VOODOO RHYTHM RECORDS

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Here to ruin your party

Beat „Beat-Man“ Zeller ist der einzige echte Rock’n’Roller, den die Schweiz zu bieten hat. Seine MONSTERS waren vor zwanzig Jahren eine der ersten europäischen LoFi-Garage-Trashpunk-Bands, er war als Wrestler und als Prediger unterwegs, bereiste Nord- und Südamerika, Europa und Japan, um den Eingeborenen zu vermitteln, dass es nicht mehr braucht als eine alte Gitarre, ein Mikrofon und eine kleine Bühne, um eine teuflisch mitreißende Show abzuziehen. Mit Voodoo Rhythm betreibt Beat-Man im heimischen Bern überdies ein feines, kleines Label mit einem großen Herz für Vinyl, auf dem er neben den eigenen Platten die befreundeter Bands veröffentlicht. Jüngst erschien mit „Records To Ruin Any Party“ zum dritten Mal eine umfassende Labelcompilation, die ich zum Anlass für dieses Interview nahm.

Beat-Man, was machst du derzeit? Ich habe gehört, du machst irgendwas am Theater? Wie kann man sich das vorstellen?

Ich mache seit Mitte der Neunziger bei einer unabhängigen Theatergruppe aus Bern mit. Die nennt sich „Club 111“ und steht für etwas außergewöhnliche Darbietungen, sehr guerillamäßig, viel auch vermischt mit Musik und so weiter. Das erste Stück, bei dem ich mitspielte, war ein Kinderstück. Mit den Jahren habe ich ein Problem mit meinem Hirn bekommen, so dass ich mir längere Texte nicht mehr merken kann. Jetzt haben sie aber „Popeye“ inszeniert und mich gefragt, ob ich den Popeye spielen will. Ich habe zugesagt, bloß unter der Bedingung, dass es textlos ist. Und so ist es jetzt geworden, ein Stummfilmtheater, aber es machen auch viele andere, „richtige“ Schauspieler mit. Unter anderem Mike Reber, auch bekannt als Wurstfinger von den Berner Industrial-Pionieren HERPES Ö DELUXE, der einen fantastischen Brutus spielt, oder Jacky von den JACKEST als Olive Oil, hahaha ... Wir versuchen nun, landauf, landab zu spielen, und das macht mächtigen Spaß. Ist auch sehr spontan alles, wir machen nun eben anstelle von Text nur die Geräusche. „Popeye“ spielt in der großen Depression in den Dreißigern. Klasse Thema und sehr „politisch unkorrekt“.

Was machen deine musikalischen Aktivitäten? Irgendwie ist das bei dir ja schwer zu sagen, welche Band, welches Projekt gerade wie aktiv ist.

Das ist auch für mich schwer zu sagen. Ich lasse mein Leben laufen und es führt mich immer an andere Orte. Zur Zeit mache ich die üblichen Sachen wie die MONSTERS oder die REVEREND BEAT-MAN ONE MAN BAND. Aber nebenbei gibt’s da das Reverend Beat-Man-Akustikset, das dann auch für Leute in meinem Alter zugänglich ist, hahaha. Wenn ich in größeren Städten spiele, habe ich ja immer verschiedene Backing-Bands. Das heißt, ein Monat vor dem Gig wird der Promoter kontaktiert und er sucht Musiker, die gerne mit mir spielen wollen, ich schicke ihnen dann die CD. Und wenn ich vom Flughafen komme, gehen wir entweder direkt in den Club, um im Backstageraum schnell die Songs durchzugucken, oder wenn die Band nicht so sicher ist und die Zeit reicht, geht’s noch schnell in den Übungsraum, das macht auch Riesenspaß. Meine Songs sind ja sehr einfach und jeder kann sie spielen mit einem geringen Aufwand an technischem Können. Außerdem habe ich noch meine Anarcho-Tanzkapelle DIE ZORROS, mit Guz und Patrick Abt, bei der wir jetzt gerade dabei sind, eine neue Platte einzuspielen.

2009 war ja wohl sowohl ein schwarzes wie auch ein Glücksjahr für dich: Einerseits hätte dich sowie dein Label Voodoo Rhythm eine horrende Forderung der Schweizer GEMA namens SUISA beinahe ruiniert, andererseits hat dich die beeindruckende Solidarität der Voodoo Rhythm-Fans mittels Spenden gerettet.

Ich bin in eine Maschinerie geraten, die ich immer versucht habe, von mir fernzuhalten. Durch diese großartige Solidarität und diese großartigen Leute, die unsere Produkte kaufen und auch leben, haben wir den Mut nicht verloren, und kämpfen immer noch gegen ein paar unsinnige Sachen – wie eben diese Mechanical-Rights-Geschichten bei GEMA und SUISA. Aber wir probieren, so gut es halt auch geht, mit ihnen zusammenzuarbeiten. SUISA ist ja eigentlich ’ne gute Sache und als Genossenschaft aufgebaut. Was mir aber daran sauer aufstößt, sind die Gehälter, die die Leute ganz oben kassieren. Für eines ihrer Jahresgehälter müsste ich zehn Jahre arbeiten, und sie werden ja von meinem Geld bezahlt. Ich glaube, da muss sich was ändern, auch die direktere Zusammenarbeit mit den Künstlern. Da hat sich jetzt auch schon vieles getan, die Leute von FILEWILE, einem Berner Elektronik-Projekt, sind da zum Beispiel sehr aktiv, die wollen genauso, dass sich was ändert, und sind auch sehr gut im Kommunizieren mit der SUISA. Ich hingegen bin nicht so sprachgewandt, also überlasse ich das lieber denjenigen, die besser in so was sind.

Was sind die aktuellen Labelaktivitäten, was ist für 2011 geplant? Es ist ja etwas ruhiger geworden um Voodoo Rhythm – woran liegt das?

Ja, es ist ruhiger geworden, durch die SUISA-Sache müssen wir jetzt Verträge mit unseren Bands machen und sie ins Publishing einbinden, so dass wir nicht soviel Lizenzen zahlen müssen und nicht nur Minus machen. Das gefällt vielen Bands natürlich nicht. Wir sind jetzt etwa ein Jahr lang dran gewesen mit den Band-Anwälten, haben uns mit Verträgen und so einer Scheiße rumgeschlagen. Macht alles absolut keinen Spaß, aber da müssen wir jetzt durch. Es ist am Schluss auch gut für unsere Bands, da ist dann alles korrekt und wir können auch Mechanical-Beiträge für unsere Bands zurückfordern beispielsweise. Das bedeutet aber einfach enorm viel Aufwand für eine Band, von der wir vielleicht, wenn’s hoch kommt, 2.000 Stück verkaufen. Anyway, ich glaube, die Großen haben da irgendwie den Bezug zur Realität verloren und denken, wir stecken immer noch in den Achtzigern. Was aktuell anliegt, ist eine Voodoo Rhythm-Compilation, als Doppelvinyl und CD, und dann neue Sachen von PUSSYWARMERS, JUKE JOINT PIMPS, MONSTERS, ZORROS ... Es nimmt einfach kein Ende.

Wie schwer ist es geworden für ein kleines Label wie Voodoo Rhythm? Oder kann man sich als Einzelkämpfer immer noch behaupten mit seiner Kunst?

Klar kann man das. Wir haben als Idealisten angefangen und werden auch daran sterben. Der Weg ist ganz ein anderer, als wenn man eher kommerziell vorgehen würde. Wir probieren aber natürlich schon, etwas Geld zu machen, um auch alles zu bezahlen, aber reich werden ist eindeutig nicht ein Ziel, das wir anstreben. Das ist dann eben immer auch eine Gratwanderung, wenn man sich mit Behörden auseinandersetzen muss, ich bin darin sehr, sehr schlecht, meine Mitarbeiter sind schon viel besser in solchen Sachen. Aber noch etwas muss gesagt werden: Wir machen keine Kunst, wir machen Produkte, das ist ein großer Unterschied. Wir versuchen, Produkte zu machen, die sich abheben und die auch anregen. Zum Vergleich: Es gibt das Hartz-IV-TV, das RTL und Konsorten auf die Massen loslassen, und im Gegensatz dazu das Programm von Arte, das auch auf die Massen losgelassen wird, aber eindeutig vielschichtiger und nachhaltiger ist ... das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Anyway, wir gucken Arte.

Du schriebst mir neulich: „Was für ein großartiges Leben wir doch haben, immer um Musik rum, was will man mehr?“ Du lebst also das Leben, das du immer leben wolltest?

Ja, genau, in vollen Zügen, und ich liebe es, das habe ich schon von meinen Eltern mitbekommen. Wenn man etwas will, kann man dafür arbeiten, mit der Betonung auf „kann“. Arbeit sollte nie ein Muss sein. Wir Menschen sind geboren zum Arbeiten. Wenn ich auf einer einsamen Insel leben würde, würde ich nicht nur dasitzen und nichts machen. Ich würde mir ein Haus bauen, Tiere erlegen, kochen, und es mir auch gutgehen lassen ... Jetzt lebe ich aber in Bern, also mache ich andere Sachen, und wir haben das Glück, dass wir unter keiner Diktatur oder faschistischen Regierung leben, sondern uns so verwirklichen können, wie wir wollen, und das müssen wir uns auch bewahren, eben das und nicht nur immer ausrufen, wie scheiße es hier doch ist.

Wo sitzen eigentlich die meisten Voodoo Rhythm- und Beat-Man-Fans? Du warst ja schon in vielen Ländern unterwegs.

Das wechselt immer. Zur Zeit liegt der Rock’n’Roll im Sterben, so wie Mitte der Neunziger. Aber Deutschland ist immer an vorderster Front, das sind die treuesten Fans und seit den Sechzigern fest mit dieser Musik verbunden. Zur Zeit ist auch Frankreich sehr gut für uns, die Benelux-Länder sowieso. USA geht so, nicht überragend. Das Gleiche gilt für Japan und Australien, obwohl wir dort auch unseren Fuß in der Tür haben.