. Er hat einen großartigen Job gemacht.

Wenn ich mir deine Texte anhöre, besonders die von „Timeless“ und „Glory years“, dann wirkt es so, als ob du dich heute mehr selbst reflektierst, als noch vor einigen Jahren. Du bist jetzt Mitte 30. Ist das ein Alter, in dem man ein wenig ruhiger wird und über sich und seine Umwelt intensiver nachdenkt?

Definitiv! Der Song beschreibt, wie schwer es ist, etwas „Zeitloses“ zu schreiben. Auf der einen Seite will man sich selbst treu bleiben. Auf der anderen Seite möchte man sich auch nicht ständig wiederholen und sich stattdessen – in gewissen Grenzen – auch mal neu erfinden. „Glory years“ handelt übrigens nicht alleine von mir. Zwar ist der Song aus meiner Perspektive geschrieben, handelt aber von den Leuten, die immer nur in der Vergangenheit leben. Das sind diejenigen, die immer nur von der guten alten Zeit reden, aber nie nach vorne schauen. Die sind gefangen in ihren Erinnerungen und lassen keinen Fortschritt zu. Weder bei sich selbst, noch in der Szene. Ich denke schon, dass dadurch, dass ich jetzt älter bin, auch meine Texte eine gewisse Entwicklung durchmachen. Aber natürlich werden meine Texte auch in Zukunft immer in enger Verbindung zu MADBALL stehen.

Im Song „The end“ beziehst du explizit politisch Stellung und prangerst sowohl die Regierung als auch die Firma BP an. Glaubst du, dass die Obama-Regierung nicht schnell und energisch genug auf die Ölkatastrophe reagiert hat?

Niemand hat schnell genug reagiert! Ich kann nicht verstehen, dass ein Konzern wie BP mit all seinen Ressourcen und all dem Geld keinen Notfallplan für einen derartigen Zwischenfall hat. Die sind alle so geldbesessen, dass ihnen vollkommen egal ist, was im Fall der Fälle passieren könnte. So nach dem Motto: Wenn es soweit ist, überlegen wir uns etwas Passendes, um das Problem in den Griff zu bekommen. Was ist mit dem Ozean, dem Planeten und uns allen, die hier leben?

Während eurer letzten Tour durch Kanada hast du euren Drummer Jay Weinberg aus der Band geworfen. Im Internet fand ich ein Statement von dir, das in etwa soviel besagte wie: „Jay präsentiert die Band nicht richtig. Sein Charakter passt nicht in die Band.“ Wie muss man das verstehen?

Genau so, wie ich es gesagt habe. Sein Charakter passt nicht zur MADBALL-Familie.

Jay selbst hat die Umstände seines Rauswurfs etwas anders dargestellt. Laut seiner Aussage sind während der Tour einige, für ihn erschreckende Dinge passiert.

Haha, ich weiß wirklich nicht, was ihn so verstört haben könnte. Wir trinken alle ein wenig und einige von uns rauchen auch gerne mal etwas auf Tour. Nichts Außergewöhnliches. Niemand von uns nimmt harte Drogen. Auch im Tourbus rasten wir nicht total aus, sondern machen nur ein wenig Party. Die Touren, auf denen er mitgefahren ist, waren sowieso relativ ruhig. Aber sein Statement zeigt mir, dass wir mit seinem Rauswurf die richtige Entscheidung getroffen haben. Wenn Jay vor zehn oder 15 Jahren mitgefahren wäre, dann hätte er nicht einen einzigen Tag durchgehalten!

Und wer sitzt jetzt am Schlagzeug für eure aktuelle England-Tour?

Igor Wouters von BORN FROM PAIN. Er ist ein guter Freund von uns und konnte kurzfristig einspringen.

Ich habe im Internet ein Interview gefunden, in dem du dich selbst als „Renaissance-Menschen“ bezeichnet hast. Was macht dich zu einem solchen Menschen?

Ich habe das eigentlich zur Hälfte im Scherz gemeint. Technisch gesehen könnte man mich als ein Renaissance-Irgendwas definieren, haha! Eigentlich beschreibt der Begriff „Renaissance Man“ jemanden, der in vielen Dingen bewandert ist. Auf mich bezogen heißt das, dass ich nicht nur Frontmann einer Hardcore-Band bin, sondern auch HipHop-Künstler. Außerdem habe ich eine eigene Produktionsfirma, Black N Blue Productions, arbeite als Produzent und Manager von MADBALL und einiger anderer Bands. Wenn man das so am Stück aufzählt, könnte der Eindruck entstehen, dass ich damit prahlen möchte. So ist das aber nicht gemeint! Aber du hast gefragt, also bekommst du eine Antwort.

Du hast es gerade schon angesprochen – du hast ein Solo-HipHop-Projekt. Lass uns ein wenig über „Catholic Guilt“ sprechen, dein erstes Soloalbum. Fast alle Texte drehen sich dort um Religion. Wie siehst du den Katholizismus und was genau ist laut deiner Definition die „katholische Schuld“?

Katholische Schuld ist die Schuld, die du immer dann fühlst, wenn du etwas „Falsches“ tust, bezogen auf das, was dich Religion als „richtig“ lehrt. Es geht dabei nicht nur um den Katholizismus allein. Fast alle Religionen erzeugen dieses Gefühl. Ich spreche da aus eigener Erfahrung und versuche, diese Erfahrungen auf dem Album zu verarbeiten. Religion gibt dir manchmal das Gefühl, keine Fehler machen zu dürfen. Das ist so heuchlerisch, nicht nur bezogen auf den Katholizismus und die Kirche. Das gilt für alle Religionen. Das ganze Album ist somit sehr selbstreflexiv. Ich erzähle Geschichten aus meinem Leben, schreibe über meine Gefühle und meine Sicht von Religion und Spiritualität. Mein zweites Soloalbum wird übrigens „The Road To Sin“ heißen und sich thematisch mit ähnlichen Dingen befassen.

Ich weiß, dass du selbst ein paar Tattoos mit religiösen Motiven hast. Gefällt dir einfach deren Optik, oder steht dahinter doch ein bestimmter Glaube, der ja nicht zwingend mit Gott oder der Kirche in Verbindung stehen muss?

Das kommt daher, weil ich religiös erzogen worden bin, mit allen Bildern und Motiven, die somit dazugehören. Viele Jahre habe ich deshalb auch selbst daran geglaubt. Auch heute liebe ich diese Optik noch. Sie hat etwas Spirituelles für mich. Das hat aber nichts mit meinen heutigen Ansichten über Religion zu tun. Die Spiritualität, die ich mit diesen Motiven auf meiner Haut verbinde, geht weit über das hinaus, was Worte oder eine Religion erklären könnten.

Ende August spielte dein Bruder mit AGNOSTIC FRONT im Kölner Underground. Roger kündigte während dieser Show ein neues AF-Album für das kommende Frühjahr an. Du bist der Produzent, also kannst du mir doch bestimmt schon heute verraten, was uns erwartet ...

Ja, die neuen Songs klingen sehr oldschool und es gibt einige schöne Singalongs. Die Fans wird es freuen!