THEE WYLDE OSCARS

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Talent borrows, genius steals

Als ich mir „Right, Yeah“, die im April 2010 auf Off The Hip Records erschienene Debüt-CD der WYLDE OSCARS, anhörte, war ich nicht wirklich erstaunt darüber, wie die simple, aber dennoch nicht vorhersehbare Mischung aus Garage, R&B, Soul und Punk auf Albumlänge funktioniert. Da war das kleine Quentchen Stilsicherheit und Professionalität, welches man häufig bei Debütveröffentlichungen in ähnlichen Genres vermisst. So überrascht es auch nicht, dass Jay Wiseman, der ursprünglich aus San Diego stammende Sänger, Gitarrist und Hauptsongwriter der Band, bereits seit Anfang der Achtziger in amerikanischen R&B- und Garage-Bands spielt, wie THE TREBELS, THE EVIL EYES und THE HOODS. Anfang 2000 zog Wiseman zusammen mit seiner australischen Frau nach Melbourne, wo das Paar einige Jahre lang gemeinsam bei den DEVIL DOLLS spielte und eine CD veröffentlichte (Review siehe Ox #52). Ich unterhielt mich mit Jay nach einem Gig in der Melbourner Cherrybar.

Jay, schon wieder eine neue Band, wie kommt’s?

Vor den WYLDE OSCARS hatte ich eine andere Band namens THE TRASH HEARTS. Wir waren beeinflusst von Boogie und englischem Glamrock, dieser Chugga-chugga-Rock’n’Roll, Marc Bolan und frühe Bowie-Sachen. Einige dieser Einflüsse finden sich jetzt bei den WYLDE OSCARS wieder, zum Beispiel die Coverversion von „White light, white heat“. Bowie hat das zu „Ziggy Stardust“-Zeiten auch gecovert. Für die WYLDE OSCARS habe ich über das Messageboard Melband jetzt ein paar jüngere Musiker gefunden. Jetzt möchte ich den Garage-Sound als Formel beibehalten, aber mit verschiedenen Musikern, die jeweils ihren eigenen Stil und eigene Einflüsse mit einbringen, klingt das Endresultat dennoch immer verschieden. Die Band gibt es jetzt also seit 2008, die Aufnahmen haben sich allerdings ein wenig verzögert, da unser Bassist Japaner ist, und er hat keine australische Staatsbürgerschaft. Um sein Visum zu verlängern, musste er zwischendurch auf den Plantagen in Queensland Obst pflücken. Dann ist der Vater von unserem Gitarristen bei einem Unfall ums Leben gekommen. Das Album „Right, Yeah“ ist letztes Jahr im April auf Off The Hip erschienen, wir hatten es aber schon im Juli 2009 aufgenommen.

Ihr habt jetzt mit „Do The Wylde“ auch eine Platte auf einem deutschen Label.

Ja, ich habe CopaseDisques kontaktiert, das ist ein kleineres Label, auf dem aber eine Reihe guter Bands sind. Ich dachte mir, dass wir gut ins Labelprogramm passen würden, und sie haben eine kleine Booking-Agentur. Wir wollen im März/April 2011 in Spanien, Frankreich und Deutschland touren, da macht eine Veröffentlichung auf einem europäischen Label natürlich Sinn. Ausserdem wollte ich gerne, dass unsere Platte auf Vinyl herauskommt, ich liebe Vinyl. Das Artwork ist von Darren Merinuk.

Was veranlasst dich, nach so langer Zeit und neben deinen familiären Verpflichtungen immer noch Musik zu machen?

Ich kann einfach nicht damit aufhören. Ich brauche ein Ventil für meine Kreativität, ansonsten wäre ich wirklich frustriert. Oder ich würde meine Frau verrückt machen. Es ist einfach eine Leidenschaft, in gewisser Weise schon fast eine Sucht. Als meine Frau und ich die DEVIL DOLLS aufgelöst haben, weil wir Nachwuchs bekommen hatten, habe ich gemerkt, dass mir etwas fehlt. Ich bin da schon fast depressiv geworden. Deshalb habe ich diese neue Band gegründet.

Wie ist es in Melbourne zu spielen im Unterschied zu San Diego?

Melbourne ist eine Rock’n’Roll-Stadt. Es gibt hier weitaus mehr Venues, in denen man einen Gig spielen kann, als in San Diego und auch sogar mehr als in L.A. In den USA kann man als Musiker wirklich kein Geld verdienen, ausgenommen wenn man tourt. Ich kenne ungefähr fünf Leute in den USA, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Ihr spielt auch ein Cover der deutschen Band THE PACK. Wie bist du darauf gekommen?

Tony the Tyger, ein alter Freund von mir aus San Diego, der als DJ arbeitet und Compilations herausbringt, hatte mir Anfang der Neunziger die Platte vorgespielt. Ich mochte den Song „Nobody can tell us“ schon immer, es ist ein wirklich guter Song. Für mich hört er sich wie ein Sixties-Soul-Ripper an oder wie ein R&B-Song. Meiner Meinung nach gibt es eine Menge Songs, die als Punk bezeichnet werden, die aber letztendlich eher wie R&B klingen.

Was hat Oscar Wilde mit dem Ganzen zu tun?

In San Diego habe ich viele Jahre in der Mod-Szene verbracht. An der Mod-Kultur mochte ich schon immer den Dandy-Aspekt. Heute bin ich immer noch Mod, ich liebe R&B und ich habe einen Motorroller. Als ich über einen Namen nachgedacht habe, hatte ich gerade was von Oscar Wilde gelesen, der ja eine Art Ur-Dandy war, und bin auf seine Zitatensammlung gestoßen. Ich habe dann im Internet recherchiert und es gab in den Achtzigern schon mal eine irische Band namens THE WILDE OSCARS. Daher habe ich das „Wilde“ in „Wylde“ umgeändert, so wie viele Sixties-Bands, zum Beispiel THE BYRDS, das gemacht haben. Auf unserer MySpace-Seite habe ich auch einige Aphorismen von Oscar Wilde, mein Lieblingszitat ist: „Talent borrows, genius steals.“

Was hat es mit dem Rock’n’Roll-Manifest auf eurer MySpace-Seite auf sich?

Das ist nicht so ernst gemeint, ich wollte einfach ein bisschen smart klingen. Mein Konzept bezüglich Bands ist, dass es dabei eine gewisse Methode gibt. In einer Band zu spielen, sehe ich nicht als Kunst an, Kunst ist ein viel zu großes Wort dafür. Ich habe über die Jahre nur gelernt, Musik möglichst simpel zu halten und sie möglichst geradeaus zu spielen. Ich gehe das Ganze eher an wie ein Tischler. Man erlernt sein Handwerk, man arbeitet hart, man erschafft etwas, um dann damit abzuschließen und sich dem nächsten Projekt zu widmen. In meinen Bands in San Diego war ich zum Beispiel nur Leadsänger, für die DEVIL DOLLS habe ich zusätzlich Gitarre spielen gelernt, wobei ich sagen muss, dass ich nur down-strums spielen kann, so wie die RAMONES. Jetzt bei den WYLDE OSCARS singe ich, ich spiele Gitarre und zusätzlich Mundharmonika. Mit dieser Platte, die Garage, Soul und Punk enthält, bin ich zur Zeit zufrieden, es ist eine gute Ausgangsbasis. Irgendwann möchte ich aber doch dahin kommen, einfach gute Pop-Songs zu schreiben.