RIVAL SCHOOLS

Foto

Von alten Zeiten und neuen Pedalen

Cache Tolman steht der Vorabend ins Gesicht geschrieben. RIVAL SCHOOLS stellten ihr neues Album „Pedals“ im Berliner Lido vor und der Bassist feierte den Einstand seines zweiten Longplayers mit „a little too much beer“, wie er am darauf folgenden Tag bleich und mit schuldbewusstem Blick im Interview gesteht. Es ist ihm sichtlich unangenehm, mit gewaltigem Kater vor die Presse zu treten. Macht aber nix, schließlich ist er der journalistischen Investigation nicht alleine ausgeliefert. Bandkopf Walter Schreifels, seinerseits Hardcore-Legende und Bandgründer, hat den Abend unbeschadet überstanden und steht Tolman zur Seite.

Schreifels freut sich, dass „Pedals“ nun endlich auch in Deutschland erscheint. Das Album ist nämlich seit Ende 2009 fertig. Dass es mit der Veröffentlichung so lange gedauert hat, lag daran, dass RIVAL SCHOOLS – neben Schreifels und Tolman bestehend aus Sammy Siegler (Drums, früher unter anderem bei YOUTH OF TODAY und CIV) sowie Ian Love (Gitarre) – ewig mit zahlreichen Labels verhandelten, wie Schreifels erzählt. Eine gewisse Zeit lang war Vagrant der Favorit der Band, schließlich entschied man sich aber für Warner Music, wo das Deutschlandrelease der zweiten Veröffentlichung dieser „Hardcore Supergroup“ (NME) für März 2011 angesetzt ist. „Pedals“ schließt an den Vorgänger „United By Fate“ (2001) an, ist jedoch besser produziert und präsentiert zuweilen ein groovigeres, vertrackteres Songwriting als der Vorgänger, der wegen einer fünfjährige Bandpause (2003-2008) zehn Jahre zurück liegt. Angesichts von Schreifels Vita waren neben „Pedals“ aber auch die alten Zeiten des Hardcore ein zentrales Thema unseres Gespräches.

Walter, du sagtest mal über deine drei Bandkollegen „These guys don’t fit into any band“. Wie darf man das verstehen?

Walter: Damit meinte ich, dass Ian, Sammy und Cache sehr eigenwillige Charaktere sind. Sie lassen sich beim Songwriting niemals unterbuttern, sondern bestehen darauf, ihre Ideen einzubringen und den Sound auf ihre Weise mitzuprägen. Und das finde ich gut! Deswegen war das Zitat auch sehr positiv gemeint, denn es bedeutet, dass die drei niemals in einer Band spielen könnten, in der es nur einen Songwriter gibt, dessen Anweisungen die restlichen Bandmitglieder umzusetzen haben.

Trotzdem stehst du im Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn es um RIVAL SCHOOLS geht.

Walter: Mag sein, das ist aber ein verzerrtes Abbild des wirklichen Bandgefüges. Klar, ich habe die Band gegründet, aber anders als bei manchen meiner früheren Bands bin ich nicht der Hauptsongwriter. Nimm die GORILLA BISCUITS – hier habe ich alle Songs geschrieben und die Musik dominiert. Natürlich habe ich auch da mit tollen Musikern und tollen Menschen zusammengespielt. Rein musikalisch war das aber mehr oder weniger eine Walter-Schreifels-Ego Nummer. So etwas sollte RIVAL SCHOOLS nie werden. Deswegen habe ich mich nach Musikern umgesehen, die willens und fähig sind, Songs aktiv zu gestalten, als ich die Band Anfang des Jahrtausends gründete. Und das war auch ein Grund, warum wir uns 2008 wieder zusammen getan haben: Nach der GORILLA BISCUITS-Reunion-Tour sehnte ich mich nach diesem Miteinander zurück, das RIVAL SCHOOLS ausmacht. Diese intensive Interaktion zwischen uns und dieses Songwriting, an dem sich alle beteiligen – das sind auch die Gründe, warum ich ein zweites Album mit den Jungs machen wollte.

Was hast du von der GORILLA BISCUITS-Reunion-Tour für dich mitgenommen?

Walter: Zweierlei: Einerseits sind die GORILLA BISCUITS ein Stück Hardcore-Tradition und die Reunion-Tour zeigte deutlich, dass die Band immer noch sehr wichtig für die Szene ist. Das macht mich stolz und froh. Andererseits stellte sich nach der Tour auch eine gewisse Ernüchterung ein. Denn auch wenn die Gigs schön waren – diese magischen Momente der späten Achtziger werden wir nicht wieder zum Leben erwecken können. Diese Zeiten sind vorbei und es wird kein neues GORILLA BISCUITS-Album geben. Deswegen haben die einen ganz anderen Stellenwert für mich als RIVAL SCHOOLS. Denn hier geht es jetzt darum, sich Mal für Mal neu herauszufordern und sich musikalisch weiterzuentwickeln, auch wenn das nicht immer ganz leicht ist.

Nun hast nicht nur du in einer geschichtsträchtigen Hardcore-Band gespielt. Sammy war bei YOUTH OF TODAY und Cache bei ICEBURN, was manche Magazine dazu verleitet hat, RIVAL SCHOOLS als die „Hardcore Supergroup“ zu bezeichnen.

Walter: Ach, die Presse schreibt doch, was sie will. Ich finde diese Bezeichnung misslungen, denn ich assoziiere Hardcore mit einem bestimmten Sound, der zu einer bestimmten Zeit passte. Deswegen sagte ich auch gerade, dass wir diese Zeit – eben die späten Achtziger – nicht wieder zum Leben erwecken können. Diese Assoziation ist auch der Grund, warum ich heute keine Hardcore-Songs mehr schreibe. Das heutige Verständnis von Hardcore passt nicht zu der Vorstellung, die ich mit Hardcore verbinde, denn heute bezeichnen sich auch viel zu viele aufgestylte Metal-Bands als Hardcore. Für mich steht Hardcore aber für 7 SECONDS, MINOR THREAT, BLACK FLAG und NEGATIVE APPROACH. Oder dafür, dass ich laut AGNOSTIC FRONT-Tapes in meiner Boombox auf der Straße höre und mich die Passanten fragen: „What is that? It sounds terrible!“

Alle RIVAL SCHOOLS-Mitglieder haben in der Zeit zwischen 2003 und 2008 in diversen Projekten und Bands gespielt. Welchen Einfluss hat das auf euer zweites Album „Pedals“ gehabt?

Walter: Durch diese Projekte haben wir uns alle deutlich weiterentwickelt, weil wir die verschiedensten Erfahrungen gesammelt und sie in das Songwriting von „Pedals“ eingebracht haben. Es ist aber noch viel wichtiger, dass „Pedals“ unter ganz anderen Umständen entstanden ist als das erste Album. „United By Fate“ schrieben wir fast unter Zwang. Wir hatten damals einen Plattenvertrag mit Island, jedoch weder einen Bandnamen noch ein Album fertig. Wir sollten die Platte aber zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern. Das war nun bei „Pedals“ komplett anders. Das Album wollten wir machen! Ich sage bewusst „wollten“, weil der Impuls von uns ausging – kein Label und kein Management hat uns genervt, denn wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch gar keinen Plattenvertrag. So haben wir die kompletten Aufnahmen selber organisiert, uns ein Studio gesucht und die Songs organisch entstehen lassen.

Cache: Rein musikalisch würde ich sagen, „Pedals“ ist eine gute Weiterentwicklung von „United By Fate“. Klar, man hört den RIVAL SCHOOLS-Sound ganz deutlich raus. Stücke wie „Choose your adventure“ und „69 Guns“ sind aber deutlich grooviger als unsere vorherigen Sachen. Ich denke, das liegt daran, dass wir zu Beginn erst einmal Songs in der Art geschrieben haben, wie sie auch auf „United By Fate“ waren. Je mehr wir uns dann aufeinander eingespielt hatten, desto mehr sind wir aus diesem Muster ausgebrochen und haben Neues probiert. Mal sehen, vielleicht wird das nächste Album dann noch grooviger.

Walter: Richtig, wir arbeiten schon an der nächsten Platte. „Pedals“ ist ja schon seit über anderthalb Jahren fertig. Das Album kam ja bislang nur noch nicht heraus, weil wir keinen Plattenvertrag hatten.