PANKAHYTTN

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Die eigene Geschichte ausstellen

Die Wiener „Pankahyttn“ hat eine neue Veranstaltungshalle. Zur Einweihung haben BewohnerInnen und FreundInnen des Hauses in langer Vorbereitungszeit eine Ausstellung zur Geschichte von Punk in Wien gestaltet. Ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm hat die Ausstellung begleitet, die gleichzeitig der Grundstein für ein künftiges Wiener Punk-Archiv darstellen soll.

Könnt ihr zunächst kurz für die Leute außerhalb Wiens erklären, was die „Pankahyttn“ ist und wie sie entstand?

Lotte: Wir sind die Pankahyttn, das heißt wir, die Leute, sind die Pankahyttn. Wir definieren uns über uns und nicht über das Haus. Das Haus haben wir jetzt seit fast drei Jahren, davon war es fast zwei Jahre lang besetzt und jetzt haben wir seit einem Jahr Verträge, also ist es sozusagen nicht mehr besetzt. Dem ist ein drei Jahre dauernder Kampf vorausgegangen, dazu gehörten viele Hausbesetzungen und Verhandlungen mit der Stadt Wien, bis uns eben dieses Haus zur Verfügung gestellt worden ist, in dem wir jetzt wohnen und andere Aktionen machen.

Wie beispielsweise diese Ausstellung. Wann kam die Idee dazu auf?

Ratzi: Die Idee ist vor allem wegen dieser Punk-Ausstellung in der Kunsthalle entstanden. Ich bin jetzt seit einem Jahr dabei, aber die anderen arbeiten an der Ausstellung, fast seit es das Haus gibt.

Lotte: Vor ungefähr zweieinhalb Jahren hat es in der Kunsthalle, dem Wiener Museum für zeitgenössische Kunst, so eine offizielle Hochglanz-Punk-Ausstellung gegeben. Das war furchtbar, da drinnen zu stehen. Wir sind eingeladen worden, uns das anzuschauen, und wir haben uns gedacht: „Und? Was hat das jetzt mit Punk oder mit uns zu tun?“ Also wollen wir mit unserer Ausstellung zeigen, was Punk für uns ist und wie die Leute das sehen, die sich selbst als Punks bezeichnen oder von der Umwelt als Punks bezeichnet werden. Ansonsten war die Ausstellung eine gute Gelegenheit, unsere neue Halle zu nutzen, die uns von der Stadt Wien versprochen worden war. Die war vorher baufällig, weshalb es lange nicht möglich war, etwas darin zu machen. Und wir haben uns überlegt, was sollen wir tun, wenn die Halle fertig ist? Da haben wir die Ausstellung für eine recht gute Idee gehalten, um uns auch ein bisschen nach außen zu öffnen. Also dass sich auch „normalere“ Leute hierher trauen.

Wie viele Leute haben an der Gestaltung der Ausstellung mitgearbeitet?

Lotte: Das ist schwer zu sagen. Irgendwas gemacht haben unendlich viele Leute. Beim Aufbauen der Ausstellung waren dann natürlich weniger Leute beteiligt. Aber es ist echt schwer zu sagen, weil es sich ja über so einen langen Zeitraum hingezogen hat. Da haben am Anfang ein paar Leute ein Jahr lang etwas gemacht und dann nicht mehr, dafür sind wieder Leute dazugekommen.

Woher stammt das ganze alte Material aus den 70er und 80er Jahren?

Ratzi: Von vielen Menschen, Privatpersonen, also schon sehr alten Punks, die damals dabei waren und uns das zur Verfügung gestellt haben. Ein paar Sachen haben wir auch von Archiven bekommen, aber sehr viel ist eben von Alt-Punks gekommen. Da sind teilweise Leute aus der Versenkung auferstanden. Und man hört auch in der Ausstellung immer wieder von Leuten, die sich 20 Jahre nicht gesehen haben und jetzt tauchen sie wieder auf. Das ist lustig, wenn sich die auf Bildern wiedererkennen.

Wie ist aus dem vielen zusammengetragenen Material dann eine Ausstellung geworden? Hat sich da vieles einfach von selbst ergeben?

Lotte: Nein, wir haben uns zusammen hingesetzt und alles angeschaut, und uns dann ausgesucht, was wir nehmen, was wir sein lassen .Ein Foto nach dem anderen: ja, nein, ja, nein, nein, ja ...

Ratzi: Dabei war es uns wichtig, dass viele Eigendarstellungen von den Punks damals dabei sind, also Flyer, Aufrufe etc. Deswegen gibt es auch die große Fanzine-Wand, wo man alles Mögliche nachlesen kann. Denn sonst hat man nur die Zeitungsartikel, wo nur irgendein Scheiß drinsteht, aber von denen sind natürlich auch viele in der Ausstellung zu sehen.

Lotte: Und die sind auch spannend, um so das Bild und die Stimmung darzustellen, die zu der Zeit da war. Wir haben das auch als Gegenpol mit hineingenommen: Wie beschreiben das die Leute, denen das gerade passiert, und wie schreiben das die Zeitungen.

Hat sich an der Berichterstattung etwas verändert im Vergleich zu heute?

Lotte: Gewisse Sachen bleiben immer gleich: die deutschen Berufsdemonstranten und Terrorprofis kommen da nach Österreich und verführen die armen unschuldigen Kinder, die nie im Leben auf den Gedanken kommen würden, etwas Böses zu tun. Das ist eine Konstante. Ansonsten merkt man, dass es Anfang der Achtziger noch dieses Erstaunen gab: Da sind Leute, die schauen so komisch aus, und wer sind die eigentlich, was ist Punk überhaupt? Das ist heute nicht mehr die Frage in den Medien.

Und wie hat sich die Szene selbst verändert?

Ratzi: Es war viel weniger los. Wenn man die Berichte der älteren Leute hört, merkt man, dass den Leuten echt fad war. Die haben vielleicht ein- oder zweimal im Jahr ein Konzert gehabt ...

Lotte: ...da hat es fünf, dann vielleicht zehn Bands gegeben ...

Ratzi: ... und alle haben bei den anderen mitgespielt.

Lotte: Und jetzt gibt’s einfach unendlich viele Leute, die Szene ist breiter geworden.

Gab es für euch Überraschungsmomente bei der Auseinandersetzung mit der teilweise in Vergessenheit geratenen Geschichte des Wiener Punk?

Ratzi: Ich war prinzipiell überrascht, dass es früher so ähnlich war wie jetzt. Wenn ich die Flyer oder Fanzines lese: Es hat genau dieselben Probleme gegeben. Es gibt immer die, die eher unpolitisch sind und nur saufen, und die Politischen, die sich Kleinkriege untereinander liefern. Das hat mich gewundert, dass das früher auch so präsent war. Also ich finde, abgesehen davon, dass jetzt viel mehr los ist und sich die Szene stärker etabliert hat, hat sich eigentlich nicht so viel verändert.

Lotte: Ansonsten war es einfach interessant, sich mit dem Ganzen auseinanderzusetzen und diese Geschichte aufzurollen und dabei ein Gefühl für damals zu bekommen. Man versteht besser, warum bestimmte Sachen heute so sind wie sie sind, weil man mitbekommt, wie sich das entwickelt hat.

Ratzi: Beim Flex beispielsweise, das war früher so ein Underground-Schuppen. Das haben Leute aus der Ägidigasse gemacht, nachdem diese geräumt worden ist.

Kurz zur Erklärung, die „Ägidi/Spalo“ war seit Anfang der Achtziger besetzt und wurde 1987 durch einen brutalen Polizeieinsatz geräumt und anschließend abgerissen.

Ratzi: Genau. Und das dürfte ein echter Schock für die Szene gewesen sein. Die hatten davor für jedes Konzert ein anderes Lokal gemietet, dann haben sie selber was aufgemacht, und das war ein natürlich ein Underground-Schuppen. Und jetzt ist es halt übersiedelt und ein totaler Kommerz-Laden geworden.

Lotte: Da wundert man sich oft, dass da immer noch Punks rumhängen, aber wenn man die Geschichte kennt, weiß man: Okay, das war mal was anderes!

Beim Flex sind ja immer noch einige der Leute von damals dabei. Habt ihr die mal gefragt, wie die ihre Entwicklung selbst sehen?

Lotte: Nein. Wir sind eigentlich überhaupt relativ wenig herumgerannt, um Leute zu suchen, sondern wir haben eher geschaut, dass die Leute vorbeikommen. Irgendwelche Leute zu suchen, die ohnehin kein Interesse daran haben, das bringt’s nicht.

Ratzi: Außerdem haben wir sowieso schon so viel Material gehabt!

Ist die Geschichte der Wiener Punk-Bewegung angesichts von Räumungen und Kommerzialisierung von bestehenden Locations auch eine Geschichte des Scheiterns?

Lotte: Eigentlich nicht.

Ratzi: Vielleicht teilweise. Aber es gibt auch einige Häuser, die schon sehr lange bestehen, das EKH beispielsweise oder das Amerlinghaus, wo sich sehr viele linke Gruppierungen treffen. Natürlich rennt man oft dagegen an, aber ich denke mir, hin und wieder klappt’s, also bringt es schon was.

Lotte: Ich würde auch nicht von einem ewigen Scheitern reden, sondern eigentlich ist immer mehr daraus entstanden. Die 90er Jahre dürften recht komisch gewesen sein, da war viel Bullenstress, viel Nazi-Stress und die Leute waren eher auf dem Rückzug. Aber daraus hat sich in den 2000er Jahren wieder was entwickelt und jetzt ist die Bewegung eigentlich so breit wie nie. Auch wenn man Kämpfe verloren hat, sind es trotzdem immer mehr Leute geworden und die Bewegung damit stärker. Es ist immer wieder was Neues passiert. Das eine verkommerzialisiert, dafür gibt’s dann wieder was anderes – es geht einfach immer weiter.

Aus der Ausstellung soll ein Punk-Archiv entstehen. Was genau ist da geplant?

Lotte: Wir haben so viel Zeug, dass wir nicht alles ausstellen konnten, und es wäre schade, wenn das wieder in der Versenkung verschwinden würde. Deshalb haben wir beschlossen, da ein Archiv draus zu machen, damit das erhalten bleibt – so konservativ, wie wir sind!

Ratzi: Es soll alles digitalisiert werden, damit sich die Leute das dann anschauen können. Und wenn dann wieder jemand eine Punk-Ausstellung machen will, wird’s für ihn leichter werden.

Lotte: Außerdem kommen immer noch Leute zu uns und sagen: Ich hab da noch was ... Es wäre schade, wenn das ganze Zeug verschwinden würde, weil damit ja auch unsere Geschichte verschwindet. Und weil wir dann auch nicht mehr imstande wären, unsere Geschichte selbst auszustellen, und auf solche Ausstellungen wie die in der Kunsthalle angewiesen wären. Dann würden andere unsere Geschichte schreiben und da kommt dann, wie man sieht, nur Scheiße heraus. Zumindest aber etwas, wo der politische und aufrührerische Aspekt nicht mehr da ist, was dann nur eine steife Hochglanz-Geschichte ist, die mit dem, was eigentlich passiert, nichts zu tun hat.