TONMEISTEREI

Foto

Aufnahmefähig

Wer bei seinen Lieblingsplatten darauf achtet, wo sie aufgenommen wurden, stößt immer wieder auf den Namen der „Tonmeisterei“. Das 24-Spur-Studio in Oldenburg hat sich in den letzten Jahren zu einer der ersten Adressen für Punkrock, Hardcore und Artverwandtes entwickelt, und so befragte ich Tonmeister Roland „Role“ Wiegner zu seiner Arbeit.

Role, please introduce yourself! Wer bist du, was machst du, wie kommst du zu einem Studio und wer hat dir gezeigt, wie man das macht, was du machst?

Tatsächlich habe ich eine oder sogar zwei Ausbildungen. Aber mal so ganz von Anfang an gesehen war der Beruf schon verdammt früh meine Passion. Blutjung interessierte ich mich bereits total für Technik und Musik. Ich kann mich noch sehr gut dran erinnern, wie ich immer jeden Technikprospekt eingeatmet hatte. Keine Ahnung, wie oft ich zum Beispiel den Roland-Synthie-Prospekt aus den Achtzigern durchgeschmökert hatte ... Der Berufswunsch war dann irgendwann glasklar. Zuerst habe ich in Bremen eine Ausbildung zum Radio-und Fernsehtechniker begonnen, da das eine Voraussetzung für die damalige Ausbildungsschule für Tontechniker in Nürnberg war. Als ich diese Ausbildung fertig hatte, gab’s diese Tontechnikerschule allerdings nicht mehr! Tsss. Daraufhin bin ich nach Berlin gezogen, um dort die School of Audio Engineering/SAE, zu absolvieren. Damit ist man zwar immer noch kein diplomierter „Tonmeister“, von der Fachkompetenz her sollte das mittlerweile aber doch schon so einigermaßen reichen, haha. Ich bin halt ein absoluter Pragmatiker und Autodidakt. Die meisten Tricks und Kniffe lernt man ja erst mit der täglichen Arbeit. Und das ist auch das Tolle an dem Beruf. Ich genieße wirklich diesen großartigen Vorzug, ständig in einem Bereich forschen zu dürfen, der einen Großteil meines Lebens und meiner Leidenschaft ausfüllt. Und so stelle ich auch wirklich immer wieder und jedes neue Jahr erstaunt fest, dass der Weg noch nicht abgeschlossen ist. Das ist doch auch super. Wäre ja langweilig, wenn ich mich irgendwie nicht mehr weiterentwickeln könnte. Es reizt mich jedes neue Projekt immer neu und ich versuche dieses wieder noch besser zu machen, als das letzte.

Was waren deine letzten Produktionen, was steht an?

Kürzlich haben wir die neue LASTING TRACES-Scheibe vollendet, zudem hat Robin im Winter das neue Album von RITUAL hier produziert. Danach war eine total tolle Band namens KÄFER K hier. Ein bisschen poppiger, aber wow! Im März 2011 kamen meine Lieblings-Sludger OMEGA MASSIF für einen Longplayer vorbei, im April PATSY O’HARA, COBRETTI, RESURRECTIONISTS, KODIAK, und so weiter. Na ja, wenn diese Zeilen erscheinen, werde ich wohl gerade dabei sein, die neue ALPINIST-LP zu mischen. Wahnsinn, was die Jungs für einen Output haben – und dann noch in der Qualität.Apropos: JULITH KRISHUN haben sich für den Spätsommer ebenso schon wieder angekündigt, was bestimmt auch wieder ein Highlight an Krachizität darstellen wird. Juchuh! Vorher besuchen uns dann zum Beispiel noch ZOSCH, CARAMBOLAGE, BLACK SPACE RIDERS, SOME ARE MORE EQUAL, ETA LUX ...

Wie man hört, hast du eine lange Warteliste – was machst du richtig, dass immer mehr Bands bei dir aufnehmen wollen?

Ich freue mich auf jeden Fall riesig, dass es tatsächlich einigermaßen gut läuft. Ich versuche, diesen schwierigen Spagat zwischen Rentabilität und Leistung hinzubekommen. Es bringt mir ja überhaupt nichts, wenn ich zum Beispiel ordentlich Kohlen einfordere, aber die völlig falschen Bands hier auftauchen. Es gab da tatsächlich mal eine Band, so Alt-Herren-Style, die meinten, sie könnten sich doch bei dem angenehmen Studiopreis einfach mal den „Spaß gönnen“, sich bei uns einen ganzen Monat „einzukaufen“, auch wenn ihnen das „Ambiente eigentlich ein bisschen zu unordentlich“ erschien. Vorher wollten sie dann jedoch noch eine Putzfrau vorbeischicken... haha! Da hab ich deren Angebot doch dankend abgelehnt, mit dem Verweis, dass es schließlich einige Bands gibt, die auch einen langen Weg in Kauf nehmen, um hier ihren Sound zu finden und zu bekommen, und das sei mir natürlich wesentlich mehr wert als deren dicke Kohle. Fuck off. Natürlich muss ich auch Geld verdienen, das ist ja klar, schließlich müssen monatlich einige Rechnungen beglichen werden, aber möglichst nicht auf diese Art und Weise.

Wo liegen deine eigenen musikalischen Wurzeln, was für Musik begeistert dich aktuell?

Indie, Noise, Stoner, Sludge, Hardcore, Oldschool-Funk, sogar HipHop oder Elektro à la KRAFTWERK. Ich bin einfach und überhaupt musikfanatisch, sofern es Eier und Seele oder sonst etwas Besonderes hat, spricht es mich an.

Ohne den anderen Bands damit Unrecht tun zu wollen: Was würdest du als deine Meisterwerke bezeichnen?

Oh, schwierig, schwierig. Viele Bands erwähnen zum Beispiel immer wieder meine Produktion von MEN IN SEARCH OF THE PERFECT WEAPON, auch die letzte RITUAL-LP oder die EP von LIGHTHOUSE. Ein Highlight für mich stellt zum Beispiel immer noch das BLACKBOXMASSACRE-Album dar, weil wir das Ganze draußen vorm Deich aufgenommen haben. Die Jungs von SPACESHIP LANDING und COOGANS BLUFF hatten dort im Sommer zusammen geprobt und fanden, der Sound wäre dort so unglaublich gut. Tja, daraufhin hab ich halt die wichtigsten Mikros und Amps eingepackt und dort die Scheibe aufgenommen. Ja, die JULITH KRISHUN-Scheibe möchte ich allerdings auch nicht unerwähnt lassen. Ich find die total wahnsinnig. Ach, Mensch, da fallen mir dann ja auch gleich wiederum DEAD FLESH FASHION ein, wobei wir dann eigentlich schon beim richtigen Thema sind. Nämlich die zwischenmenschliche Balance. Und wenn sich daraus dann noch ein klangliches Meisterwerk entwickelt ... yes! Chapeau. Ich bin dabei. I NOT DANCE wären da zum Beispiel so ein toller Fall. Ich freu mich riesig, dass die Jungs sich bereits zweimal auf so einen weiten Weg gemacht haben, um hier aufzunehmen. Die habe ich echt auch in mein Herz geschlossen.

Worauf kommt es dir beim Aufnehmen an, was ist dein „Markenzeichen“? Hast du Vorbilder für deine Arbeit?

Das ist, ehrlich gesagt, schon wieder eine schwierige Frage, weil ich mir gar nicht mal selbst so sicher bin, was mein „Markenzeichen“ ist. Vielleicht der eher räumliche, natürliche Drumsound, gepaart mit einer ordentlichen Spur Fettigkeit? Zumindest stehe ich da schon drauf. Steve Albini hat mich dahingehend natürlich schon ein bisschen beeinflusst, das mag ich einfach nicht leugnen, hehe.

In welcher Rolle siehst du dich – als reiner Tontechniker und Knöpfchendreher, oder doch auch als Produzent? Wie sehr würdest du die beiden Bereiche trennen, wie stark gehören sie zusammen?

Ich finde schon, dass beides zusammengehört. Es ist wahnsinnig wichtig, dass man in die Musik eintauchen und sich auch in den Hörer hineinversetzen kann, um gegebenenfalls Anregungen zum Arrangement beizusteuern. Allerdings scheue ich mich, ehrlich gesagt, davor, so richtig plump ins Songwriting hineinzureden, außer wenn da nachgefragt wird oder einige Dinge offensichtlich nicht ganz koscher sind. Wenn’s um Klangfindung geht, fühle ich mich allerdings schon sehr Produzenten-like.

Wie sehr mischst du dich beim Aufnehmen ein, wie groß ist dein Einfluss?

Ich versuche natürlich vorrangig objektiv zu hören, was ich in dem Moment aufnehme. Sofern mir Ideen kommen, oder ich auch sehe, dass man Teile womöglich auch anders interpretieren könnte, äußere ich das auch schon. Meistens bin ich jedoch eher damit beschäftigt, dass wir möglichst die maximale Performance einfangen, und bin in der Hinsicht ein kleiner, mieser Idealist. Wenn es spielerisch wirklich nicht besser geht, versuche ich die „Probleme“ dann mit technischen Schnibbelfähigkeiten zu lösen. Vom klanglichen Aspekt her ist mein Einfluss schon recht hoch. Mittlerweile hab ich da ganz oft freie Hand, auch wenn es um den Mix geht. Natürlich besprechen wir aber im Vorfeld, wie wir uns so ganz grob das Endresultat vorstellen. Den Mix mache ich dann jedoch erst einmal ganz für mich allein, bevor wir das dann alle mal durchhören. Meistens ist es auch eher so, dass ich abends dann die frische Mische hochlade und auf Feedback warte.

Sonst noch was?

Ökostrom! Immerhin.