ALPINIST

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Bergsteiger aus dem Münsterland

Ende 2010 erschien „Lichtlaerm“, die zweite LP von ALPINIST auf Phobiact/Vendetta. Die seit 2007 aktive Band gehört mittlerweile zu einer festen Größe in der deutschen Hardcore-Landschaft und hält bei der neuen Platte an Altbewährtem fest, geht jedoch, was Ton und Text betrifft, auch neue Wege. Während ihr Debüt„Minus.Mensch“ mit einer fiesen Crust-Kante aufwartete, erscheint das neue Werk sphärischer, konzeptueller und „gemäßigter“, was jedoch auf keinen Fall bedeutet, dass „Lichtlaerm“ kein keifender Haufen Zorn ist. Hier entlädt sich der gewaltige Unmut junger Menschen, die mit ganzer Leidenschaft Musiker sind, wobei es ihnen gelingt, mit feiner Beobachtungsgabe die Probleme und Missstände unserer Welt so auf den Punkt zu bringen, dass sie einem oft aus der Seele sprechen. Darüber hinaus belassen es ALPINIST nicht bei Worten, sondern engagieren sich in ihrer Heimatstadt Münster auch für die Schaffung kultureller Freiräume. ALPINIST machen Hardcore, wie er sein sollte: kraftvoll, rabiat und anprangernd, aber auch als Ausdruck einer aktiven und aufgeklärten Gegenkultur. Anfang Januar waren die unermüdlichen Alpinisten wieder auf Tour und wir trafen uns zum Gespräch.

Im Textheft steht, dass die Arbeit an der neuen Platte äußerst kräfteraubend war und sich der gesamte Prozess über ein halbes Jahr hingezogen hat. Was war da los?

Julian: Also, ich glaube, dass es gerade am Anfang etwas schwierig war. Das lag an mehreren Sachen. Zum einen brauchen wir immer ein bisschen länger, um wieder in einen regelmäßigen Proberhythmus zu finden. Das ist aber immer so, vor allem, wenn wir länger unterwegs waren, auf Tour oder so. Irgendwann haut das aber dann immer hin. Dazu kam noch, dass wir zwischendurch mit dem Proberaum umgezogen sind. Im alten Proberaum war es teilweise echt zu kalt, da konnten wir nie proben. Danach haben wir den alten Proberaum nur noch für Konzerte genutzt und irgendwann sah es da drin echt nicht mehr gut aus. Im Januar sind wir dann in einen neuen Raum gezogen, den wir uns nach unseren Vorstellungen ausgebaut und eingerichtet haben. Von da an hatten wir auch richtig Lust zu proben, das hat man direkt gemerkt, das ging flüssig ab.

Benny: Ja, das war auch deshalb immer sehr stressig, weil das Ganze noch zur Hochzeit der Konzertgruppe ND12 geschah. Weil die Baracke in Münster kaputt ist und wir es schwer haben, dort Konzerte zu machen, haben wir die Konzerte bei uns im Proberaum veranstaltet. Teilweise waren das echt viele Konzerte und wir mussten jedes Mal alles umstellen. Dann kommt man nach einem Konzert wieder in den Proberaum und muss erstmal eine halbe Stunde alles umräumen, bevor man proben kann. Das knickte dann teilweise die Lust zu proben.

Wie steht es zur Zeit um die Gruppe ND12, mit der ihr euch in Münster aktiv für die Schaffung von Räumen für Bands und Musiker engagiert habt?

Benny: Die Konzertgruppe gibt es immer noch, aber das Problem war, dass wir nur die ersten zwei Monate Zeit hatten, die Baracke in vollem Umfang zu nutzen, dann wurde es schwierig, weil die Baracke abgerissen werden sollte und wir immer nur feste Terminzusagen im Zeitraum von einem Monat im voraus machen konnten. Das ist dann natürlich schwer, Bands zu buchen, die etwas Planungssicherheit brauchen. Von diesem Zeitpunkt an ging meist alles nur ziemlich spontan. 2010 haben wir dann mit ND12 nur fünf oder sechs Konzerte gemacht, sowie regelmäßig die Punkbar, die auch bis heute sehr gut gelaufen ist. Das ist halt alles, was ging. Dinge, die spontan organisiert wurden. Alles andere, auch Konzerte, auf die wir mehr Bock gehabt hätten, war unter diesen Umständen nicht möglich. Schade.

Gibt es die Möglichkeit, etwas Neues zu schaffen?

Benny: Die Uni sagt: „Die Baracke soll wieder aufgebaut werden.“ Ich glaube auch, dass das passiert, nur der Zeitraum ist fraglich. Die Uni – zu der die Baracke gehört – meinte, dass die Baracke zum neuen Semester wieder hochgezogen sein soll. Das glaube ich nicht. Meine Einschätzung ist, dass es ein halbes bis ein Jahr dauern wird, bis das Ding wieder steht und wir dort wieder Konzerte machen können, was superschade ist, weil wir bis dahin alles absagen müssen.

Während sich die Texte bei „Minus.Mensch“ um unmittelbare Gedanken und das Private des Erzählers drehten, habe ich den Eindruck, dass bei „Lichtlaerm“ die Perspektive etwas weiter gefasst wurde und gesellschaftliche Konflikte im Fokus stehen.

Julian: Es kann gut sein, dass die Perspektive breiter geworden ist und die Texte nicht mehr so egozentrisch sind. Ich weiß jetzt gar nicht, ob es etwas gibt, das dem zu Grunde liegt, das zieht sich auf jeden Fall so durch. Es ist so, dass es einen abgesteckten Zeitraum von vielleicht zwei Wochen gibt, in dem ich mir überlege, dass ich so langsam anfangen müsste, Texte zu schreiben. In diesem Zeitraum kann es aber auch mal sein, dass tagelang nichts passiert und dann schreibe ich in zwei Tagen wieder vier Texte am Stück. Im Grunde ist das total unstet, aber entscheidend ist dann, dass sich, wenn ich mir am Ende alles durchlese, ein roter Faden durch die Texte zieht, und das finde ich wichtig. Deswegen kommt es wohl auch zu diesem Perspektivenwechsel, dass es nicht mehr so sehr um meine Person geht, sondern mehr um gemeinsame Sachen, die viele Menschen teilen.

Neu ist auch, dass sich in den Texten immer wieder englische Passagen finden beziehungsweise der Text zu „Rogen“ fast komplett in englischer Sprache verfasst wurde.

Julian: Wir hatten das früher schon, dass wir einzelne englische Wörter in den Texten hatten. Bei dem Text „Rogen“ stimmt das allerdings, das ist neu. Manchmal hat man Sätze einfach auf Englisch im Kopf, das hört sich einfach schlüssiger an und man schreibt das einfach runter. Manchmal macht man es auf Deutsch oder andersrum. Je nachdem, ob ich das Gefühl habe, dass es kompakter oder schlüssiger ist.

Der Gesang erscheint auf „Lichtlaerm“ klarer als auf „Minus.Mensch“. Die sehr crustige zweite Stimme kommt kaum noch zum Einsatz respektive ist nicht so präsent.

Julian: Mein persönlicher Geschmack geht eher in die Richtung, dass ich es gut finde wenn auf jeden Fall klar wird, dass es eine Hauptstimme gibt; in diesem Fall ist es egal, welche. Das ist jetzt etwas doof, dass gerade ich das sage, weil ich genau diese Hauptstimme bin, haha.

Benny: Der Eindruck kommt auch daher, dass der Gesang auf „Lichtlaerm“ etwas lauter gemischt ist als auf „Minus.Mensch“, weil wir viel Wert darauf gelegt haben, dass es einfach „fett“ klingt und auf die Schnauze gibt, während wir bei „Lichtlaerm“ mehr hörbaren Gesang und eher eine Hauptstimme haben. Das hat sich, wie ich finde, bei den Songs auch mehr angeboten.

Wie kam es, dass ihr musikalisch so eine harte Schiene fahrt? War das eine bewusste Entscheidung, bevorzugt ihr diese Musikrichtung auch privat?

Hendrik: Es ist so, dass wir von Anfang an Musik gemacht haben, die uns gefällt und die wir auch privat hören. Ich kannte am Anfang wenig Bands und habe vieles über Benny kennen gelernt. Dadurch kam es dann auch, dass wir uns getroffen haben, um zusammen Musik zu machen. Ich glaube, viel mehr ist da gar nicht dahinter gewesen, was nun das Musikalische angeht. Wir gehen in den Raum und machen einfach das, worauf wir Lust haben, und es ist auf keinen Fall so, dass wir denken, wir müssen jetzt klingen wie die Band oder die Band. Es ist einfach das, was wir machen wollen, und kein Abklatsch. Ich hoffe, das hört man auch.